Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Brunnenbauer

Brunnenbauer


Der Brunnenbau war und blieb bis in die heutige Zeit ein anerkannter Beruf, in dem noch immer ausgebildet wird. Selbstverständlich hat sich einiges geändert, war der Beruf früher eher eine Mischung aus Maurer, Zimmermann, Klempner und Geologen (besser gesagt Bodenkenner, um nicht Wünschelrutengänger zu meinen). Der Handwerker erschloss die am Ort vorhandenen Trinkwasserquellen für die Leute und legte Brunnen und Leitungen an, wobei hauptsächlich das Bodenwasser genutzt wurde.

 Die Versorgung mit sauberem Trink- und Brauchwasser war für Mensch und Tiere immer lebensnotwendig und schlechtes Trinkwasser verursachte häufig den Ausbruch von epidemischen Krankheiten wie Cholera und Ruhr, wovon auch die Seestadt Rostock im Verlauf der Jahrhunderte nicht verschont blieb.

 Neben dem wachsenden Trinkwasserbedarf durch die steigende Bevölkerungszahl in den letzten Jahrhunderten nahm ebenso der Brauchwasserbedarf ständig zu. Eine Ursache lag z. B. in der zunehmenden Technisierung der Wirtschaft. Zugleich stiegen die Hygieneanforderungen im Lebensmittelbereich. Gleiches galt für das Reinlichkeitsempfinden des modernen Menschen, so entstanden private Wascheinrichtung und Bäder in den Haushalten.

 Ein nicht unwesentlicher Teil an Wasser wurde für die Brandbekämpfung gebraucht und eingesetzt, denn ohne Wasser gab es keine Rettung vor den Flammen. Vor 400 Jahren, am 8. Januar 1608 zum Beispiel, brannte das Lagertor ab; die Bürger mussten tatenlos der Verwüstung zusehen, weil die Warnow als einzige Wasserquelle zugefroren war und kein Brunnen in der Nähe genügend Wasser führte.

 Noch vor etwa 150 Jahren gelangte das Trinkwasser nicht so bequem mit Druck, wie wir es seit Langem aus der Leitung gewohnt sind, in die Haushalte. Dabei waren schon diejenigen Bewohner im Vorteil, welche auf eigene Kosten eine Pumpe auf dem Hof oder im Hauskeller ihr Eigen nennen konnten.

 Die meisten Leute mussten mit Eimern zu den öffentlichen Brunnen gehen, die es an zentralen Stellen und Plätzen gab. Bereits im Bildwerk von Vicke Schorler von 1578-86 sind solche Wasserentnahmestellen Am Schilde und an der Kreuzung Große Mönchenstraße-Trägerstraße eingezeichnet. Das Wasser wurde eigenhändig gepumpt und dann schwer heimtragen. Meist war es die Aufgabe der Hausfrauen und in reichen Familien die der Mägde. Folglich ging man mit Wasser sehr sparsam um.

 Nicht alle Brunnen in Rostock führten selbst frisches Quellwasser aus der Erde, einige Anlagen wurden auch mit ausgeklügelten Techniken durch Oberflächenwasser gefüllt, was schon einer zentralen Wasserleitung sehr nah kam. Diese Brunnen nannte man im 19. Jahrhundert Kümmen. Sie bildeten im Grunde ein hölzernes Wasserreservoir und wurden aus im Süden der Stadt liegenden Teichen, den Pfeifenteichen über zwei Gräben (Reifergraben, Kummgraben) und innerhalb der Stadt durch Piepen (Holzleitungen) gespeist.

 Doch waren die Menschen immer wieder der Natur ausgeliefert. Langanhaltende Trockenheit im Sommer ließ auch das Wasser in den Teichen verdunsten und es herrschte akuter Trinkwassermangel. Um 1860 verstand man es schon die Dampfmaschine einzusetzen, um als Ersatz Oberwarnow-Wasser in die Brunnen zu pumpen.

 Tatsächlich hatte man in Rostock mit einer (zentralen) Wasserleitung schöne längere Zeit gute Erfahrungen gemacht. Als Vorreiter moderner Anlagen galt die Wasserversorgung in den Brauereien des 16. Jahrhunderts, welche die etwa 240 Brauherren mit ihrem finanziellen Kapital errichten ließen. Sie hatten sich zu 3 Borngesellschaften zusammengeschlossen, die älteste Borngesellschaft entstand in der Mittelstadt. Sie unterhielt auf dem Hopfenmarkt (heute Universitätsplatz) einen Nebenverteilerbrunnen zur Versorgung der Interessenten der Neustadt. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts gehörten zur Borngesellschaft der Neustadt 23 Brauer. Weiches Oberflächenwasser aus den Seen und Teichen der Umgebung wurde zentral der Wasserburg zugeführt, in einem hohen Turm gespeichert und von dort über hölzerne Piepenleitungen weiteren Verteilerbrunnen oder direkt den Brauhäusern zugeführt. Dieser Umstand war für den Rostocker Gerstensaft sehr nützlich.

 Die Brunnenbauer hatten in der Seestadt immer viel zutun. Alte Straßennamen wie Pümperstraße und Pütterweg weisen auf die Bedeutung dieses Handwerks hin. Statistisch gesehen kamen im Jahr 1861 im Königreich Preußen auf 18.700 Einwohner 1 Brunnenbauer, 1907 gab es im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin 61 „Brunnenmacher“ mit 121 Beschäftigten.

 Der historische Brunnenbau in Rostock entwickelte seine eigene Spezifik. Im Mittelalter wurden die Brunnen in drei Varianten gefertigt: als Fass ausgesteift erbaut, viereckig aus Holz gezimmert oder rund in Back- oder Feldstein gemauert. Bis in das 18. Jahrhundert funktionierten die Brunnen durchgehend als offene Ziehbrunnen, bis sie mittels Steigrohren zu Pumpbrunnen umfunktioniert wurden.

 Insbesondere der hölzerne Brunnen erforderte eine sorgfältige und stabile Bauweise. Der ausgegrabene Schacht wurde mit vier miteinander versteiften Eckpfosten ausgeteuft, an denen dann flächendeckend die Wandbohlen befestigt wurden. Auf diese Weise grub und zimmerte man sich kastenförmig, nach und nach sowie Meter für Meter, von oben nach unten in den Boden. Archäologen bezeichnen diese gezimmerte Schachtaussteifung als „Rostocker Schacht“. Der früheste Rostocker Holzbrunnen stammt nach den verwendeten Hölzern etwa aus dem Jahr 1231, der jüngste wird entsprechend archäologischer Grabungen nach 1475 datiert. Als Material wurde hauptsächlich Eichenholz verwendet, später auch Eschen- und Kiefernholz, als Eiche aus der Rostocker Heide wohl schon knapp wurde. Die Mehrzahl der alten gezimmerten r Brunnen wurde schon im 13. Jahrhundert angelegt.

 Die Feldsteinbauweise für Brunnen setzte vermutlich erst Ausgang des Spätmittelalters ein. Doppelwandige Feldsteinbrunnen versprachen eine wesentlich längere Nutzungszeit, tatsächlich waren in Rostock Steinbrunnen noch bis zur Einführung der modernen, industriellen Wasserversorgung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gebrauch. Die Errichtung war aber sehr teuer, der Bau aufwendig und kompliziert, da der Erdschacht bis zur Wasserquelle zuerst komplett ausgehoben und die Grube zwischenzeitlich provisorisch abgesteift werden musste, bevor aufgemauert werden konnte. Je Tiefenmeter verbaute man 150 bis 200 unbehauene Feldsteine.

 In der Neuzeit kamen dann auch Klinkersteine zum Einsatz, um einen Brunnenkessel herzustellen, das waren die modernen Brunnensteine, die eigens für diesen Zweck zur Rundform gebrannt und zusammengesetzt wurden, damit die Fugen nicht nach außen klafften.

 Trotz eines florierenden Brunnenbaus konnten selbst im 19. Jahrhundert nicht alle Menschen ständig mit frischem und gesundheitlich einwandfreiem Trinkwasser versorgt werden. Noch 1859 holten Einwohner von Warnemünde (1585 Einwohner) oder die Leute vom Fischer- und Gerberbruch in Rostock mit Eimern und Holzkübeln Wasser zum Kochen und Säubern aus der Warnow. Eine keinesfalls hygienisch einwandfreie Sache, nachdem die Leute zuvor die Küchenabwässer, alle möglichen Ausleerungen und Abfälle in den Warnow-Fluss schütteten. Es gab beispielsweise in der niedrig gelegenen Strandstraße am Warnowufer (Am Strande) sehr schlechtes Brunnenwasser durch die bergab zurückfließenden Abwässer aus der Mittel- und Neustadt, da noch keine zentrale Kanalisation vorhanden war. Trinkwasser konnte in früheren Zeiten eine Mangelware sein und die Hausfrau ließ sich allerlei einfallen, um reines Trinkwasser auf den Tisch zu bringen.

 Die industrielle Wassererzeugung Ende 19. Jahrhundert und in einigen mecklenburgischen Landstädten erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts, ließ ausreichend und gesundheitlich unbedenkliches Wasser allen Haushalten zukommen.

 Heute erhält Rostock als einer der wenigen deutschen Städte Trink- und Brauchwasser durch Entnahme von Oberflächenwasser aus einem Fluss, das, bevor es aus der Warnow aus den Hähnen fließt, durch „Eurowasser“ gereinigt, vergütet und in beste Qualität gebracht wurde. 1995 wurde die Wasseraufbereitung mit einer Ozonanlage, einer neuen Chemikalienstation und einer Anlage für die Schlammbehandlung ausgestattet, mit der Technik konnte der Chlorgehalt zur Desinfektion um 80 Prozent gesenkt werden konnte. 



Autorin: Hannelore Kuna

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