Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Apengeter

Apengeter (Rotgießer)
 

 Apengeter waren norddeutsche Metallhandwerker und angesehene Künstler des Mittelalters, die nicht in jeder Stadt ansässig waren. Sie wurden überall hin gerufen, um insbesondere in den Kirchen sakrale Figuren, Medaillons, Grabplatten, Statuen, Reliefs, Gerätschaften und Leuchter in Bronze zu gießen und damit den Innenraum prächtig auszugestalten. Und so findet man heute noch bemerkenswerte Arbeiten dieser Meister in den Gotteshäusern, obgleich sie oftmals nur noch einzelne Stücke von Apengeter-Arbeit zeigen. Auch einige Glocken sind von ihnen gegossen worden, aber hauptsächlich haben sie sich mit Erz-Taufen verewigt.
Das Wort Apengeter entstammt der mittelniederdeutschen Sprache. In Süddeutschland wurden diese Handwerker von Anfang an Rotgießer genannt, eine Bezeichnung, die in der Neuzeit mit der Einführung der hochdeutschen Sprache auch für den norddeutschen Raum bestimmend wurde. Der Rotguss bei der Bronzefertigung zeichnete sich durch einen höheren Kupferanteil aus, Kupfer und Zink etwa im gleichen Verhältnis ergab den Gelbguss (Messing) und der vollzog sich im Handwerk der Gelbgießer. Die Produkte der Apengeter waren, außer den Medaillons, hauptsächlich monumentaler Art, so dass ein entsprechend hoher Zeitaufwand veranschlagt werden musste. Mitunter gossen sie auch kleinere Kirchenglocken, was ihnen tüchtigen Ärger mit den Glockengießern einbrachte. Denn ihre Arbeit war von den Techniken her verwandt mit denen der Glockengießern, Gelbgießern und Grapengetern, letztere fertigten aber hauptsächlich kleinere Gebrauchsgegenstände aus Bronze, Kupfer, und Zinn für den Haushalt Kochtöpfe und Pfannen an.
Als die Städte gründeten, war in der kirchlichen Praxis die Kindtaufe, entweder als ganz-körperlich oder nur teilweise Taufe, bereits üblich. Dem religiösen Glauben nach, sollte die Taufe, d. h. die Aufnahme des Neugeborenen in die christliche Gemeinschaft, gleich in den ersten Tagen nach der Geburt erfolgen. Für das kurzzeitige Eintauchen in Wasser benötigte man tiefe Gefäße, die ein bestimmtes Maß an Wasser aufnehmen konnten und nach der Bedeutung des religiösen Taufrelikts sollten die Taufbecken auch besonders ausgeschmückt sein. Die tiefen Taufgefäße fertigten Steinmetze und Bildhauer aus Stein (Fünten), aus Sandstein, schwedischem Kalkstein oder Granit, oder die Apengeter aus Metall, die danach Erztaufen genannt wurden. Anderseits wurden ebenso schon relativ flache Taufgefäße aus diesen Materialien hergestellt, wonach das Taufkind mehr symbolisch mit Wasser besprengt wurde.
Die Seestadt Rostock repräsentiert mit der Erztaufe in St. Marien von 1290, die inschriftlich mit Fertigstellung vom 12. April datiert wurde, die bedeutendste Erztaufe im Ostseeküstengebiet. Sie wurde von einem unbekannten Meister, der vermutlich aus dem niedersächsischen Raum stammte, gegossen. Ein runder und konisch nach oben verbreiterter Kessel wird von vier männlichen, bärtigen Figuren mit langen Gewändern und umgestürzten Vasen in den Händen getragen. An der Wandung laufen drei Schriftbänder, dazwischen zwei Bildstreifen mit Reliefszenen, der Taufkessel ist mit einem spitzkegligen Deckel geschlossen, der mit drei Inschriftbändern und reichem Figurenmaterial verziert ist und auf dem bekrönenden Knauf sitzt ein Adler. Nach eingehenden Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Darstellungen und Figuren auf dem Deckel aufgenietet wurden, der Kessel dagegen wurde als durchgehende Gussarbeit angefertigt.
Diese Gussarbeit wurde ähnlich dem Glockenguss vollständig mit seinen Verzierungen hergestellt. Die Apengeter bzw. Rotgießer benutzten eine handwerkliche weiterentwickelte Technik der Glockenritzer, indem die Buchstaben und Figuren zunächst separat aus Wachs in der Werkstatt hergestellt und dann auf der inneren Beckenform aufgeklebt wurden. Später verschaffte man sich für den Zierrat Holzstempel und Formen von Goldschmieden und Gürtlern an oder ließ sie sich von Bildschnitzern stechen. Auf den Kesselwandungen sind damit vielfältige Darstellungen möglich geworden, eindrucksvolle beschriftete Bänder, Figuren, vom Einzelbild bis zum Relief. Auch Abformungen von Wappen und Pilgerzeichen wurden üblich. Nach dem Ausschmelzen des Wachses konnte das Metall in die Hohlräume einfließen. Die vorab erfolgte Modellierung des Schmucks für die Taufen ermöglichte eine hohe künstlerische Leistung, so war der Apengeter ein geschickter Handwerksmeister und dann ein begabter Kunsthandwerker.
Beeinflusst von dem unbekannten Meister der Erztaufe in der Marienkirche zu Rostock, trat namentlich im 14. Jahrhundert ein Johannes Apengeter, geboren von Sassenlant (Sachsen), auf. Wie im Mittelalter oftmals üblich, diente die Berufsbezeichnung zugleich als Nachname. Von Johannes Apengeter sind einige Arbeiten durch Inschriften auf den Objekten oder durch Urkunden nachweisbar. Sein Arbeitsleben war ein ruheloses Wanderleben von Ort zu Ort. 1327 lebte und arbeitete er jenseits der Oder, in Kolberg an der Ostsee. Er fertigte dort für die Marienkirche einen siebenarmigen großen Leuchter an, der noch heute einen Kunstschatz von hoher Meisterschaft darstellt. Vier Jahre nach der Fertigstellung finden wir Johann Apengeter in Rostock wieder. Der Rostocker Rat hatte ihn beauftragt, bronzene Maß-Scheffel für das Getreide zu liefern. (Der Scheffel war ein Hohlmaß für Schüttgüter und betrug in Rostock 38,489 Liter). Desgleichen fertigte er zweckmäßige Arbeiten an, die gerade an Bronzewerk dringend gebraucht wurde. Maß-Scheffel aus des Meisters Hand bewahrt noch heute das Kulturhistorische Museum zu Rostock. 1339 erwähnen die Urkunden allgemein, ohne genauere Details, eine von Johannes Apengeter für Rostock auszuführende Arbeit. 
 Dann ging Johannes Apengeter nach Lübeck, wo er für die heiligen Gotteshäuser künstlerisch reiche Ausstattungsgegenstände anfertigte. Bemerkenswert sind die zahlreichen Grabplatten im Lübecker Dom; unter ihnen nimmt das Bronzegrabmal des Bischofs Bocholt im Chor den ersten Rang ein. Von Johannes Apengeter wurde um 1341 eine vollplastische, liegende Bischofsfigur geschaffen, die in der Linken den Bischofsstab und ein Modell des von diesem Bischof vollendeten Domchores hält.
Auch die Rostocker Nikolai-Kirche besaß eine frühe Erztaufe, etwa vom Ende des 13. Jahrhunderts. Sie wurde ausnahmsweise in Zinn gegossen, war mit geringem künstlerischem Wert ausgestattet und stammt vermutlich aus der Werkstatt eines Rostocker Zinngießers. Die Einfachheit dieses Behälters unterstrich einmal mehr den praktischen religiösen Zweck. Ein weiterer Rostocker Apengeter war Andreas Ribe. Er schuf 1508 für die Kirche in Kröpelin eine auf drei Beinen stehende Bronzetaufe in Glocken-Form mit umlaufender Inschrift, Ornamentbändern, Wappenreliefs und Kruzifix. Aus seiner Werkstatt stammt eine weitere Taufe von 1512 für St. Petri zu Rostock.


Autorin: Hannelore Kuna.

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