Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Armbrustmacher, Armbruster
Die Bürger der Seestadt Rostock mussten allzeit gut bewaffnet sein, ihnen oblag die Bewachung und Verteidigung der Stadt. Von einer Heeresfolge (Kriegspflicht) für den mecklenburgischen Landesherrn, verstand es das mächtige und nach Unabhängigkeit strebende Rostock sich früh und weitgehend zu befreien, womit die Sicherheit der Stadtgemeinde für alle Einwohner im Mittelpunkt stand. Die Bürger wurden verpflichtet, sich je nach sozialem Status eigene Waffen anzuschaffen und diese in gebrauchsfähigem Zustand bei sich im Hause zu haben. Streng achtete der Rat darauf, dass dieser Forderung entsprochen wurde, daher wurden von Zeit zu Zeit Waffen- und Heeresmusterung abgehalten. Die Ratsmitglieder bestimmte die Bewaffnungsart der einzelnen Wehrpflichtigen. Sämtliche Handwerker der Stadt zusammen, genauer ihre Ämter, hatten im 14. Jahrhundert insgesamt 622 Bewaffnete zu stellen, das waren hauptsächlich Armbrustschützen. Weiterhin benutzte man zur Bewaffnung die allgemein gebräuchlichen Waffen des Mittelalters, den Bogen, Spieß, Dolche, Morgensterne und Streitäxte.
Verständlich, dass sich die Herstellung von Armbrüsten in dieser Zeit zu einem gut gehenden Handwerk für geschickte Hände, die sowohl mit Holz als auch mit Metall umgehen konnten und dazu noch technisches Geschick bewiesen, entwickelte. Für solche Meister und Gesellen dieses Fachs gab es in der Stadt reichlich Arbeit, so dass die „armbosteer“, wie sie genannt wurden, ein eigenes Amt bildeten.
Die Armbrust war natürlich schon lange als Schusswaffe im Krieg oder bei der Jagd bekannt. Die Chinesen haben das Gerät schon etwa 1200 Jahren vor der christlichen Zeitrechnung erfunden. Im alten Griechenland stand die Verwendung der Armbrust zwischen Handwaffen und Geschütz, in Rom war sie speziell eine Handwaffe. Im Spätmittelalter gewann die Armbrust durch technische Erneuerungen an großer Bedeutung, ja sie entwickelte sich im 14. Jahrhundert zu einer der Hauptwaffen in der Kriegstechnik; geschichtlich gesehen aber wiederum nur für kurze Zeit, denn schon im Verlauf des 15. Jahrhunderts wurde die Armbrust wieder von den neu erfundenen Feuerwaffen verdrängt, was der Armbrust verblieb, war die Anwendung auf der Jagd bis in 17. Jahrhundert hinein und bis heute im Sport und bei Volksfesten (Scheibenschießen).
Die Armbrust bestand aus einer hölzernen Säule oder Rüstung, aus einem aus Holz, Horn oder Stahl gefertigten Bogen, der aus Hanffäden gedrehten Sehne, der Abzugsvorrichtung bzw. Spannvorrichtung. Diese gab mit ihren technischen Entwicklungen den entscheidenden Vorteil gegenüber Pfeil und Bogen. Im 14. Jahrhundert spannte man die Sehne nicht mehr allein mit der Armkraft, sondern erfand einen Spannhaken am Gürtel verbunden mit Sehne, um beim Aufrichten des Schützen die Körperkraft mit nutzen zu können. Später verbesserte man die Spannkraft mittelst eines Flaschenzuges mit zwei oder drei Rollen oder durch die so genannten deutsche Winde, als wichtigstes Spannmittel. Durch diese Mechanik erlangte man immer größere Kräfte zum Abschuss und Zeit sowie Ruhe zum Zielen, wichtige Eigenschaften die Pfeil und Bogen allein nicht bieten konnten. Als Geschosse dienten weiterhin Pfeile, die aber, weil sie teilweise aus Eisen oder aus Holz mit Eisen versehen bestanden, Bolzen hießen, und rund, eckig oder spitz sein konnten. Auch konnten mit Armbrüsten leicht brennende Gegenstände abgefeuert werden, um Gebäude, Wagen oder Kriegsmaschinen in Brand zu stecken.
Kurzum, die Durchschlagskraft der Rostocker Armbrustschützen war auch bei den Rittern gefürchtet, da noch auf hundert Schritt der Plattenharnisch sehr leicht durchschlagen werden konnte und der Eisenpanzer auch auf dreihundert Schritt nicht unbedingt das Leben schützte.
Die zu hoher technischer Ausbildung gelangte Armbrust war in Rostock bis Mitte des 15. Jahrhunderts unbestritten die Fern- und Schusswaffe des einzelnen Bürgers. Trotzdem war es nicht einfach mit der Armbrust umzugehen. Die Bürger mussten den perfekten Umgang mit der Armbrust erlernen und damit in Übung bleiben. Mit diesem Ziel gründeten sich wie überall auch in Rostock, anfangs in privater Initiative und später unter Einfluss des Rats Schützengesellschaften heraus, so wurde die Armbrust Wettkampfgerät.
Die beiden ältesten Schützengesellschaften der Stadt Rostock waren die „Landfahrer-Brüderschaft“ von 1466 und das „Wiker Gelag“ (Schifffahrtsgesellschaft). Was den Rittern das Turnier bedeutete, wurde nun den Bürgern das Schützenfest, man feierte jährlich pompöse Volksfeste mit großen Aufzügen auf dem Rostocker Pfingstmarkt (später auch die Kramer zu diesem Termin) oder im Juli-Monat (Wuckrenter-Gelag). Eingeladen wurden auch hohe Gäste, „schon im Jahr 1495 kam es vor, dass der Herzog Magnus den Vogel abschoss und König ward“, berichtet eine Chronik. Geschossen wurde um die Königswürde auf einen künstlichen Vogel auf einer Stange, deshalb auch die Namen Vogelschießen, Papageienschießen oder Papegoyengesellschaft; die Stange gehörte dem Rat, der Vogel der Schützengesellschaft.
Ehre wem Ehre gebührt, 1610 erhielt der Sieger beim Vogelschießen des Wiker Gelages einen silbernen Papageien mit vergoldeter Kette für ein Jahr umgehängt. Nicht immer wurden erfahrene Bürger Sieger, 1608 wurde das erste Schützenfest des Wuckrenter Gelages ausgetragen und der erste Sieger war ein junger Student an der Universität Rostock aus Westfalen.
Aber nun gehörte die Armbrust beim Vogelschießen bereits ins Museum, die Rostocker Schützengesellschaften hatten die Feuerrohre zum Papageienschießen eingeführt.
Autorin: Hannelore Kuna