Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Die Brettsäger oder Holzsäger, wie sie sich auch nannten, waren spezialisierte Handwerker in der Holzverarbeitung und arbeiteten den größeren, namhaften Gewerken; Schiffsbauer, Hausbauer usw. zu.
Eine zünftige Ausbildung, die eine feste Lehrzeit regelte oder eine Gesellenwanderung zur weiteren Ausbildung vorsah, gab es in diesem Handwerkszweig nicht. Ähnlich wird es in Rostock gehalten worden sein, doch wurden die Brettsäger nachweislich im Mecklenburg-Schwerinschen Staatskalender aufgeführt. Danach arbeiteten 1800 in Rostock 8, 1834 sieben und 1836 sechs Brettsägemeister.
Brettsäger blieben traditionell und regulär an den Orten tätig, wo die Wasserkraft nicht ausreichend zur Verfügung stand, um mechanische Schneidemühlen zu errichten. Das traf auch auf Rostock zu, wo die Wasserkraft der Warnow und ihrer Nebenarme durch die Wassermühlen für Getreide praktisch aufgebraucht wurde. Um trotzdem den Bedarf an Bauholz zu decken, hielten hier die Holzhändler, Baumeister oder Schiffsbaumeister immer einige Brettsäger in Tagewerk und Lohnarbeit. Das von der Kundschaft bestellte Schnittholz nach Maßen wurde per Säge auf dem Holzhof gefertigt. Wenngleich die handwerkliche Arbeit keine glatten oder maßgerechten Waren wie durch die Schneidemühlen zuließ und insbesondere die Produktion langsamer war, so sparte man andererseits die oft nicht unerheblichen Transportkosten. Lange Fahrwege waren üblich, um das Holzmaterial zu den Schneidemühlen zu bringen und abzuholen. Mit den Brettsägern war das einfacher, die Leute arbeiteten vor Ort wie z. B. auch die Kalkbrenner oder Glockengießer. Das war besonders wichtig für „Großbaustellen“, die es immer wieder in Rostock, als wirtschaftlich wachsende Hansestadt oder in der mecklenburgischen Landeshauptstadt Schwerin, gab. Beispielsweise nahmen am 26. Mai 1856 bei der Einweihungsfeier des Schweriner Schloss-Neubaus über 700 Personen teil: Demmler und die drei Baukondukteure, die Meister und Poliere, die Werkführer der Kunstziegelei, die Bildhauer und Steinmetze, 124 Maurergesellen und ihre Handlanger, 50 Zimmerleute und ihre Handlanger, 5 Töpfergesellen, 20 Seefahrer, 9 Fuhrleute, 34 Holzsäger und 420 Tagelöhner.
Die Arbeit der Brettsäger war eine schwere körperliche Anstrengung. Vor dem Sägen wurden die Holzstämme am Boden mit dem Beil beschlagen und abgeschwartet. Darauf wurde der schwere Stamm auf ein verstellbares Holzgestell mit mehren Leuten gehoben (in späteren Zeiten modernisiert mit Winden hochgezogen). Dabei stand ein Holzsäger oben auf dem Baum und ein zweiter oder dritter Mann unter dem Stamm und gemeinschaftlich zersägten sie mit einer langen breiten Säge den Baum zu Schnittwaren: zu Bohlen, Riegeln und Brettern. Die Unter-Männer schützten ihr Gesicht und vor allem die Augen mit einem Gazetuch vor den herabfallenden Sägespänen. Ab und zu musste die quietschende Säge mit einer Speckschwarte geschmiert werden.
Das war eine körperlich schwere Arbeit, die Tag für Tag nur kräftige Kerle aus- und durchhalten konnten. Sie führten den Tag über die großen Sägen und zerteilten selbst die mächtigsten Stämme von Eiche und Buche. Die Männer arbeiteten immer zu zweit oder zu dritt an einem Baum, im gleichen Arbeitsrythmus und abgestimmt aufeinander. Zug um Zug musste die Säge im Gleichmaß geführt werden. Sämtlich waren die Holzsäger deshalb vor Kraft strotzende Mannsbilder, denen ein gewisser Ruf vorauseilte. Wie beim Militär wurden für diese körperlichen Arbeiten bevorzugt Riesen gesucht. Doch die Arbeit hatte ihren Preis, nach jahrelanger Anstrengung stellten sich gesundheitliche Schädigungen an Rücken und Armen ein oder die Gelenke waren zerschunden, sodass sie wohl noch fürs Militär taugten.
Das „Polytechnische Journal“ meldete 1836 die außerordentlichen Leistungen zweier englischer Holzsäger. Sie vollbrachten auf dem Zimmermannsplatz in London innerhalb 6 Tagen folgende bemerkenswerte Leistung: Beide schnitten 3000 Quadratfuß Bretter (etwa 270 Quadratmeter) aus Tannenholz von ca. 2 Fuß Breite (0,60 cm) und verdienten sich 6 Pfund Sterling. Sie machten mit der Säge, welche 30 Pfund wog, insgesamt 248.544 senkrechte Bewegungen, und mussten folglich zusammen in den sechs Tagen das stattliche Gewicht von 7.456.320 Pfund heben.
Die Brettsäger wurden wie andere Bauhandwerker entweder in Tagelohn oder nach konkreter Leistung bezahlt. Bei Stücklohn erhielten sie pro Schnittlänge nach der langen Ellen gemessen einen festgelegten Arbeitspreis: 5, 8 oder 10 Pfennige. Jeder Baumstamm wurde vorher nach Schnitt-Auftrag (Bohlen, Bretter in bestellten Maßen) vermessen und die Gesamt-Schnittlänge aus der Anzahl der Bretter bereits vor der Arbeit rechnerisch bestimmt. Die Brettsäger erwiesen sich mitunter als pfiffige Leute, die aus der Arbeit gerne ihren eigenen Nutzen zogen und den Bauherrn schon mal betrogen. Da verschwanden gelegentlich schon mal Bohlen oder Bretter, wenn der Bauherr nicht anwesend war, um sie eigennützig zu verkaufen. Wehe demjenigen, der vom Arbeitsherrn erwischt wurde, dann gab es spürbare Bestrafungen.
War die Brettsägearbeit ursprünglich eine körperlich schwere Mannsarbeit, nahm sie doch mit der Technisierung eine rasante Entwicklung. Das änderte sich mit dem Einsatz von mechanischen Sägemühlen, die sämtlich durch Wasser- oder durch Windkraft in Bewegung gesetzt wurden, sie ermöglichten eine schnellere und präzisere Holzverarbeitung. Der Brettsäger wurde nur noch Gelegenheitsarbeiter oder er fand in einer Fabrik eine Anstellung. Die meisten Sägemühlen bzw. Schneidemühlen in unserer Region arbeiteten um 1830 im Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz, die auch geschnittene Holzwaren, sogenannte Schnittwaren in das benachbarte Preußen lieferten. Das wiederum war sehr günstig für die wirtschaftliche Fluss-Schifffahrt, Holzflößerei wurde hauptsächlich auf der Müritz und dem Plauer See über die Elde betrieben.
Mit dem 19. Jahrhundert setzte die Dampfmaschine neue Maßstäbe in der Holzverarbeitung, es entstanden moderne Dampfschneidemühlen. Die wiederum wurde ab 20. Jahrhundert und mit dem elektrischen Strom durch elektrische Sägewerke und Gatter ersetzt.
Die tüchtigen Arbeitsmänner hatten von alters her bei ihrem Tagwerk einen heiligen Schutzpatron an ihrer Seite. Nein, die Brettsäger hatten gleich zwei, denen sie sich verpflichtet fühlten und der ihrem Tagewerk Kraft und Sicherheit schenkte. Der Heilige Nikolaus, in Mecklenburg der Ruhklas, beschützte nicht nur die Seeleute vor Unglück und Gefahren, sondern auch die Holzsäger, Bergleute, Drechsler, Färber, Holzsäger, Kalkbrenner, Schneider oder Schreiber. Und ebenso wachte Balthasar, einer der drei Heiligen Könige, als Patron über die Holzsäger.
Autorin: Hannelore Kuna