Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Bader
Auch wenn in mittelalterlichen Geschichten schmutzverdreckte Gesichter und verlumpte Leute, meist Ältere und Kinder, einen mitfühlenden Eindruck prägen, ist dies nur eine Sichtweise, wenn auch zugegebenermaßen eine sehr wirksame. Aber die Menschen im Mittelalter haben tatsächlich auf Reinlichkeit des Körpers und auf die Gesundheit geachtet und sich nach ihren Möglichkeiten gepflegt. Bekannt dafür war das Gewerbe der Bader als „Handwerk des Körpers“ in den Städten und an fürstlichen Höfen seit Alters her.
In Rostocks ältestem Stadtbuch 1254-1275 sind 8 Bader bzw. Badstüber verzeichnet, darunter findet sich ein Frauenname. Für diese frühe Zeit wirkten hier weitaus mehr Bader als beispielsweise Grapengießer oder Barbiere. Im norddeutschen Gebiet wurden die Bader auch als Badstüber, also die Bader in Verbindung mit dem Badehaus (Stube, Stuve, Stave usw.), benannt.
Die meisten Städte an der südlichen Ostseeküste haben eine Badstüberstraße wie Greifswald und Rostock. 1273/74 wurde in Rostock eine Straße erstmals als platea stupariorum, platea balneatorum benannt, 1287 erscheint bereits die deutsche Bezeichnung Bastowerstrata. Bader und Badstuben sind dort seit 1354 und mindest bis 1435 nachweisbar, sie lebten, und arbeiteten in dieser Straße gemeinschaftlich mit anderen Leuten und Gewerben.
Die Lage der Badstüberstraße in Wassernähe, d. i. in der Nähe der Unterwarnow, bot für den florierenden Badebetrieb günstige materielle Voraussetzungen. Denn wo Leute sich ganzkörperlich reinigten und wuschen, entweder für kalte Waschungen oder Warmbäder, verbrauchte man selbstverständlich viel frisches Wasser und Holzvorräte, die angeliefert werden mussten. Das Wasser zum Baden musste vorerst zu den Badehäusern herangeschafft werden, bevor erste technische Wasserleitungen Erleichterung brachten. Es existierten aber auch Badestuben außerhalb der Badstüberstraße im nördlichen Bereich der Wockrenterstraße, am Nordausgang der Grubenstraße oder auf dem Fischerbruch in der Altstadt.
Frühe Badestuben lassen sich in Mecklenburg ebenso in vielen Landstädten nachweisen. Die Einrichtungen gehörten teils der Stadt, teils einer Privatperson. Die 1337 in Schwerin genannte Badstube befand sich im städtischen Eigentum, ebenso gehörten Anfang des 16. Jahrhunderts die in Güstrow erwähnten zwei Badestuben, der „Steinstaven“ und der „Mollenstauen“, der Stadt. Auch Malchin verfügte über ein städtisches Bad, das an einen „balneator“ verpachtet wurde. 1481 ließ der Rat dort die „stuba“ neu herrichten. Die 1327 in Boizenburg vorkommende Badestube befand sich im Privatbesitz eines Ratsherrn, die nach seinem Tod von der Tochter weitergeführt werden durfte. Bei einer Badestube in Goldberg ist der Eigentümer zweifelhaft. In Parchim gab es ähnlich den Verhältnissen in Rostock keine städtischen Bäder mehr, da die Besitzer der im 14. Jahrhundert im Stadtbuch aufgeführten Badestuben selbstständig über sie verfügten.
Zu Anfängen der Städtegründungen wurden Badestuben allgemein durch den Rat errichtet und dann an die Badstüber verpachtet. Der Grund dafür war derselbe wie bei den Apotheken. Beide Einrichtungen erforderten Grundstücksbesitz, separates Gebäude mit aufwendiger Inneneinrichtung usw., also war ein hoher Kapitalaufwand gefordert. Mit dem wirtschaftlichen Wachstum des Bürgertums in den folgenden Jahrhunderten veränderten sich die Verhältnisse. Badehäuser konnten wie Wirtshäuser als wirtschaftliche Unternehmen geführt werden, jedoch sicherte der Rat eine regelmäßige Aufsicht wegen der Moral und den hygienischen Bestimmungen über die Badestuben ab.
Generell waren die Badestuben zur Reinigung, Körperpflege und damit zur Verhinderung von Krankheiten entstanden. Ein Bad wurde mit mehreren Personen zusammen im Wasserbecken genommen oder in einzelnen Zubern aus Holz oder Wannen von Kupfer. Die Preise für die Benutzung des Badehauses waren allgemein für viele Bürger erschwinglich, deshalb zählten die Bader auch nicht zu den wohlhabendsten Bürgern von Rostock.
Die mittelalterlichen Häuser in der Badstüberstraße waren in der Mehrzahl als Buden und nicht als ansehnliche Giebelhäuser ausgewiesen. Trotz kulanter Badekosten kamen die ärmeren Leute kaum oder gar nicht in den Genuss eines regelmäßigen Bades, sodass verschmutzte Leute und Kinder das Stadtbild in den hinteren Gassen mitprägten. Reiche Bürger waren wohltätig und hinterließen in Vermächtnissen das sogenannte „Seelenbad“, dessen Zinsen armen Rostockern kostenfreies Baden ermöglichte.
Aber die Bader waren pfiffige Leute und natürlich daran interessiert Geld zu verdienen, so boten sie zusätzliche Dienstleistungen an, womit sie einigen Ärger hervorriefen, der vor dem Rat kam. Sie rasierten, schnitten Nägel, frisierten oder ließen die Gäste zur Ader und setzten Klistiere an, womit die Meister in direkter Konkurrenz zum Handwerk der Barbiere traten.
Badestuben waren öffentliche Einrichtungen, außerdem Stätten der Geselligkeit und Unterhaltung und manche Neuigkeit konnte man hier erfahren. Mancherorts zählten die Bader auch zu den niederen Heilspersonen, was manches Vertrauen brachte.
Im Mittelalter trat zum warmen Wasserbad das Schwitzbad hinzu, was heutzutage das Dampfbad in der Sauna ist. Die Mode des Schwitzbadens brachten die Kreuzritter mit, Hitze und austreibender Schweiß sollten vor Seuchenerkrankungen wie Lepra und Pest schützen. Zum Schwitzbaden wurde Wasser auf heiße Kieselsteine gegossen, es sparte viel Wasser und das Schwitzbad wurde dadurch günstiger als ein warmes Wasserbad.
Letztendlich konnte das Schwitzbad die Leute doch nicht vor Epidemien retten. Das Wundheilen der Bader zeigte ungesunde Wirkungen, das größtenteils unhygienische Ansetzen von Klistieren, oder zu Aderlässen usw. bewirkte das Gegenteil, der Körper wurde geschwächt und anfällig für vielerlei Art von Krankheitserregern. Dem Rat zu Rostock mussten etwaige lepröse Erkrankungen und auch Geschlechtskrankheiten vom Badstüber angezeigt werden. Zu Pestzeiten blieben die Badestuben geschlossen.
Über die Sittlichkeit in den Badestuben gibt es verschiedene Zeugnisse, ebenso über die geltenden Vorschriften. An einigen Orten badeten Männer und Frauen getrennt, an anderen Orten wieder zusammen. Ebenso gab es unterschiedliche Bekleidungsvorschriften, es konnten ein Lendenschurz und Mütze genügen oder ein langes Badehemd musste getragen werden. Auch von weiblichen Aufwärtern ist zu vernehmen, selbst in gesonderten Männerbädern. Auf einem Holzschnitt von Albrecht Dürer, wo Männer in einer fast offenen Badehütte baden, schaut eine alte Frau zur Türe hinein. Selbst in Burgen bedienten ehemals Jungfrauen den badenden Gast und in Badestuben waren Baderinnen (Bademägde, Bademaid) tätig. Dafür zeugen die Bilder in der Bibel des Kaisers Wenzel. Weiterhin traten auch Gewandhüterinnen auf, zur Aufnahme der abgelegten Kleidung. Andererseits verfuhr man im 16. Jahrhundert streng im Umgang der Geschlechter untereinander. In einigen Orten durften laut Befehl männliche Badegäste nur durch männliche Diener und weibliche durch Mägde bedient werden.
Das mittelalterliche Rostock verfuhr wohl etwas großzügig. Als der fahrende Schüler (Student) Michael Frank etwa um 1590 Rostock besuchte, überraschte ihn der freie Umgang in Rostocks Badestuben: „… als ich daselbsten in die Badstuben gangen, mich verwundern müßen, denn alles Volck, Mannes- und Weibesvolck, Gesellen und Jungfrauen, Jung und Alt, Klein und Groß, durcheinander gangen, gesessen und gebadet, darzu hat das Mannesvolck nicht viel Schürtztücher furgebunden, sondern wird ihnen nur Ovasten, die Scham zu bedecken gegeben, daß halten sie für, wie Adam die Feigenblätter, und ziehen mit dahin für Frauen und Jungfrauen, sizzen auch neben und untereinander … “. Das Mannsvolk trug keine Schürztücher, sondern eine Art Feigenblätter und nur die Fremden nahmen daran moralischen Anstoß. Obgleich bekannt ist, dass die Menschen dieser Zeit recht frei im Umgang untereinander waren, was in der Folge zu üblen Krankheiten führte.
Eine recht konsequente Trennung beim Baden erfolgte dagegen zwischen Christen und Juden. Den Juden war der Besuch von öffentlichen Badestuben in den Städten verboten. Nach den kanonischen Rechten war es aber auch den Christen untersagt gemeinsam mit Juden ein Bad zu nehmen, und zwar bei den Laien durch Strafe der Exkommunikation und bei den Klerikern bei Strafe der Degradation. Wo Juden lebten, gab es für sie besondere Badestuben (Wien, Augsburg, Bamberg).
Im Jahr 1800 waren in Rostock nur noch 2 Bader tätig. Wen verwunderts, die mittelalterliche Badekultur gehörte längs der Vergangenheit an. Mit Beginn des 17. Jahrhunderts erschien Baden als verpönt. Bereits das Konzil von Trient (1545-1563) verhängte ein kirchliches Badeverbot. Man glaubte die Berührung mit Wasser fördere das Eindringen von Krankheiten. Saubere Wäsche, Puder und Parfüm ersetzten fortan Ganzkörperreinigen im Wasser. Allein Hände und Zähne empfahl man täglich zu reinigen, über das Gesicht waren die Gelehrten schon unterschiedlicher Meinung.
Erst das Zeitalter der Aufklärung brachte auch für die gesundheitliche Körperpflege eine Besinnung, unter dem Credo „Zurück zur Natur“, zog es den geistig aufgeklärten Menschen in die freie Natur. Heilquellen wurden nun als Gesundbrunnen genutzt und die Bäderkultur an Ost- und Nordsee begann sich zu entwickeln. Die Badekultur erfasste zunächst und hauptsächlich die reicheren Schichten der Bevölkerung, die Herrschaften reisten zur Badekur ins einheimische Bad Doberan oder in die Ferne nach Karlsbad.
Erst die große Industrialisierung und das rasche Anwachsen der Städte brachten ab Mitte 19. Jahrhundert wieder eine öffentliche Badekultur hervor, die Schmutzentwicklung unter den Massen hatte eine neue Dimension erfahren. So entstanden die öffentlichen Bade- und Waschanstalten für die Arbeiterschaft: 1855 Hamburg, 1860 Magdeburg (mit Schwimmbecken), 1879 Berlin und damit die späteren Volksbäder ausgestattet mit eisernen Gusswannen, Duschen, Schwimmbecken und Waschplätzen in allen Städten.
In Rostock entstand 1833 am Mühlendamm ein Badefloß und im Sommer 1841 eine Wasserheilanstalt kombiniert mit einer Flussbadeeinrichtung, wovon das Flussbad etwa bis zum 1. Weltkrieg (bekannt als Frische’sche Anstalt) genutzt wurde. 1875 warb die Badeanstalt Frisch mit „römischen, russischen, Wannen-, Sturz-, Regen- und Flussbädern.“ Außer der Badeanstalt Frisch wirtschaftete die Warm-Badeanstalt von J. H. Ohnesorge. An ausgebildeten und zugelassenen Arbeitskräften gab es 2 Badewärter und 3 Badefrauen. 1906 existierten im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin 60 Badeanstalten (einschließlich von Fluss- und Freibädern und Sonstigen) mit 165 Beschäftigten.
Von der Jahrhundertwende an nahm die weitere Entfaltung der modernen Badekultur ihren freien Lauf, obgleich einige Umständlichkeiten von wegen der Moral unter den Geschlechtern hingenommen werden mussten. Die Verfechter der freien Körperkultur hat es jedenfalls bis in die Gegenwart hinein nicht abgeschreckt.
Autorin: Hannelore Kuna