Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Aalstecher
Der Aal war zu allen Seiten ein sehr begehrter Speisefisch. Er ist wohlschmeckend und auf vielerlei Art zuzubereiten. Gebraten, gekocht, geräuchert oder in Aspik eingelegt, einfach lecker. Der Aal fehlte auf keinem Küchenzettel an den fürstlichen Höfen und bei den reichen Leuten und hier am Meer konnte sich zu Festzeiten auch mal die ärmere Stadtbevölkerung den Fisch leisten. Insgesamt galt Aal als ein teures Gericht und ist er bis heute geblieben. Niedrige Preise waren eher die Ausnahme wie im Jahr 1845. Die Rostock Zollbestimmungen setzten den Zoll auf die Tonne Aal mit 9 Pfennigen gleich wie auf Dorsch und gesalzenen Hering.
Für den Aalfang gab es besondere Fangmethoden und Gerätschaften, sodass sich unter den Fischern der Zweig der Aalstecher herausbilden konnte. Wie sehr der Aal und sein Fang mit dem Alltag Rostocks verbunden war, darauf deuten zwei bekannte Straßennamen hin. Die Straße Aalstecherbruch (heute Aalstecherstraße) am Hafen und Strande ist seit 1590 unter diesem Namen bekannt. Wie die Namen Fischerbruch, Fischerstraße und Fischbank zielt die Bezeichnung Aalstecherbruch auf den hohen Rang des Fischfangs in Rostock hin. Und noch einmal führte der Aal zu einem Straßennamen. Seit etwa 1514 besitzt eine Verbindungsstraße zwischen der Südwestecke des Neuen Markts und der Kistenmacherstraße die Bezeichnung „Glatter Aal“ (vorher Goldschmiedestraße). Auch in der zweiten Seestadt Mecklenburgs Wismar existiert mit „Glatter Aal“ eine gleichnamige Straße.
Regional erfanden die Leute recht bunte Bezeichnungen für den Aal. In Bremen hießen große Aale Pannaale, mittlere Pincken und in Mecklenburg nannte man kleine Aale Aalekins.
Um Lauenburg hieß ein Aal mit großem Kopf Blaukopf. Aale die in trübem Wasser lebten hießen fast überall, so auch in Rostock, Mooraale. Vermutlich ist der Straßenname Glatter Aal auf die gute Qualität der Rostocker Aale zurückzuführen, die hier in der Straße angeboten wurden. Nur Fische, die in Netzen, Reusen, Angeln und Fischfallen landeten, blieben weitgehend unverletzt mit tadelloser Qualität.
Über Jahrhunderte spielten zum Fang die Fischfallen auf Aal eine besondere Rolle. Die Fischer errichteten Aalwehre, um die Tiere gezielt in die Fallen zu lenken, die aber zugleich die Schifffahrt und den Mühlenbetrieb der Wassermühlen stören konnten, weil sie den Fluss einengten. Mit oder ohne Aalwehr hängten sie aus Weide geflochtene, engmaschige Aalkörbe in das Wasser, in deren breite Öffnung die Fische hinein schwammen und in den Wänden bzw. im Korbboden hängen blieben. Die Fischernte blieb glatt und unverletzt. Mit Aalkörben wird auch heute noch Aal und Dorsch gefangen.
Dagegen führte das Aalstechen mit dem Aalstecher, Aaleisen, der Aalharke, stets zu groben Verletzungen der Fische. Der Fisch gelangte mit argen Quetschungen, zerrissenem Fleisch usw. in den Einkaufskorb. Trotzdem war das Aalstechen eine sehr alte und effektive Fangmethode. Archäologen haben an Fundmaterialien herausgefunden, dass sie im Ostseeraum bereits seit der Steinzeit angewandt wurde.
Die verwendeten Materialien zu Herstellung des Aalstechers wechselten in den mehr als 6000 Jahren natürlicher Weise, aber die Fischjagd und List ist sehr lange geblieben. In der Steinzeit bestand der Aalstecher aus zwei mit etwas Zwischenabstand miteinander verknoteten Außenhölzern und in der Mitte aus einer Knochenspitze, mit der der Fisch aufgespießt wurde. Ab dem Mittelalter wurde der Aalstecher vom Schmied als eine drei- bis fünfzackige Gabel, aber mit vielen Widerhaken, aus Eisen handgeschmiedet.
Der Fang mit dem Aalstecher erfolgte an den flachen Ufern von Flüssen, Seen, Teichen usw. auf die im schlammigen Untergrund vergrabenen oder auch nur ruhenden Aale. Im Warnow-Fluss mit Breitling, Moorgraben und Radelsee und in den ehemaligen Warnow-Armen um das Stadtgebiet lebte und lag auch der Aal recht gut. Die Rostocker Fischer gingen mit der Stechgabel am Ufer entlang oder fuhren mit dem Boot im flachen Wasser und stachen manchmal systematisch den Grund abgehend und mitunter auch blind in den Boden. Bei Erfolg, und der stellte sich fast immer bald ein, hatte sich der Fisch in die Gabel gequetscht oder auf den Zinken aufgespießt. Auch im kalten Winter ließ sich der Aal bei der Eisfischerei mit Aalstechen fangen, denn im Herbst hatte er sich eingegraben, um den Winter mit wenig Energieverbrauch zu überleben. In den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts wurde allgemein die Aalstecherei aus Tierschutzgründen verboten.
Die Beliebtheit des schlanken, schlangenartigen Fisches aber ist bis heute geblieben. Auch in der DDR-Zeit war der Aal ein kulinarisches Thema. Bei der Anlandung an den Fischmärkten wurde der Aal in den 60 Ger Jahren nach Gewicht sortiert: Aal I, Aal II und Aal III usw. Aber zu kaufen gab es den Speisefisch nicht zu jeder Zeit und mitunter nur unter der Hand, dafür ganz frisch vom Fischer zu Schwarzmarktpreisen. Allerdings wurde er zur Ostsee-Woche im Überfluss angeboten. Selbst die Fans des F. C. Hansa Rostock bemächtigten sich seiner nach einem verlorenem Pokal-Endspiel mit dem Schlachtruf: „Wir haben den Aal und ihr nur den Pokal“.
Heutzutage wird der Aal von der beruflichen Fischerei artgerecht mit der Bügelreuse, mit Aalkörben und der Langleine (Aalschnur mit Angeln) gefangen und privat natürlich mit Angelschein mit Handangel, Köder und Haken. Jeder Stadtfischerin und jedem Stadtfischer von Rostock ist es erlaubt im Fischereigebiet der Stadt maximal 60 Stück Aalkörbe und 1 Aaltrietze zu verwenden. Für alle Fangarten gilt, dass der Aal von der Kopfspitze bis zum Ende der Schwanzflosse, außer Blankaal, eine Länge von mindestens 45 cm aufweisen muss, sonst ist er untermaßig und muss ins Wasser zurück. Auch ist die Ausübung der Schleppnetzfischerei auf Aal in Mecklenburg-Vorpommern verboten.
Autorin: Hannelore Kuna