Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Böttcher
Die Berufsbezeichnung Böttcher war sprachlich eine niederdeutsche Variante ehe sie Ende des 19. Jahrhunderts durch offizielle Nennung in der deutschen Reichsstatistik verbindlich wurde.
Das Böttcherhandwerk hatte im Mittelalter eine große Bedeutung für den Handel innerhalb und außerhalb der Stadtgrenzen. Kein Warenverkehr war in dieser Zeit ohne feste Behältnisse möglich und die Tonnen und Fässer waren bis über die Neuzeit hinaus, die geläufigen und universell einsetzbaren „Container“.
Der Aufschwung dieses Handwerks war daher eng verbunden mit den regionalen wirtschaftlichen Bedingungen. In den norddeutschen Hansestädten förderten insbesondere die Bierherstellung, der Heringsfang und der Salzhandel den großen Bedarf an Fässern und Tonnen und somit das heimische Böttchergewerbe. Fisch, insbesondere Hering, Bier, Wein, Met, Salz, aber auch Honig, Mehl, Zucker, Talg, Seife, Senf, Wachs, Asche, Teer, Getreide und Fleisch wurden in Fässer und Tonnen verpackt, eingelagert und haltbar gemacht. Vorzugsweise in Tonnen geschlagene Waren wie Stockfisch, Tran, Lachs, Ochsenfleisch aus Bergen (seelsporen), Roggen, Weizen und Gerste wurden 1585 als Tonnenwaren bezeichnet. Weitere Dinge wurden in Fässern transportiert, was heute kaum mehr vorstellbar ist, wie Pelzwerk, Garn, Kleider und sogar Bücher oder Reis, Flachs, Nüsse; im Prinzip alle Produkte, die entweder flüssig waren bzw. in Salzlake oder Essig eingelegt wurden oder vor Feuchtigkeit geschützt werden oder generell auf einen geordneten Transport sollten.
Wo mehrere Böttcher an einem Standort arbeiteten, wurden bald Straßen nach ihnen benannt, in Wismar nach 1260, in Rostock 1267 und in Stralsund 1308. Aus den Stadtbüchern lassen sich 1254 bis 1286 für Rostock 34 Böttcher nachweisen. Zur Stadtverteidigung um 1400 stellte das Böttcheramt 20 Bewaffnete und die älteste, erhaltene Rostocker Amtsrolle stammt von 1457.
Die hanseatische Wirtschaftspolitik versuchte die einheimische Böttcherei stets gegen ausländische Konkurrenz zu schützen. 1342 wurde gegen die dänische Konkurrenz beschlossen, dass in Skanör, dem Hauptplatz für den Fischfang auf Schonen, nur Böttcherwaren aus hansischen Städten verwendet werden und dass ausschließlich hansische Bürger auf der Insel Schonen das Gewerbe betreiben durften.
Als die Hansezeit vorbei war handelten die Städte nicht mehr nach gemeinsamen Regeln, nun schützte jede Stadt ihre Handwerker zuförderst; die Rostocker Polizeiordnung von 1576 erklärte ausdrücklich, es nicht „vor unbillich zu erachten, dass unsere Bürger und Einwohner den einwonenden Böttichern vor auslendischen das Gelt gönnen“ und verbot daher, „bei den Auslendischen“ Tonnen oder Fässer zu bestellen, machen und in die Stadt zu bringen zu lassen. Die Bezeichnung „Auslendische“ verstand man sehr weit gefasst als alle diejenigen, die nicht in Rostock ansässig waren, das wirtschaftliche Interesse verlangte schlichtweg, sich Fremde vom Halse zu schaffen. Auch für dieses Handwerk ging es ganz elementar um „Nahrungssicherung“, eine Formulierung, die in den Amtsrollen häufig zu lesen ist und sich auf die Existenzsicherung der Handwerker bezieht. Mitunter wurden Händler und Schiffer mit empfindlichen Bußgeldern bestraft, wenn sie Fässer aus Lübeck oder Wismar nach Rostock brachten.
Andererseits gab es durch den Aufschwung der Rostocker Bierbrauerei wieder Jahre, in denen Rostocker Böttcher die große Zahl der benötigten Bierfässer kaum mehr selbst herstellen konnten. Zuweilen verschwammen also die Grenzen und dann mussten Zusatzverordnungen geschaffen werden.
Das Böttchergewerbe war vielseitig und entwickelte in den Tätigkeiten einige Spezialisierungen, die aber nie außerhalb der Böttcherei zu eigenständigen Berufen mit Meistertiteln führten. Es gab die Kimmer, Bandschneider (bentsider), Bandhauer (tosleger) und Altböttcher.
Kimmwerk war in der Ausführung eine einfachere und preiswerte Fassarbeit, was insbesondere die Befestigung der Dauben am Boden betraf, während echte Fassarbeit nach vorheriger Ausmessung und Zeichnung recht kunstvoll erfolgte. Und einige Fässer hatten es in sich, sodass beispielsweise die größten Weinfässer vor Ort im Rostocker Ratskeller angefertigt werden mussten, weil die riesigen Fässer durch keine Türöffnung hindurchpassten.
Überhaupt wurde von den Böttchern genaueste Arbeit verlangt, umso mehr, als der finanzielle Schaden, der durch Auslaufen von gefüllten Fässern entstehen konnte, den Meister empfindlich traf. Fest gefügte, starke und untadelhafte Bierfässer aus bestem Holz mit mindestens 12 Bändern verlangte die Rostocker Brauereiordnung von 1657. Wenn ein altes Fass dennoch leckte durften die Altflicker oder Altbinder in Rostock kleinere Fässer Umarbeiten, sie Flicken oder Reparieren.
Vorschriften über das zu verwendende Holz gab es hier im Norden auch zu genüge. Die Lübecker verlangten für ihr eigenes kostbares Salinensalz Tonnen aus Buchenholz, für Meersalz (das aus Spanien oder Frankreich kam) ausschließlich Eichenholz. Für Bier, Wein und Hering wurde in Rostock und in anderen Städten ebenso Eichenholz gefordert, da Nadelhölzer den Geschmack von Bier und Wein veränderten. Die Rostocker Amtsrolle von 1457 verbot Wrackholz (von untergegangenen oder gestrandeten Schiffen) und alte Hölzer zusammen mit neuen oder holzwurmstichigen Hölzern zu verwenden. Für edle Getränke forderten sie, dass das Holz vor der Verarbeitung ein Vierteljahr im Rauch war. Aus der Rostocker Heide konnte nur ein geringer Teil des Holzbedarfs der Böttcher gedeckt werden, denn wie die Rostocker Schifffahrtslisten zeigen, traf Böttcherholz in allen handelsüblichen Arten in großen Mengen aus Stettin, Danzig und Königsberg ein, es wurde also viel Holz aus Pommern und Ostpreußen bezogen.
Als Bänder wurden in Rostock hauptsächlich eiserne, geschmiedete Reifen verwendet, während in Danzig Bänder aus Esche und in Duderstadt sowie in Köln Bänder aus Weiden und Haselnussstrauch zugelassen und üblich waren.
Damit die Bürgerschaft mit den Waren stets zufrieden sein konnte, waren die Aufsicht und die Prüfung der Waren einem Altermann des Gewerks übertragen. Um 1560 kontrollierte der beauftragte Meister alle vierzehn Tage die Werkstätten, nach 1610 wöchentlich. Damit jedes Fass auch späterhin der richtigen Werkstatt zugeordnet werden konnte, waren die Meister verpflichtet, die Tonne mit einem Setznagel zu zeichnen. Etwa von 1811 bis 1833 wurden Rostocker Tonnen mit dem Greifen gebrannt.
Zur guten Handwerksarbeit gehörte die Gewährung des richtigen Maßes. Nicht zu allen Zeiten und überall wurden Tonnen mit gleich großer Inhaltsaufnahme gefertigt, woraus im Verkauf und Kauf von Bier, Fisch, Wein und anderen Produkten große Probleme entstehen konnten. 1358 sollte die Wismar’sche Tonne Muster werden, 1358 die Rostocker Tonne als Einheit für Bier und Hering gelten, aber erst 1383 einigten sich die hanseatischen Städte wenigstens für Heringstonnen auf das Rostocker Maß. Auch Dänemark nahm das Rostocker Maß an.
Mit den pommerschen Städten blieb es problematisch, sie konnten sich vom traditionellen Maß, dem etwas kleineren Kolberg’schen Maß nicht trennen. Darüber gab 1505 gab eine Beschwerde Auskunft, nämlich dass eben erst 13 Stettiner Tonnen = 12 Rostocker Tonnen Hering sind. Beim Biermaß wurde es generell noch komplizierter, die Biertonnen von Wismar und anderen Städten blieben häufig größer als die von Rostock.
Zur Gewährung des Rostocker Maßes mussten sich die Böttcher in allen Orten, wie die Handwerker auf Schonen oder in Lübeck, Rostock und Kolberg, ein Richtmaß anfertigen und benutzen, das im mittelniederdeutschen Sprachgebrauch Ahme hieß, wonach nunmehr die Tonnen gefertigt wurden. Die Ahme war jeweils in Metall gegossen und in den Städten im Rathaus aufbewahrt worden. In Wismar gab es dafür, und für andere Maßbehälter Anfang des 15. Jahrhunderts sogar das „Ahmenhuse“. So erfolgte die Eichung nach der allgemein geltenden Ahme und wurde in der Regel von den Böttcherämtern in eigener Obhut durchgeführt, wofür die Altermänner die Verantwortung trugen.
Das Prinzip der Fasseichung bestand darin, dass jede neue Heringstonne mit einer Ur-Tonne (Ahme) verglichen werden konnte, und zwar nicht nach gepackten Heringen, sondern mit reinem Wasser. Die Menge Prüfwasser von der ersten zur zweiten Tonne musste übereinstimmen. Die erfolgte Nachmessung wurde durch Stempelung oder Einbrennen mit der Stadtmarke im Fass bestätigt. Meist wurden bekannte Zeichen oder Merkmale genommen, wie für Rostock das „r“ oder den Greifen aus dem Stadtwappen.
1782 arbeiteten im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin 169 Böttcher, am zahlreichsten war der Berufsstand in Rostock vertreten, in der Seestadt wirkten 44 Böttcher, dazu 8 Kleinbinder, letztere sämtlich nicht zünftig. Kleinbinder, welche kleinere Gefäße anfertigten, gab es damals in Mecklenburg nur in Rostock. Um 1850 arbeiten noch 37 Böttcher in Rostock, 1872 waren es 38 Meister. 1858 erwarb ein Böttchermeister das Bürgerrecht.
Nach Einführung der Gewerbefreiheit 1869 gründete sich das Amt der Böttchermeister per 31. März 1890 zu Rostock neu. Die Satzung der Böttcher-Beliebung (Sterbekasse) aus alten Tagen wurde erneuert und vom Rat am 19. Juli 1878 bestätigt. Um 1900 zählte die Beliebung um die 700 Mitglieder.
Doch mit Beginn des 20. Jahrhunderts ging die Anzahl der Betriebe weiter zurück. Nur wer sich maschinell ausstatten konnte, hatte als Böttcher Chancen im Zeitalter der technisierten Industrie wirtschaftlich zu überleben. Zugleich verringerte sich der Bedarf an hölzernen Vorratsbehältern insgesamt durch neuartige Erfindungen, industriell gefertigte Zink- und Emaillewaren kamen in den Handel, öffentliche zentrale Wasserleitungen oder Wasch- und Badeanstalten ließen den Absatz von Eimern, Zubern oder Wannen rapide sinken.
Autorin: Hannelore Kuna