Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Bierbrauer


Bierbrauer in Rostock


 Das Bier war seit alter Zeit ein Volksgetränk, das hatte vielerlei Gründe. Die Mecklenburger stillten mit Biersuppen den Hunger und die Ärzte empfahlen Bier gegen etliche Krankheiten wie den berüchtigten „Englischen Schweiß“. Wundärzte, Bader und Chirurgen behandelten kranke Gliedmaßen mit Bierumschlägen. Vermutlich war aber der Alkoholanteil der meisten Biersorten viel geringer als heute. Und was für Menschen gut war, konnte auch für Tiere nicht schlecht wirken, sodass der Gerstensaft in der bäuerlichen Tierheilung Anwendung fand.

 Westfälische Siedler, die in unser Gebiet kamen, hatten den Bierbrau bereits im 12. Jahrhundert eingeführt. Auch die Klostermönche beherrschten das Brauen. Zu den wichtigsten Wirtschaftseinrichtungen der Klöster gehörte durchweg eine eigene Brauerei, selbst die Frauenklöster waren davon nicht ausgeschlossen. Aus dem Mittelalter wurden verschiedene Brausorten bekannt wie Starkbier, Schwachbier, Tafelbier, Kovent, Barschbier, Kniesenack, Mumme, Pasenelle, Rummeldeutz oder Seebier.

 Das Rostocker Brauereigewerbe entstand im 13. Jahrhundert. Eine erste Brauordnung auf Pergament ist von 1573 erhalten. Die Erlaubnis vom Rat zum gewerbsmäßigen Bierbrauen, die Braugerechtigkeit, war an den Grundbesitz gebunden, so durften immer nur die Besitzer von bestimmten Häusern im Großen das Bier herstellen und verkaufen. Damit war die Anzahl der Brauhäuser auf eingegrenzt. Weiterhin wurde die Bierproduktion auf bestimmte Tage im Jahr festgelegt, sodass sich eine Reihenfolge im Bierbrau ergab, was das sogenannte „Reihebrauen“ genannt wurde. Jedes Brauhaus konnte maximal an 20 Tagen im Jahr von Mitte September bis Mai produzieren. Alle diese Maßnahmen dienten zur Verhinderung einer Überproduktion.

 Grundlagen der Bierherstellung waren bis zum Ende des 18. Jahrhunderts sauberes Wasser, Malz und der Hopfen. In hoher Blühte stand der Hopfenanbau in Rostock, Neubrandenburg, Friedland, Grabow oder Parchim. Die Bürger waren stolz auf ihre Hopfengärten, von dem begehrten Gewürz wurde soviel angebaut und geerntet, dass der Hopfen bis nach Hamburg verkauft werden konnte. Bekannt war der traditionelle Hopfenmarkt der Stadt Rostock, auf dem kräftig gehandelt wurde. Wenn zum Sommerausgang und Frühherbst der Hopfen angeliefert wurde, herrschte stets reges und geschäftstüchtiges Treiben auf dem Platz und in den Gassen. Den Aufkauf besorgten zwei vom Rat vereidigte Hopfenpacker und Hopfenmesser. Der Hopfenpacker prüfte die Qualität und die Güte und danach wog der Hopfenmesser die Ware ab. Die Masse kauften die städtischen Brauer auf, die darauf ein Vorrecht besaßen und was an Früchten übrig blieb, erwarben die Brauer aus den nordischen Ländern.

 Das Rostocker Bier besaß im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit im Norden Europas einen ausgezeichneten Ruf. Rostocker Bier entwickelte sich zu einer Handelsware weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus. 1653 schrieb Martin Zeller zu Rostock: „Es wird allhier ein stattliches Bier gesotten und weit verführt. Denn es nähret wohl, … stärkt den Leib, so tut es den Hauptgliedern des Menschen wundersame Kraft geben. Und kann man solches, sonderlich das Märzenbier, etliche Jahre behalten.“

 In Rostock existierten um diese Zeit nicht weniger als 250 erwerbsmäßige Brauer, die jährlich zusammen etwa 250.000 Tonnen (Fässer) Bier brauten. Die Erzeuger erwiesen sich in erster Linie als gute Kaufleute, die mit Bier, Malz und Hopfen handelten. Als Kaufleute gehörten sie zunächst zu den kaufmännischen Korporationen. Im 16. Jahrhundert trennten sich die Brauer von den Kaufleuten und bildeten mit der Brauerkompanie eine eigene Korporation. Seitdem galten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zwei Bedingungen für das Rostocker Braurecht: Besitzer oder Nutzer eines brauberechtigten Hauses und Mitglied der Brauerkompanie.

 Die Rostocker Brauherren lebten seitdem 15. Jahrhundert in Wohlstand und zählten zur angesehenen Oberschicht. Ihre privaten Wohngebäude erbauten sie als reich geschmückte steinerne Giebelhäuser und sie besaßen meist mehrere Immobilien, darunter das separate Brauhaus zum Darren, Mälzen und Brauen.  

 Ihre starke Wirtschaftskraft brachte das Wohl der Stadtgemeinde zum Gedeihen. Sie ließen erstmals eine zentrale Wasserleitung errichten, die sauberes Wasser zum Brauen und zum Teil auch für die Bürger garantierte. Viele Brauherren saßen in wichtigen städtischen Ämtern und nahmen Einfluss auf die politischen Geschicke der Stadt. In der seit 1584 bestehenden Bürgervertretung waren 60 Vertreter Kaufleute und Brauer und seit 1770 bildeten 50 Deputierte deren I. Quartier.

 Im 17. Jahrhundert zogen die Brauer in das frühere, exklusive Wikergelag der Schiffer in der Koßfelder Straße ein und veranstalteten hier ihre regulären Versammlungen und alljährlichen Feste.                                                           

 Rostock versorgte auch die nordischen Länder mit Bier, in denen der Hopfen aufgrund der klimatischen Bedingungen nur eine kümmerliche Qualität aufweisen konnte. Wollte die Nordländer gutes Bier trinken, so mussten sie auch gute Handelsbedingungen schaffen. Von den dänischen Königen erhielt Rostock im Jahr 1577 z. B. neue Zusicherungen, die eine Senkung der Akzise (Steuer) auf den Bierverkauf in Dänemark garantierten. Auch in Schweden durfte Bier aus Rostock nicht fehlen. Bei König Gustaf Adolfs II. Vermählung im Jahr 1620 wurden 177 Ohm Rheinwein, 70 Pipen Franzwein, 15 Pipen spanischer Wein, ½ Ohm rheinischer Branntwein, 42 Last Rostocker und 102 Last Stralsunder Bier getrunken.

 Einen guten Ruf hatte das Rostocker Bier in Lübeck, das die Stadtbevölkerung lieber trank als die einheimischen Weiß-, Rot- und Bleichbiere. Der Export nach Lübeck betrug beispielsweise 1531 3.500 Tonnen Bier. 1549 erließ deshalb der Rat zu Lübeck eine Ordnung, die den Import des Rostocker Bieres im privaten Gebrauch einschränkte (auf 2-3 Tonnen für 4-5 Personen im Haus) und das Zapfen in Gasthäusern ganz verbot. Noch 1705 hieß es in einem Bierbuch, dass das Rostocker Bier oder Oel genannt, ein gesundes Sommerbier sei, das man in warmen Sommertagen nützlich und bequem trinken kann.

 1782 gab es im Herzogtum Mecklenburg Schwerin insgesamt 328 Brauer, die Weiß- und Braunbier brauten, einschließlich von 8 Koventbrauern und 6 Schopenbrauern (Brauknechte in Rostock). Von den 328 Produzenten arbeiteten allein in Rostock 62 (Groß)Brauer. In Neustrelitz arbeitete eine Brauerei, die englisches Bier braute.

 Um 1800 besaß das Rostocker Braugewerbe keine separaten Brauhäuser mehr und erreichte auch nicht mehr die Bierqualität der vergangenen Jahrhunderte. Das wird jedenfalls übereinstimmend in historischen Quellen berichtet. Wer Mitglied der Brauerkompanie werden konnte, braute jetzt im eigenen Wohnhaus, das für den Betrieb erweitert oder umgebaut war. Wer die Berechtigung besaß, sämtliche Biersorten zu Brauen, konnte sich Großbrauer nennen. Um den Absatz des Getränks zu sichern, entstand die Biermeile für alle Wirtsleute in Rostock und in der Umgebung, sodass im Umkreis von zwei Meilen nur einheimisches Bier ausgeschenkt werden durfte. Bei festgesetzter Strafe war es verboten, fremdes und auswärtiges Bier zu „verkrügen und verschenken“.

 Unter den Brauern gab es um 1800 so manche überlieferte Tradition. Beim Brauen wurde der zuerst gewonnene Teil abgeschöpft und unter dem Namen Faselkanne an gute Freunde bei einem Umtrunk gereicht. Das Frischbier war eine dicklich, trübe, klebrige Masse, sehr nahrhaft und soll bittersüß im Geschmack gewesen sein. Da es nicht ausgegoren war, schlug es manchem auf die Gedärme, das störte jedoch damals niemanden.

 Eine andere Sorte, die wesentlich schwächer, aber dafür gegoren war, hieß Schiffsbier und wurde von den Matrosen auf ihren Fahrten bevorzugt getrunken. Auch beim einfachen Stadtvolk war es sehr beliebt.   

 Neben den Großbrauern der Kompanie gab es die sogenannten Koventbrauer (Kleinbierbrauer), die nicht das große Brauprivileg besaßen und nicht Mitglied der Brauerkompanie sein mussten. Aber auch sie benötigten eine Konzession vom Gewett. Sie durften nur „Kovent-Bier zum Verkauf brauen und den Preis dafür zum Höchsten auf 5 Pfennige den Pott stellen, Kovent nicht an Krüger, Bierschenker und Herbergierer verkaufen und selbst keine Krugwirtschaft, Bierschenke oder Herberge halten. Kovent-Bier war von geringerer Qualität, nicht sehr klar und auch nicht recht vergoren, berauschte aber umso mehr.

 Des Weiteren kamen kleinere Privathäuser hinzu, deren Besitzern es erlaubt war sogenanntes Hausbier in geringen Mengen für den Eigenbedarf zu brauen. Hausbier war besonders klar und wohlschmeckend, weil die Hausfrauen akkurat auf die Sauberkeit der Gerätschaften achteten und familiäre Braugeheimnisse sorgsam hüteten.

 Langsam öffneten sich die Handelsmärkte, sodass es fremde Biere wie Schwedisches Bier, Englisches Bier (Porter), Braunschweiger Mumme oder Danziger Lachs zunehmend zu kaufen gab, wenn auch nicht immer und zu jeder Zeit.

 Am Ende des 18. Jahrhunderts existierten etwa 79 Schriften über verschiedene Brautechniken, es gab Hunderte von Biersorten, aber alle Getränke waren als obergärige Biere nur kurzzeitig haltbar. Die modernen Erkenntnisse der Chemie verhalfen dem Brauwesen zu grundsätzlichen Erkenntnissen, daher wusste man ab 1839, dass Gärung und Fäulnis ihre Ursache in der Tätigkeit kleinster Lebewesen haben, was zur Reinzüchtung der Hefe führte. Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts führten technische Erneuerungen wie das Thermometer, Saccharometer, insbesondere die Dampfmaschine und die Kühlmaschine, ja sogar die Steinkohle zum Feuern, das Brauwesen zur industriellen Produktion. Das Bier konnte nunmehr ganzjährig erzeugt werden, es wurde zunehmend geschmacklich verändert, solange bis sowohl Produzenten als auch Konsumenten vollständig zufrieden gestellt waren. Das ist bis heute so geblieben und auch modische Geschmacksaromen ändern an der Beliebtheit traditioneller Biere nichts.

 Als es noch keine technische Kühlung gab, wurde das gefrorene Eis aus den umliegenden Gewässern zu den Brauereien geschafft. Diese körperlich schwere Arbeit verrichteten die Eismänner. Über Jahrhunderte brachen sie im Februar und März große Mengen Eis aus der Warnow, zersägten große Stücke zu passgerechten Blöcken, die in Eiskellern gelagert wurden und bis zur nächsten kalten Jahreszeit zur Bierkühlung dienten. Auf diese Art und Weise wurde die Lagerzeit hinausgezögert und Haltbarkeit des Bieres gewährt, was bei den bis dato vorherrschenden, obergärigen Bieren nur begrenzt möglich war. In Rostock schaffte es das sogenannte Märzenbier (im März gebraut) mit anhaltender Kühlung bis in den Sommer hinein. Es lag früher in der Natur der Sache, dass von dem zu Sommerzeiten gebrauten Bier durchschnittlich ein Fünftel der Produktion ungenießbar und unverkäuflich wurde, sodass die wirtschaftlichen Verluste hoch ausfielen.

 Die Bierrevolution im 19. Jahrhundert brachte die Produktion von untergärigen Bieren hervor, die erstmals in Bayern in hohen Produktionen gelang. Im Unterschied zum obergärigen Bier mit Hefegärung bei 24 Grad erfolgte die Gärung schon bei 4 bis 14 Grad. Die Gärung dauerte länger, etwa 8-10 Tage; beförderte aber weit weniger Mikroben in das Getränk. Die Erfindung des untergärigen Bieres war nicht grundsätzlich neu, denn es gab diese Braumethode bereits in den mittelalterlichen Klöstern. Das Problem blieb die Kühlung. Erst im 19. Jahrhundert gelangten die Brauer mit maschinellen Kühlapparaten im Besitz der Technik das Bier lange haltbar herzustellen. Aus Sparsamkeitsgründen blieb aber bei kleineren Brauereien die natürliche Eisgewinnung und -nutzung bis in das 20. Jahrhundert hinein aktuell.

 In Rostock wie in der gesamten norddeutschen Bierlandschaft erfolgte der Abgesang der alten traditionellen, obergärigen Biergewinnung gegen 1870, mit Blickrichtung nach Bayern. 1872 verzeichnete das Adressbuch der Stadt Rostock noch 9 Großbrauer: Gapobus, Linck, Mau, Meyer, Steinbeck, Triebsees am Hopfenmarkt, Voß, Waterstradt und Zelck und vier Koventbrauer (Dünnbierbrauer).

 Mit dem Jahr 1885 löste sich die Brauerkompanie zu Rostock auf, welche die Braugeschäfte seitdem 16. Jahrhundert geführt hatte. Auch die ersten sechs Flaschenbierhandlungen in der Stadt, deren Anzahl von 1871 bis 1880 auf 12 Geschäfte stieg, deuteten einen Bierwandel in der Fertigung und im Konsum an.

 Die erste industrielle Brauerei mit neuem Bier war die von Const. Steinbeck am Hopfenmarkt 22, aus der eine Aktiengesellschaft mit einem Aktienkapital von 750.000 Mark entstand. Der weitere Umschwung war dann insbesondere mit den Namen zweier Männer verbunden. Der eine hieß Georg Mahn, 1849 geboren und 1935 verstorben, stammte aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, nahm seine Ausbildung im Baugewerbe und arbeitete als Bauingenieur. Der andere hieß Friedrich Oehlrich (1852-1889, Kaufmann). Gemeinsam erwarben sie 1878 die Julius Meyersche Brauerei an der damaligen Doberaner Chaussee und legten dort sowie am Hopfenmarkt 20 (Komptor) den Grundstein für jenes Unternehmen, das zur führenden Brauerei Mecklenburgs werden sollte. 1889 wurde Georg Mahn alleiniger Direktor dieser Brauerei.

 Um gute Kundschaft wurde mit folgender Offerte geworben: „Wir beehren uns anzuzeigen, dass wir die Bierbrauerei des wail. Herrn Julius Meyer seit dem 28. März des Jahres käuflich übernommen haben und dieselbe unter der Firma Mahn & Ohlerich früher Julius Meyersche Bierbrauerei fortführen resp. erweitern werden. Wir geben das feste Versprechen, dass wir uns eifrigst bemühen werden, durch gutes Bier, sowie reellste und prompteste Bedienung der geehrten hiesigen wie auswärtigen Abnehmer Vertrauen zu erwerben und zu erhalten und bitten gehorsamst, uns mit geschätzten Aufträgen entgegen zu kommen. Hochachtungsvoll ergebendst G. Mahn und F. Ohlerich.“

 Der Bierausstoß des Geschäftsjahres 1878/79 betrug 9.934 Hektoliter. Mit der Erhöhung der Produktion wurde zwangsläufig eine Erweiterung des Betriebes notwendig. So entstand 1880 eine Mälzerei, die den Betrieb von Zulieferern unabhängig machen sollte. Um auch einem Saisongeschäft gewachsen zu sein, schritt man zum Bau mehrerer neuer Lagerkeller. In einem Werbeschreiben der Rostocker Brauerei hieß es: „Der jetzt häufig auftretenden Geschmacksrichtung eines werten Publikums entgegen zu kommen, haben wir seit kurzer Zeit ein dunkles Bier unter dem Namen „Hansabräu“ ganz nach der Methode der hervorragendsten Münchener Brauereien hergestellt und erfreulicher Weise schon nennenswerte Erfolge durch die Qualität dieses Bieres erzielt, das viel billiger und besonders im Sommer haltbarer und blanker als echtes Münchener ist.“

 Die Produktionskapazität konnte innerhalb von 6 Jahren um fast 300 Prozent gesteigert werden; es gelang im Geschäftsjahr 1883/1884 36.520 hl Bier umzusetzen. Die Konkurrenz in Rostock musste sich am Erfolg von „Mahn & Ohlerich“ messen lassen. Die Brauerei von Gottlieb Mau (Lagerstraße) firmierte zur Bierhandlung um und bot Flaschenbier aus Erlangen, Nürnberg, Wien und Dresden (Waldschlösschen) oder Porter aus England an. Andere Großbrauer gaben den Geschäftsbetrieb auf. Die in der Nähe gelegene Aktienbrauerei „Constantien Steinbeck“ (nach 1945 VEB „Anker“) wurde im Jahr 1884 dieser Brauerei einverleibt. Mit der Übernahme wurde auch das 1864 in der Doberaner Straße 21 eröffnete Ausflugslokal „Steinbecksche Keller“ als „Mahn & Ohlerich´s Keller“ (nach 1945 Haus der Freundschaft, seit 2009 Peter Weiß-Vereinshaus) der Brauerei angeschlossen. Die Ausdehnung des Betriebes erzwang den Umzug in die Doberaner Straße und 1888 den Anbau eines Verwaltungsgebäudes. 1889/90 entstand ein neues Sudhaus und die Kühlschiffanlage wurde vergrößert. Im gleichen Braujahr kam erstmals Bockbier aus den Sudkesseln. 1890/91 wurde eine eigene Hefezuchtanlage eingerichtet, 1892/93 vergrößerte man die Werkanlagen, 1894/95 wurde die Eismaschinenanlage in Betrieb genommen und 1895/97 die Gär- und Lagerkeller vergrößert. Ab 1910/11füllte das Unternehmen selbst Flaschen ab.

 Die Firma Mahn & Ohlerich, seit 1889 Aktiengesellschaft, gab vielen Rostockern Arbeit. Sozialleistungen seit 1885 wie Betriebskrankenkasse und Pensionskasse sorgten für die Identität der Mitarbeiter mit dem Unternehmen. In dem Tarifvertrag des mecklenburgischen Brauereiverbandes vom 11. Dezember 1919 wurden die Wochenlöhne für Arbeiter der „Mahn & Ohlerich Bierbrauerei A.G.“ wie folgt festgelegt: Gelernter Arbeiter: 98.- Mark, Bierfahrer: 95.- Mark, Hilfsarbeiter: 93,- Mark und Arbeiterinnen: 55,- Mark.

 Doch auch diesem Unternehmen waren seit Ende der 90-er Jahr mit dem Altstädtischen Brauhaus, dem Brauhaus Triebsees (Schröderstraße) ernsthafte Konkurrenten entstanden. Dabei erwies sich auch der Verbrauchergeschmack durchaus als wandelbar. 1900 fanden sechs Brauer im Weißbierbrau (obergärig aus Weizenmalz, ohne Hopfen) wieder eine kleine wirtschaftliche Marktlücke.

 Die Bierbrauerei konnte sich in der Hansestadt Rostock bis zur Gegenwart hinein erfolgreich erhalten. Heute gehören das Rostocker Pils, Rostocker Dunkel, das spritzige Rostocker Lemmon und andere Bierspezialitäten der Hanseatischen Brauerei, eines der modernsten Brauereien Norddeutschlands, zu den bedeutenden regionalen Marken.



Autorin: Hannelore Kuna




Alte Brauerei in Grimmen gerettet


Das stadteigene Bier ging für die Bürger in Grimmen im Herbst 1910 zur Neige. Die Privatbrauerei zu Grimmen musste aufgrund einer schlechten Auftragslage in den Konkurs gehen. Das Bierangebot war seit einigen Jahren in Vorpommern vielfältiger und die Konkurrenz für das Braugewerbe schärfer geworden.

 Auf den Pferdewagen kamen regelmäßig die Bierfässer der großen Brauereien aus Stralsund und Greifswald zu den heimischen Gastwirten. Stralsund besaß seit einigen Jahren mit der „Hanse- und der Union-Brauerei“ zwei Großbrauereien, die einen großen Marktbereich an der Ostseeküste und bis in das Binnenland hinein beherrschten. In Greifswald entstand 1865 durch den Kaufmann F. A. Cleppin ein respektabler Brauereibetrieb, der 1870 auf August Sumpf übergegangen war. Sumpf fusionierte sein Unternehmen mit Partnern in Kassel, woraus 1897 in Kassel wie in Greifswald die „Hercules-Brauerei“ entstand.

 Doch auch der traditionelle Bierbrau im kleinen Landstädtchen Grimmen sollte gerettet werden, was schon einige Einheimische angezweifelt hatten. Konkursverwalter Martens konnte Anfang Juni zu einer Hauptversammlung einladen. Der beauftragte Sachverständige erklärte, dass die Brauerei durchaus noch betriebsfähig sei, sowohl die Maschinen als auch die Gebäude sich in einem guten Zustand befänden. Bei einem Kaufpreis von 200.000 Mark und einem Umsatz von 5000 Hektoliter im Jahr, könne der Betrieb bald wieder rentabel arbeiten. Bei der Betriebsübernahme auf genossenschaftlicher Basis würde der Kaufpreis nur 132.000 Mark betragen.

 Um die Brauerei für die Stadt zu retten, beschlossen die anwesenden 80 Herren, zumeist Handwerksmeister, Fabrikanten und Kaufleute aus Grimmen, eine Brauereigenossenschaft zu gründen und die Brauerei für den Preis von 132.000 Mark zu erwerben. Vorstand und Aufsichtsrat wurden gewählt und die Statuten beraten. Die Generalversammlung erteilte dem Vorstand die Ermächtigung, mit dem Konkursverwalter zwecks Erwerbung der Brauerei sofort in Verhandlung zu treten. Man ging guter Dinge auseinander und hoffte, dass bald wieder stadteigenes Bier aus den Bierhähnen fließen könne.

Autorin: Hannelore Kuna

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