Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Bildschnitzer oder Bildhauer
Der Bildhauer ist „ein Künstler der Bilder hauet, d. i. vermittelst des Meißels oder aus Holz erhaben darstellt“, so beschrieb Johann Christoph Adelung im Jahr 1808 die Bildhauerarbeit. Bildhauer und Bildschnitzer gehörten wie die Kupferstecher, Kunstgießer, Stahlschneider zu den Kunsthandwerkern, sie fertigten aus Holz, Stein, Metall oder gar Elfenbein sakrale und weltliche Kunst- und Alltagsgegenstände an. Mit ihren Arbeiten gestalteten sie Kirchenräume, Wohn- und Arbeitsstätten aus, wozu ebenso die verschiedensten Schiffe gehörten. Arbeitete der Kunsthandwerker ausschließlich in Holz oder Elfenbein mit dem Messer nach vorher angefertigten Ton- und Gipsmodellen, wurde er schlicht Bildschnitzer genannt. Die Holzschnitzerei wurde mit Beginn des 15. Jahrhunderts eine beliebte Technik der deutschen, sakralen Plastik woraus Altarschreine, Gestühl, Figuren, Kanzeln, Kruzifixe, Tabernakel entstanden. Im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin gab es 1854 dann 6 Bildhauer und 4 Steinhauer, 1907 arbeiteten im Herzogtum 5 Bildhauer mit 7 Beschäftigten und 42 Betriebe beschäftigten sich mit Grabdenkmalen. In der Seestadt Rostock arbeitete 1800 2 Bildhauer und 1850 1 Bildhauer.
Die Kirchenausstattungen in Rostock verweisen auf eine lange zurückreichende Tradition der Bildhauerkunst. Das erste nachreformatorische Kunstwerk von einem Rostocker Bildhauer ist die reich ausgestattete Kanzel mit Portal und Aufgang in St. Marien. Sie ist im Jahre 1574 angefertigt worden, vermutlich vom Holzschnitzer und Bildhauer Roloff Stockmann. Er wurde in Antwerpen geboren, nahm 1577 in Rostock seinen Wohnsitz und verstarb hier 1622. Die Kanzel entfaltet eine besondere Wirkung durch die plastische und reliefartige Darstellung von Szenen aus dem Leben Jesu und allegorischer Darstellungen von christlichen Tugenden. Der Schalldeckel auf dem Kanzelkorb und die Gestaltung der Rückwand kamen 1723 durch die Rostocker Friedrich Möller (Tischler) und Dietrich Hartich (Bildhauer) hinzu.
Stockmann arbeitete auch in Stein und schuf für die Pfarrkirche St. Marien in Güstrow 1583 die Sandsteinkanzel. Ebenfalls für die Güstrower Pfarrkirche arbeitete der Rostocker Bildhauer Michael Meyer, der dort 1599 das Ratsgestühl mit wertvoller Intarsienarbeit anfertigte. Noch früher wurde in der Domkirche zu Güstrow der Hochalter vermutlich von einer Rostocker Werkstatt erstellt. Er wurde um 1500 durch die herzoglichen Brüder Magnus II. und Balthasar gestiftet und stellt einen der größten spätmittelalterlichen Retabel in Mecklenburg dar.
Zwischen der Entwicklung der Bildhauerkunst in Rostock im 19. Jahrhundert gibt es eine sehr interessante Verbindung mit der Berliner Bildhauerschule von Johann Gottfried Schadow (1764-1850) und seinen Nachfolgern Rauh und Wichmann. Schadow selbst hatte hier in Rostock 1819 mit dem Blücherdenkmal (Bronzeguss) auf dem Hopfenmarkt das bildhauerische Schaffen für alle Zeiten bleibend in Szene gesetzt. Die ganze Sache war sehr aufregend verlaufen, da Schadow und seine Mitarbeiter während der Arbeit am heißen Bronzeguss durch Unachtsamkeit in Lebensgefahr gerieten und beinahe in die heiße Masse gefallen wären. Die Arbeit der Berliner Bildhauer übte eine nachhaltige Wirkung auf junge, begabte Leute in der Stadt aus, dass sich einige diesem Kunsthandwerk zuwandten.
Als erster Mecklenburger konnte sich der in Rostock geborene Johann Heinrich Daniel Kaehler (1804-1878) innerhalb der Berliner Bildhauerschule einen Namen machen. Er war von 1820 bis 1826 der letzte Schüler Johann Gottfried Schadows. Ihm folgte der ebenfalls in Rostock geborene Christian Friedrich Genschow (1814-1891), der ehrgeizig und talentiert war, jedoch ohne umfangreiche und künstlerisch bedeutende Hinterlassenschaft blieb. Sein Hauptwerk ist das Reiterstandbild des Obotritenfürsten Niklot (1850/57) im großherzoglichen Schloss zu Schwerin.
Bedeutender war das bildhauerische Lebenswerk von Gustav Adolph Friedrich Willgohs. Er wurde am 26. Dezember 1819 in Dobbertin geboren und verstarb um 1903. Er absolvierte eine Tischlerlehre, ab 1841 arbeitete er in Berlin und besuchte dort bis 1847 die Abendkurse der Gewerbeschule der Akademie der Künste. Der Bildhauer Ferdinand August Fischer förderte seine Begabung, so dass er eine bescheidene Künstlerkarriere einschlagen konnte. Unter anderem fertigte er umfangreiche Arbeiten für Schwerin und Rostock an. 1868/69 lieferte er den Skulpturenschmuck für das neue Universitätsgebäude Rostock: Standbilder Herzog Johann II., Herzog Albrecht IV., Herzog Johann Albrecht I., Herzog Ulrich, 6 allegorische Figuren, zahlreiche Reliefbildnisse, Wappenreliefs (gemeinsam mit Christian Genschow). Für diesen Skulpturenschmuck am Neubau der Universität Rostock erhielt Willgohs das „Verdienstkreuz des Hausordens der Wendischen Krone“ des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin. Nach 1882 verloren sich seine Spuren in Berlin, dort ist er 1903 letztmalig im Adressbuch genannt.
Einer der bedeutendsten Bildhauer aus Mecklenburg mit umfangreichsten Werk wurde Wilhelm Wandschneider (1866-1942) aus Plau am See gebürtig, von 1886/94 Schüler der Akademischen Hochschule für Bildende Kunst Berlin. Das Denkmal Großherzog Friedrich Franz III. wurde von ihm in Rostock 1901 geschaffen, später wurde es jedoch zerstört.
Der Bildhauer Gustav Anton Wallat (1882-1911) war ein außergewöhnliches Talent, der aus Rostock stammte und frühzeitig verstarb. Seine „Warnemünderin“ und „Wasserträger“ sind künstlerisch hervorragende von ihm geschaffene Arbeiten, der „Muschelhorcherbrunnen“ in Rostock wurde leider zerstört. Bekannt wurde ebenfalls sein Bruder Paul Wallat (1879-1964), der hauptsächlich ein Marienmaler war und den Brinckman-Brunnen schuf.
Die bekannte Rostocker Bildhauerin Margarete Scheel (1881-1969) fertigte meist Kleinplastiken und Reliefs an, darunter befinden sich bemerkenswerte Bauplastiken für Rostock.
Das Künstler-Bildhauer-Leben in Mecklenburg war nicht leicht. Junge Talente waren bis auf einige Ausnahmen auf die finanzielle Gunst des Landesvaters angewiesen. Insbesondere Großherzog Friedrich Franz I. erwies sich als wohlwollender Auftraggeber und Mäzen für Bildhauerwerke. Seit 1837 wurden beständig neue Richtlinien für Stipendien aus dem Ministeriums für Kunst und Wissenschaft und des Unterrichtsministeriums erlassen.
Trotzdem gelang es nur wenigen mecklenburgischen Bildhauern ihre Existenz zu sichern, der weit größere Teil lebte mehr schlecht als recht von seiner Kunst. Fehlende grundlegende Vorausaussetzungen erschwerten ein künstlerisches Fortkommen, z.B. musste man für eine gediegene Ausbildung an einer künstlerischen Akademie außer Landes ziehen. Christian Genschow schrieb 1862 über sich: „Nahrungsfragen drücken mich oft danieder und die Aussicht auf die nächste Zukunft war mir stets getrübt, stets entmutigend, niemals erhebend. Ach! und die Ausübung der Kunst ist eine zarte Pflanze, welche so sehr der Pflege bedarf und ohne Aufmunterung dahin stirbt.“
Vermutlich finanziell sicherer konnten die Bildhauer/Bildschnitzer in Rostock leben, die beim Schiffbau lohnende Aufträge fanden. In früheren Jahrhunderten schufen sie zahlreiche Verzierungen um das Schiff prächtiger auszugestalten, insbesondere nutzte man Bug und Heck dafür. Kapitäne und Seemänner hingen dem Aberglauben schon immer tüchtig an, da brauchten sie Jemanden, der mit auf die große Reise ging und das Schiff sicher durch die Meere brachte. Beliebt waren die zahlreichen hölzernen Galionsfiguren in Lebensgröße oder in Büstenform, die von den Mecklenburgern Galionspuppen genannt wurden. Die Skala der Darstellungen war schier unerschöpflich, sie reichte z.B. von Tier- und Fabelgestalten bis hin illustren Gruppendarstellungen. Schöne Frauengestalten waren besonders beliebt und vor jeder Einfahrt in den heimatlichen Hafen wurden sie sorgfältig mit Quast und Pinsel geputzt. Eine große Renaissance erfuhr die Bildschnitzerei im Rostocker Schiffbau ab etwa 1850. Galionsfiguren mit Schnitzereien wurden mit goldenen Buchstaben prächtig ausgestattet. Auch das reichte nicht aus, geschnitzte Namensbretter mit goldenen Inschriften wurden angefertigt, die die Namen der Schiffsbesitzer und Teilhaber (Parten); Adlige, Kaufmannschaften oder gar reiche Bauern, übers Wasser in die weite Welt trugen. Der Rostocker Bildhauer Reinicke schuf z. B. eine in Lindenholz geschnitzte Lohengrin-Gestalt aus der weltbekannten Richard Wagner-Oper für ein Schiff, die im Ausland viel Anerkennung fand.
Autorin: Hannelore Kuna
Gneisenau-Nettelbeck-Denkmal
Das Gneisenau-Nettelbeck-Denkmal, eine Bronzegruppe, wurde 1903 vor dem Kolberger Dom enthüllt. Das Monument ist ein Werk vom Bildhauer G. Meyer aus Steglitz. Für die Stadt Kolberg und die Provinz Pommern war dieser 2. Juli ein besonderer Festtag. Kolberg, bekannt als Ostseebad, empfing hohe Gäste wie den Oberpräsidenten der Provinz und den Regierungspräsidenten des Regierungsbezirks Köslin.
Mit Johann Nettelbeck (1738-1824) und Gneisenau (1760-1831) ehrte Kolberg zwei große Persönlichkeiten, die in der Franzosenzeit ihrer Stadt den Ruf einer uneinnehmbaren Festung einbrachten.
Preußen hatte die entscheidende Schlacht gegen Napoleon bei Jena am 14. Oktober 1806 verloren. Die preußische Armee befand sich im desolaten Zustand auf dem Rückzug. Festungen wurden kampflos übergeben, selbst das starke Stettin öffnete seine Tore. So sollte für Kolberg nach Ansicht der Franzosen die einfache Aufforderung zur Übergabe der Stadt genügen.
Der Festungskommandant Lucadou verweigerte jedoch die Kapitulation. Ferdinand von Schill verwickelte die Franzosen in einen Kleinkrieg. Das brachte Zeit, um die Festungsanlagen auszubessern und die Bürger zu bewaffnen. Kolberg erhielt mit Gneisenau einen neuen Kommandanten und militärische Verstärkung.
Joachim Nettelbeck (1738-1824) einer der einflussreichsten Bürger Kolbergs, früherer erfolgreicher Schiffskapitän, Bürgervorsteher, Segelhausältester, Mitglied des königlichen Seegerichts und königlicher Schiffsmesser, vereidigter Schiffstaxator, stellte sich als Bürgeradjutant an die Spitze der Bürgerwehr.
Der Verteidigungskampf unter Führung Gneisenaus und mit Nettelbeck fand unter ungleichen militärischen Voraussetzungen statt. Verglichen mit der Armeestärke der Belagerer war Kolberg als Festung weit unterlegen. 24 000 französische Soldaten schlossen einen festen Ring um die Stadt. Durch Verteidigung und kluge Ausbrüche widersetzte sich Kolberg der Einnahme.
Zar Alexander hatte bereits mit Napoleon einen Friedensvertrag abgeschlossen, doch der Kaiser wollte die letzte unbezwungene Festung Preußens auf jeden Fall einnehmen. In der Nacht zum 1. Juli 1807 erfolgt der große Sturmangriff, begleitet vom schweren Bombenhagel. Am 2. Juli wehten auf den französischen Schanzen die weißen Fahnen. Frieden zog ein und Kolberg blieb dank seiner Helden unbesiegt.
König Friedrich Wilhelm III. verlieh Nettelbeck für die Verteidigung von Kolberg die Verdienstmedaille und ein jährliches Gnadengehalt von 200 Talern.
Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Denkmal zerstört.
Autorin: Hannelore Kuna