Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Büchsenmacher, Büchsenschäfter
Die Büchsenmacher oder Büchsenschäfter gehörten zu den jüngeren Gewerken von Rostock. Erst mit der Erfindung des Schießpulvers wurden Handfeuerwaffen und Kanonen hergestellt. Und das geschah allgemein Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhundert, womit ebenso ein Umbruch in der Wehrhaftigkeit der Städte einsetzte.
Bislang schützten die dicken und hohen Mauern der Städte vor fremden Übergriffen, jetzt bekamen die Stadtbürger moderne Waffen zum Schutz ihres Gemeinwesens hinzu. Der Umgang mit den Feuerwaffen jedoch wollte geübt sein. Die ersten Handfeuerwaffen waren lediglich kleine Kanonen, deren Rohre aus Bronze oder Eisen in nicht runden Formen gegossen wurden.
Die frühe Bezeichnung für Handfeuerwaffen in Deutschland hieß Lotbüchsen. Im 14. u. 15. Jahrhundert entstanden die Büchsenmacher unter den Kleinschmieden, ausgehend von Süden Deutschlands, in Augsburg, Dresden, Nürnberg und Suhl. Nicht selten hieß der Büchsenmacher deshalb auch Büchsenschmied und das Amt wurde als „Huf- und Waffenschmiede“ bezeichnet. In anderen Städten gab es wiederum eine „kombinierte“ Uhr-Kleinschmiede- und Büchsenmacherzunft.
Als selbstständige Profession trat die Büchsenmacherei erst Ende des 16. Jahrhunderts hervor, als die Herstellung von Feuerwaffen für das Militär eine bedeutende Stellung einnahm, daneben wurden diese Waffen sehr beliebt bei fürstlichen und adligen Herrschaften im traditionellen Jagdwesen. Ebenso verhielt es sich mit den Büchsenschäftern, die das Holzteil zum Gewehr fertigten.
Mit steigendem Luxus an fürstlichen Höfen und in den Städten wurde die Nachfrage nach kostbaren Feuerwaffen immer größer und andere Gewerke wie die Goldschmiede, Holzschnitzer oder Gelbgießer beteiligten sich an der Waffenherstellung. Prächtige und technisch ausgeklügelte Jagdwaffen kamen bei den Jagden des herzoglichen Hofes zum Einsatz und dienten zugleich höfischer Repräsentation. Die handwerklich-technologische Erfindungsgabe der Büchsenmacher war in dieser Zeit hochgeschätzt, obgleich die frühen Nachrichten darüber verstreut sind. Zu den Kunstwerken, die das Staatliche Museum in Schwerin heute repräsentiert, zählen neben der italienischen Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts, Münzen und Medaillen auch reich verzierte Radschlosswaffen und Armbrüste.
Eine Chronik der Stadt Lübeck aus dem Jahre 1371 berichtet von der Einstellung eines Büchsenmeisters, dessen Aufgabe es war, Pulver herzustellen. Eine Urkunde von 1427 erwähnt einen Büchsenmeister im Dienst des brandenburgischen Kurfürsten.
Die Rostocker Bürger benutzten noch im 14. Jahrhundert hindurch die Armbrust, mit Anfang 15. Jahrhundert hielten Feuerwaffen in die Stadtverteidigung erfolgreich Einzug. Durch den zunehmenden Bedarf und Rolle der Feuerwaffen wurden die Büchsenmacher bis zum 17. Jahrhundert sesshaft, bis dahin waren sie von Land zu Land gezogen und es bildete sich eine feste Berufsordnung heraus. Seit 1661 wohnte im Kuhtor, Rostocks ältestem Stadttor, der jeweilige Büchsenmacher in einer vom Rat zur Verfügung gestellten Wohnung. Anfänglich verfertigten die Büchsenmeister auch das Schießpulver und waren damit sogenannte Feuerwerker. 1800 fertigten in Rostock 2 Büchsenmachermeister Pistolen und Gewehre. 1852 gab es im gesamten Herzogtum Mecklenburg-Schwerin 24 Büchsenmacher.
Die Ausbildung zum Büchsenmacher war denn auch mit einigen Festlegungen verbunden, woran sich ein jeder Bursche zu halten hatte. Nur wer als ehrbarer Lehrling seine Prüfung tüchtig bestanden hatte und über seinen vorzeigbaren Lehrbrief verfügte, konnte bei den Amtsmeistern in den Städten um Arbeit nachsuchen und die Ausbildung vollenden. Ein „zünftiger“ Büchsenmeister musste nicht nur sein Handwerk beherrschen, er sollte darüber hinaus gottesfürchtig sein, damit er mit dem gefährlichen Pulver und der Büchse sorgsam umging und ehrbar handelte. Aber auch der regelmäßige Kirchgang reichte noch lange nicht, um die Mitbürgerschaft zu beschwichtigen. Da man ihnen nicht zutraute, alle Kunstgriffe des Handwerks im Kopf zu behalten, sollten sie des Lesens und Schreibens kundig sein. Noch dazu forderte man eine sittliche Lebensweise, nämlich, dass er „leichte Kost zu sich nimmt, Essig, Eier und alles was hart und trocken ist, meidet, und nicht zu viel Wein trinkt“. Die Büchsenmacher wurden für abenteuerlustige und verwegene Kerls gehalten.
So ein Ruf war nicht von der Hand zu weisen, ihre Arbeit war nicht nur körperlich anstrengend, sondern erforderte technische Genauigkeit und einige Experimentierfreudigkeit. Am Ende einer Arbeit musste die Probe aufs Exempel erbracht werden und was taugte ein Büchsenmeister der nicht traf. Natürlich waren Büchsenmeister in aller Regel gute Schützen, die sich auch ihrer Haut zu wehren wussten.
Allgemein also beschäftigte sich der Büchsenmacher mit der Schmiede- und Schlosserarbeit an der Waffe. Er fertigte zunächst das Rohr (den Lauf). Nach dem geforderten Kalibermaß schnitt er eine Eisenplatte zu, glühte und hämmerte sie über einen zylinderförmigen, gehärteten Eisenstab (Mandrin, Dorn), schärfte die Seitenkanten mit dem Hammer ab, um sie danach miteinander zu verschweißen. Unter mehrmaliger starker „Schweißhitze“ wurde das Rohr über dem Dorn über einige Stunden lang glatt und rund gehämmert. Die Kunst dieser Handwerksarbeit ließ sich daran messen, dass allein durch das Heißschmieden und Hämmern das Flintenrohr weit weniger wiegen durfte als das verwendete Ausgangsmaterial: Zu einem Flintenlauf der fertig 2-2,5 Pfund wiegen sollte, diente eine Eisenplatte vom etwa 4-5-fachen des Fertiggewichts. Nun war das Rohr grob geformt, aber der Lauf für die Wirkung der Pulvergase wie zur Sicherheit des Zielens noch nicht vollendet. Sorgfältig musste das Rohr im Durchmesser minimal größer als die Kugel nachgebohrt werden. Erst mit kleinen, dann mit immer größeren und feineren Bohrern. Meist war das hintere Ende des Rohrs weiter und die Mündung vorne enger gestaltet, in jedem Fall musste, dass Innere vollkommen eben, glatt und poliert sein. Das Rohr „hatte seine Seele bekommen“, sagten die Büchsenmacher.
Dann wurde das Zündloch gebohrt und Visier und Korn an der Mündung aufgelötet. Später wurde die zweiläufige Ausführung erfunden mit zwei Läufen nebeneinander (Doppelflinte) oder mit zwei Läufen übereinander (Bockflinte) entwickelt.
Außer dem glatten Lauf fertigten die Büchsenmacher den gezogenen Lauf mit schneckenförmigen Rillen innerhalb des Rohrs, durch die sich die Schussgenauigkeit erhöhte. Das Geschoss wurde schon im Lauf stabilisiert und konnte sein Ziel treffsicher erreichen. Diese Fertigung war zwar schon seit dem Ende des 14. Jahrhunderts bekannt, setzte sich aber erst Ende des 18. Jahrhunderts durch und die Waffe erhielt im Unterschied zum glatten Lauf (Flinte) allgemein die Bezeichnung Büchse.
Hatte der Büchsenmacher seine Arbeit vollendet, übergab er dem Büchsenschäfter zunächst das fertige Rohr nebst den Flintenschloss, Bügel, Abzugshahn usw. Der Büchsenschäfter fertigte den hölzernen Schaft (Ladestock) zu dem jeweiligen Gewehrtyp, womit die Arbeit erst so recht vollendet war. 1796 arbeiteten im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin insgesamt 11 Büchsenschäfter, davon 3 in Rostock, 3 in Güstrow, 1 Schwerin-Altstadt, 1 Parchim, 1 Malchin, 1 Waren und 1 zu Wittenburg. 1850 existierten in Rostock 2 Büchsenschäfterwerkstätten.
Bevorzugt benutzten die Büchsenschäfter das Birnenholz zum Bau von Flinten, Büchsen und Pistolenschäften. Birne zeichnete sich durch seine Härte, Feinfasrigkeit und seiner schönen flammigen Farbe aus. Häufig wurde auch Ahorn genommen, denn das Holz war sehr langlebig, was jedoch noch übertroffen wurde vom Walnussbaum. Für Prunkwaffen erhielten die Schäfte mannigfaltige Verzierungen, ins Holz geschnitzte oder mit Gold oder Silber aufgeblättert, kunstvolle Beschläge aus Eisen oder Messing.
Für solche filigranen Zuarbeiten kamen verschiedene Kunsthandwerker mit dem Büchsenmacher- und Büchsenschäfter ins Geschäft, wie die Eisenschneider, Eisentreiber, Ätzer, Bildschnitzer, vor allem aber die Goldschmiede und die Damasculierer (Tuschierer).
Der Büchsenschäfter fertigte seine Teile nach individuellen Maßen an, damit der Schütze auf der Jagd sein Ziel nie verfehlte. Es gab da einige zu beachtende Regeln. Für einen langarmigen Mann z. B. musste der Schaft länger sein als für eine Person von kleinem Wuchs und kürzerem Armen. Ein Mann von hohen Schultern und mit langem Hals dagegen brauchte einen stark gebogenen Gewehrschaft. Immerhin besaß in jenen Jahrhunderten fast jeder Mann eine Waffe zu seinem Schutz und zur Nahrungssicherung der Familie. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Frauen im Notfall ebenso gut mit der eisernen Waffe umgehen konnten.
Das Büchsenmacherhandwerk zählt heute zu den zulassungspflichtigen Gewerben. Die Berufsausbildung dauert 42 Monate, die theoretische Ausbildung erfolgt länderübergreifend in Suhl. Noch heute besitzen die deutschen Büchsenmacher eine landesweite Berufsvertretung, die am 12. April 1959 in Kassel für das Büchsenmacher-Handwerk aus Bayern, Württemberg-Baden, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein, Westfalen und Niedersachsen gegründet wurde. 1995 schloss sich auch Mecklenburg-Vorpommern dem Bundesinnungsverband für das Büchsenmacher-Handwerk an.
Autorin: Hannelore Kuna