Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Bleicher

Bleicher

 

Noch im 19. Jahrhundert gehörte das Wäschebleichen grundsätzlich zum Wäschewaschen dazu, vorausgesetzt es war eine große Wiese vorhanden, denn sollte das Weißzeug wieder leuchtend weiß werden, musste die nasse Wäsche zum Trocknen auf der Wiese ausgebreitet und wieder und wieder begossen werden. In den Städten war das dann nur noch in Randlagen möglich, aber eine gute Hausvorsteherin schwur auf Wäschebleiche durch die Sonne. Allerdings hat dieses Wäschebleichen nur noch ganz entfernt mit dem Arbeitsprozess des Bleichers zu tun, der tatsächlich an der letzten Stelle im Veredlungsprozess von Garnen und Tuchen aller Art stand.

 In manch einer Stadt erinnert ein Bleicherweg, Bleicherwall, Bleicherplatz oder eine Bleicherstraße, wie in Rostock, an das sehr alte Handwerk. Bevor es die schnelle chemische Bleiche (Chlorbleiche erfunden durch Scheele) von Garn und Stoffen gab, war das Handwerk des Bleichers ein gefragter Beruf. Baum- oder Schafswolle ließ sich relativ schnell bleichen mit Leinen war es nicht so einfach. Nur ein Bleicher, konnte gesponnenes Leinengarn oder fein gewebte Leinwand frei von jeglichen natürlichen Farbunterschieden so bearbeiten, dass es am Stück weiß wurde. Schließlich sollte das Linnen silberweiß sein, es sollte nicht ins gelbliche und nicht ins rötliche scheinen. Der durchgehend saubere Farbton war ein wichtiges Qualitätskriterium der „tuchenen“ Waren, denn die Käufer verlangten weiße Blusen, Hemden und Unterwäsche, Betttücher, Handtüchern oder Tischtücher, eben Weißzeug. Kein Kunde wollte Festtagskleidung oder Tischtücher mit Grauschimmer, Farbflecken, Schattierungen usw. hinnehmen.

 Der Bleicher war auch schlichtweg der Weißmacher. Natürlich wurde in Mecklenburg auch traditionelle farbliche Kleidung getragen, das wiederum war die Arbeit des Färbers.

 Die Länder Holland und England verfügten über hervorragende Bleichen und Bleicherfahrungen, in Deutschland führten noch Anfang 19. Jahrhundert Schlesien und Westfalen den Ruf der besten Bleichen, aber Mecklenburg stand auch nicht hinten an. Wenige Rostocker Bürger konnten sich das Bleichen zu Hause leisten, man brauchte schon einen größeren Grundbesitz dafür. Eine Privatbleiche führte beispielsweise die Familie Eggers in der Wockrenter Straße. Die Eggers galten im 19. Jahrhundert über mehrere Generationen als eine angesehene und wirtschaftlich gut situierte Familie der Stadt. Der Kaufmann Christian Friedrich Eggers (1788-1858) trieb Handel mit Eisen, schwedischem Baumaterial, schwedischen Binsenbettstellen und gründete die Rostocker Sparkasse. Das persönliche Anwesen der Eggers bestand aus zwei stattlichen Giebelhäusern mit großem Hof und Garten, Schafställen, Federviehhof und mit einer Bleiche. Bei den Eggers wurde von der Wolle bis zum Garn und Stoff durch Anstellung von Dienstpersonal alles in Handwerksarbeit eigenständig hergestellt.

 Ein Großteil der Bürger, auch die gewerblichen Garnspinner und Weber, ließen dagegen gegen Bezahlung in der städtischen Bleiche ihre gewebten Tuche hellen und weißen. Diese Bleiche war schon als ein größerer Betrieb anzusehen. Im Spätmittelalter waren die Bleicher vereidigte Bedienstete des Rats. Späterhin verpachtete der Rat den Betrieb an einen erfahrenen Bleicher mit unternehmerischen Fähigkeiten auf Zeit, der ihn auf eigene Rechnung führte und für die Arbeiten mehrere fachkundige Handwerksleute, Bleicherknechte und Mägde einstellte. Der Bleichort befand sich im 19. Jahrhundert vor dem Petri Tor, Richtung Landweg nach Stralsund zu, vordem lag hier die Petri-Ziegelei.

 Zum Inventar der Bleiche gehörten feste Gebäude mit Ofen und Schornstein, einige Kessel, Wannen, Schuber und Bottiche aus Kupfer oder Holz, Pottasche- und Brennvorräte. Aber wohl am allerwichtigsten war ein großer freier Wiesenplatz zum Bleichen. Vor dem Petri Tor war dafür genügend Fläche vorhanden. Hier lagen die Wiesenflächen von etwa 30 Morgen vor der Stadtmauer, durchzogen von einem kleinen Bach, der in die Warnow floss, die Himmelsrichtung gen Osten war wegen dem besten Einfall der Morgensonne sehr günstig.

 Damit die Bleicher zügig arbeiten konnten, musste nicht nur ausreichendes, sondern auch wirklich gutes Brennmaterial und Holzasche auf Vorrat besorgt werden. Die Beschaffung war wiederum eine Erfahrungssache. Die preisgünstigste und qualitätsvolle Holzasche zum Beuchen (Laugen) wurde in Frankreich, Danzig, Russland oder in Mecklenburg von den heimischen Äscherern gekauft. Die besten Bleicheigenschaften erbrachte das feste Eichenholz aus russischen Wäldern, das kam über den Seeweg per Schifftransport nach Rostock. 

 In Rostock und seinem Umland wurde zu allen Zeiten aus Flachs- oder Hanffasern Leinengarn- und vom Schaf die Wolle gesponnen. Die Leinenweber bildeten in Rostock schon im 14. Jahrhundert ein zahlreiches Amt.

 Die Garnspinner übergaben ihr Arbeitswerk dem Bleicher, damit es auf diese Weise veredelt wurde und beim Garnhändler oder Weber einen höheren Preis erzielen konnte.

Der Arbeitsprozess war körperlich anstrengend und vor allem zeitaufwendig. Erst wurden die Garne geblichen und danach kamen die gewebten Zeuge (Wollstoffe, Leinwand bzw. Linnen) an die Reihe. Feinstes Linnen war bereits als Garn gesäubert und geweißt worden, sodass die Endbleiche noch eine Qualitätssteigerung bedeutete und einen hohen Preis im Handel erzielte. 

Für die Garnbleiche wickelte der Bleicharbeiter zunächst den Garnstrang auf, legte ihn in einen Bottich, goss Wasser darauf und ließ das Ganze etwa 9 Stunden weichen, danach wurde das Wasser abgelassen und der Vorgang mit frischem Wasser solange wiederholt, bis das Garn von allen Unreinheiten befreit war. Der zweite Arbeitsschritt hieß Beuchen, das Garn kam in den Laugen-Bottich, der im rechten Verhältnis aus Pottasche und Wasser angesetzt wurde. Zuerst in eine kalte und danach wiederholt in eine warme, heiße bis kochende Lauge. Das Herstellen der Beuche erforderte Erfahrung und gutes Augenmaß. Das Arbeitsziel war erreicht, wenn das Leinengarn gelb bis weiß aussah. Danach wurde das Garn seitenweise auf der Wiese über 4 Tage hinweg der Sonne und Luft ausgesetzt, aber zwischendurch immer wieder mit Wasser übergossen.

 Brachte der Weber seine gefertigte Leinwand anstatt Garn zum Bleicher, dauerte das Bleichen sehr viel länger. Das Linnen wurde mehrmals im kalten und heißen Wasser gewaschen, um die „Schlichte“ aus Mehlkleister, der vor dem Weben zur Schlichtung des Kettgarns verwendet wurde, zu entfernen. Danach wurden die Stoffe über 48 Stunden lang in einem Bottich von Aschenlauge, seit 18. Jahrhundert in Buttermilch und saurer Milch „gebeucht“. Das Gefäß wurde bis zum Rand gefüllt, dann legte man mit Steinen beschwerte Bretter darauf und ließ die Milch über mindestens 48 Stunden gären, besser noch über drei Tage und drei Nächte hinweg. Danach wurden die Leinenstoffe herausgenommen, in einem Kessel mit Seifenlauge mehrmals gründlich gespült, zum Schluss wieder in die gegärte Milch getaucht und in diesem Zustand kam die Ware auf die Bleichwiese.

 Die Wiese musste schon gehörig groß sein. In Spitzenzeiten sollte sie Platz bieten für mindestens 200 große Leinentücher von etwa von 4 x 2 m, außerdem Bewegungsfreiheit zum Gießen zwischen den Tüchern bieten. Jede Leinwand wurde auf der Grasfläche ausgebreitet, mit Pflöcken und Seilen ausgespannt und so der Luft und Sonne ausgesetzt. Mindestens dreimal am Tag wurden die Stoffe gewendet und wieder tüchtig gewässert, wobei das benutzte Wasser für den Bleicherfolg auch eine Rolle spielte durch Reinheit oder die jeweilige Wasserhärte. Für tägliches Gießen und Wenden brauchte man viele Hände und kräftige Hände. Die Bleiche konnte je nach Witterung 6 bis 8 Wochen dauern, selbstredend war der Sommer die beste Bleichzeit.

Doch auch die Bleicher waren nicht frei von handwerklichem Aberglauben. In der Johannisnacht, den 25. Juni, da nahmen die mecklenburgischen Bleicher alle Leinwand von der Bleich-Wiese. Der Volksmund überlieferte, dass in dieser Nacht der große Krebs umhergehe und mit seinen Scheren großes Unheil an den Bleichstoffen anrichten würde. 


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