Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Der südliche Ostseeraum erwies sich mit den großen Handelsstädten Lübeck, Kiel, Rostock, Stralsund, Greifswald und Stettin, die frühzeitig wirtschaftlichen Beziehungen betrieben auch als umfangreicher Handschriftenraum, an dem sich u. a. die Rostocker Dominikaner- und Franziskanermönche beteiligten. Mit der Reformation verschwanden diese christlichen Träger der mittelalterlichen Schriftenkultur, eine Ausnahme bildeten die „Brüder vom gemeinsamen Leben“ zu Rostock. Mit dem Letterndruck durch Guttenberg konnte die Buchware massenhaft entstehen und verbreitet werden, wodurch allmählich ein Handel mit dem gedruckten Wort entstand. Die norddeutsche Literatur war anfänglich niederdeutsch verfasst, wie die Ausgabe des „Reinecke Fuchs“ der Rostocker Druckerei von Rudolf Dietz aus dem Jahr 1539 nachweist.
Der Buchhandel entwickelte sich als ein besonderer Handelszweig, bei dem der Verleger den Preis der Ware bestimmte. Bevor das Buch aber eine Ware geworden war, tauschte man Bücher gegeneinander ein.
Der frühe Rostocker Buchhandel war eng mit der Universitätsdruckerei verbunden, die Bücher für die deutsche Gelehrtenwelt und den Lehrbetrieb druckte und diese Werke in den Handel brachte. Im 19. Jahrhundert trennte sich an der Universität Rostock Verlagsdruck und Buchhandel.
So gründete sich 1836 die Rostocker Universitätsbuchhandlung von Oeberg & Komp. auf kurze Zeit und 1840 kam es zur Gründung von G. B. Leopolds Universitätsbuchhandlung, 1864 war Johann Ernst Nicolaus Kuhn ihr Inhaber. 1940 konnte dieser Bücherladen in der Blutsstraße 19 unter Inhaber Paul Babendeerde sein 100jähriges Bestehen feiern.
Die vermutlich erste private Buchhandlung außerhalb der Universität existierte um 1615 unter dem Namen Hallervordsche Buchhandlung. Das größte Geschäft konnte Hallervord aber mit der Universitätsbibliothek erzielen. 1616 erhielt er von der Universität den Auftrag Bücher im Wert von 2335 Gulden einzukaufen. Die große Geldsumme für die Bücher kam aus einem Legat (Vermächtnis) von Paulo Cellanii (Calensche Legat). 1623 bot die Buchhandlung das „Sertum Musicale Primum oder Erste musikalisches Kränzlein“ von Daniel Friderician an, das Notenwerk war zum dritten Mal gedruckt worden von Hans Witten in Greifswald.
1740 wurde die ritter- und landschaftliche Bibliothek zu Rostock gegründet, deren Bücherbestand bis 1789 auf 8000 Bänden anwuchs und die damit ein wichtiger Kunde für den Buchhandel wurde. Immer willkommen beim Buchhändler waren private Sammler wie Professor Pries nach 1800 in Rostock, der es auf über 10000 Bücher in seiner Privatbibliothek brachte, sowie die kleinen Leihbibliotheken und entstehenden Lesegesellschaften in vielen Städten Mecklenburgs.
Für den Zeitraum von 1700 bis 1750 versorgte meist eine Buchhandlung die Bürger mit Literatur. Um wirtschaftlich existieren zu können musste der Buchhändler selbst einige besondere Werke herausgeben und wurde somit zugleich als Verlag bekannt. Denn die wirtschaftliche Situation war nicht einfach, Schriften für das gemeine Volk, Kalender, Volksbücher, Schulbücher wie Fibeln und Rechenbücher, religiöse Schriften, Gelegenheitsschriften wurden in den zentralen Messe-Katalogen zu Frankfurt a. M. und Leipzig nicht erfasst. Sie wurden außerhalb der großen Verteilungswege begrenzt regional verkauft und der Umsatz war entsprechend gering.
Die allgemeinen Lesebedürfnisse der Leute waren recht bescheiden und orientierten sich meist an der Schulbildung. Während der regulären Schulzeit hatten die Jungen über vier bis sechs Klassen das Lesen, Schreiben, Rechnen und den Katechismus gelernt, es langte gerade für eine solide Handwerkslehre. Außerdem waren die Bücher wegen der allgemein geringen Auflagenhöhe noch sehr teuer, was jedoch ihren Wert steigerte.
Nach 1700 führte Johann Heinrich Rußworm (gestorben 1730) verschiedene Buchhandlungen in Rostock, Schwerin und Güstrow, auch eine ansehnliche Stockholmer Filiale von ihm ist nachweisbar. Georg Ludwig Fritsch besaß seit 1714 eine Buchhandlung in Rostock. Martin Christoph Schwechten war zunächst als Buchdrucker in Rostock bekannt und wurde dann in Zusammenarbeit mit Fritsch ein bekannter Buchhändler. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts arbeitete der Buchhändler und Verleger Anton Ferdinand Röse mit einer eigenen Druckerei in der Seestadt.
Die Anzahl der Buchhandlungen im gesamten Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin im Jahr 1826 betrug 3 Läden, davon 2 in Rostock und ein Buchladen in Schwerin. Mecklenburg-Strelitz zählte je eine Buchhandlung in Neubrandenburg und Neustrelitz. Die literarischen Erzeugnisse Mecklenburgs in Zahlen ausgedrückt waren: 1803 mit 70 Druckschriften, 1816 mit 61 Druckschriften, 1826 mit 66 und 1836 mit 112 Druckwerken.
Von 1750 bis 1850 arbeiteten und konkurrierten in Rostock fast immer durchweg 2 Buchhändler zugleich. Die Informations-, Kommunikations- und Lesebedürfnisse der Städter waren gestiegen und vielseitiger geworden, was von entsprechenden Stellen eingefordert wurde. Damit lag Rostock zu Anfang des 19. Jahrhunderts im zeitgemäßen Trend mit anderen vergleichbaren Städten. Eine ähnliche Anzahl von Buchläden verzeichneten Lübeck, Stralsund oder Kiel.
Bekannte Namen waren von 1753-1800 die Buchhandlung von Dr. Johann Christian Koppe, später die Koppesche Buchhandlung genannt, und ab 1800 die Karl Christoph Stillersche Hofbuchhandlung. Andere Buchhändler kamen für einige Jahre und konnten sich nicht jedoch nicht halten, das waren beispielsweise: 1756 Berger & Boedner, 1788 Christian Müller und 1824-1838 F. L. Schmidtchen.
Um 1900 existierten 13 Buchhandlungen in Rostock, davon spezialisierten sich 2 zu Universitätsbuchhandlungen und ein Laden als Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung. Um die Jahrhundertwende konnte die Stillersche Hofbuchhandlung ihr 100-jähriges Jubiläum feiern. Zu den 13 Buchhandlungen kamen 6 Kolportage-Buchläden hinzu.
Diese Kolportagebuchläden boten „leichte“ Lesestoffe in Form von Heften, Fortsetzungsromanen usw. an zu billigen Preisen und häufig die gerade wieder in Mode gekommene, jedoch von der Schule und Kirche stark kritisierte Trivialliteratur.
Früher wurde diese Literatur meist von Hausierer, die über Land zogen, vertrieben in Form von losen Blättern, kleineren Zeitungen oder Büchlein. Ende des 19. Jahrhunderts koppelte sich der Kolportage-Buchhandel als eigenständiger Branchenzweig vom Buchgroßhandel ab und bildete ab 1880 einen eigenen Verein. Die Kolportage-Literatur behauptete sich in Rostock um 1900 für die Leute mit Lesebedürfnissen und mit dem kleinen Geldbeutel, zu denen auch die Arbeiterschaft zählte.
Autorin: Hannelore Kuna