Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Bürstenbinder beziehungsweise Bürstenmacher fertigten ihre Produkte aus Schweinsborsten, Pferde-, Ziegen- und anderen Tierhaaren an, als Gebrauchsgegenstände wurden sie von jedermann genutzt und die Bestellungen waren daher sehr vielfältig. Sie fertigten Pinsel aller Größen und Feinheiten für verschiedene künstlerische Professionen wie Maler, Vergolder und Bürsten für sämtliche handwerkliche Berufe wie für den Barbier den Rasierpinsel, für Buchdrucker die Modelbürste, den Maurer die Wandputzpinsel, den Lackierer, Anstreicher, Zimmermaler Streich- und Lackierpinsel, für den Gold- und Kupferschmied die Polierbürsten, den Hut- und Tuchmacher die Walkbürsten, den Papiermacher und Weber die Schlichtebürsten. Die Brauer z. B. verwendeten besondere Bürsten zum Reinigen ihrer Fässer und Braupfannen, so besaßen diese Bürsten sowohl am unteren Teil des Bretts als auch an den Seitenkanten eigens angefertigte Borstenbüschel zum gründlichen Reinigen.
Die Entwicklung der Mode darf nicht unbeachtet bleiben, denn für modebewusste Personen gab es bereits im 17. Jahrhundert eine reichhaltige Auswahl an Kopf-, Kleider- Schuh- und kostbaren Galanteriebürsten, dabei blieb auch die Reinigung der Zähne nicht unbeachtet. Insbesondere die Bürstenfassung, der Griff, konnte recht edel gestaltet sein, er war poliert oder lackiert, mit feinster Bemalung ausgestattet oder bespiegelt.
Im gewöhnlichen Haushalt gebrauchte man allerhand Reinigungs- und Glanzbürsten, die bei der Hausarbeit hilfreich waren oder sie erleichtern sollte. Dazu gehörten der Staub-, Fege- und Kehrbesen in jeder Größe und Art, für Innenräume und für die Hof- und Straßenreinigung. Ein wichtiger Alltagsbereich war die Tierpflege, wofür u. a. angepasste Bürsten für Hunde und Katzen benutzt wurden bis hin zur feinhaarigen Kardätsche für das Pferdefell.
Ein wichtiger Produktabnehmer der Bürstenmacher war das stationierte Militär in der Stadt. Bürsten gehörten zum notwenigen militärischen Inventar, denn sie dienten an Kanonen und Schießwaffen zur Säuberung der Zündlöcher und wurden in hoher Stückzahl benötigt. Um die Arbeit für das Militär wurde oft gestritten, weshalb es auch feste Verträge gab, in denen ausgehandelt wurde, wer welche Produkte anfertigen durfte. Während der unruhigen Zeiten unter Herzog Christian Ludwig standen in den Jahren 1711-1718 mehrfach Abteilungen längere Zeit in Rostock in Garnison. In einem 1714 angefertigten Verzeichnis ist angeführt, dass beim Schweriner Bataillon unter Oberst von Buggenhagen im Ganzen 82 Hüte, 97 Halstücher, 55 Röcke, 89 Paar Hosen, 105 Paar Handschuhe, 101 Paar Knieriemen, 94 Paar Schuhschnallen, 48 Flinten, 49 Flinten-Riemen, 75 Stahlkappen, 59 Degen, 68 Degen-Riemen, 60 Degen-Gehänge, 39 Patronen-Taschen, 83 Pulverhörner, 80 Räum-Nadeln und 93 Bürsten sowie 113 Krätzer fehlten. Ebenso verhielt es sich beim Güstrower Bataillon. Hauptmann Scharffenberg hatte in Rostock am 6. April 1715 eine Zusammenstellung über das, was 1711 bis 1713 die fremden Kriegsvölker an Montur geraubt hatten, eingereicht: unter anderem 31 Pulverhörner, 29 Räumnadeln mit Bürsten, 27 Kratzer und 9 Pistolen.
Für die Bürstenbinderei gab es abwechslungsreiche Arbeiten zu bewerkstelligen, obgleich sie doch nur ein Abfallprodukt der Tierverarbeitung nutzten. 1796 existierten im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin insgesamt 4 Bürstenbinder, davon 1 Meister in Rostock, 1 zu Gnoien und 2 Meisterbetriebe in Güstrow. 1850 arbeiteten in Rostock 3 Bürstenbindermeister mit Gesellen. Im Vergleich zur Rostocker Meisterzahl arbeiteten um 1830 in Zürich und Stockholm je 4 Meister, stärker war das Bürstenmacherhandwerk in den europäischen Modezentren Berlin und Prag mit je 8 sowie in Wien mit 23 Meistern vertreten.
Das Hauptmaterial des Bürstenbinders waren Schweineborsten, die zumeist von den Weißgerbern der Stadt erworben wurden und die in der Gerberei als Abfall entstanden. Der Bürstenbinder verarbeitete sie aufwendig weiter, die Borsten wurden nach Länge und Stärke sortiert und in Büscheln gebunden. Zuvor hatte er die Tierhaare geraut und ausgekämmt, um sie vor anhaftenden Woll- und Schmutzresten zu reinigen. Je nach Bestellung konnten sie auch gefärbt werden.
Die anderen Teile wie spezielle Hölzer, Stiele oder Brettchen, an denen die Tierhaare aufgearbeitet wurden, fertigte er selbst an oder erwarb sie als Zuarbeit vom Tischler oder Drechsler. Die Verbindung von Holzteilen mit den Borsten war abhängig von der Gebrauchsart. Bei der „eingezogenen Arbeit“ wurden die Löcher in den Holzteilen ganz durchgebohrt, dagegen nur halb gebohrt, wenn die Borstenbüschel mit Pech, Teer eingesetzt (eingepicht) oder mit Leim befestigt werden sollten. Bei der eingezogenen Arbeit wurden die Haarbüschel mit Band oder ausgeglühtem Draht verbunden und daran am Holz befestigt.
Ein ganz eigener Bereich war die Pinsel-Herstellung für die künstlerische Tätigkeit, sie erforderte eine besondere Auswahl an Haar und Stiel, sowohl Schweineborsten als auch Handbrettchen eigneten sich kaum für derartige filigrane Arbeiten. Ein gewöhnlicher Tuschpinsel, um Tusch- und Wasserfarben auf Pergament, Papier, Porzellan oder Elfenbein zu malen, konnte aus den Schwanzhaaren des Eichhörnchens bestehen. Für die Ölmalerei eigneten sich Dachs-, Iltis- oder das untere Wollhaar der Ziegen bestens. Pinsel für die Ölmalerei sollten dicke und kurze Haare haben, Wasserfarbenmaler bevorzugten längeres Pinselhaar und für den Tuschpinsel wurde das längste Haar gebraucht. Der sogenannte „Anschießpinsel“ für den Vergolder dagegen sollte sehr breit und dünn sein, womit die hauchdünnen Goldblätter vom Kissen aufgenommen und auf das Objekt aufgetragen werden konnten. Für die feineren Kunstpinsel wurden zumeist leicht in der Hand zuführende Federkiele und fein gedrechselte Pinselstiele aus leichtem Holz verwendet.
Allgemein war das Bürstenbinderhandwerk ein gewöhnlicher Beruf, man fand sie auf den Märkten, wo sie ihre Produkte verkauften und handelten oder sie hausierten auf dem Lande. Auf dem Rostocker Pfingstmarkt waren einheimische Bürstenbinder stets anzutreffen. Mitte 18. Jahrhundert waren mecklenburgische Bürstenbinder auch auf dem berühmten Lübecker Weihnachtsmarkt vertreten. Zu den Bürstenbinderprodukten zählte man im Laufe der Zeit ebenso Kämme, Weidenkörbe, Stroh- und Bastgeflechte, Schnitzwaren, Spielzeug usw. zu den Kramwaren.
Das Bürstenbinder-Handwerk war allgemein zünftig. Die Lehrzeit betrug 3 Jahre, wenn der Lehrjunge aber vom Meister Kleidung erhielt, dann 4 Jahre, womit die Kleidung abgegolten wurde. Das Meisterstück bestand in mehreren Arbeiten, die je nach dem Gebrauch festgelegt wurden: 1 Silberwaschbürste, 1 Papiermacherbürste, 1 gebogene Bodenwichsbürste, 1 Kardätschenbürste und 1 doppelte Stielschuhbürste.
Vor 100 Jahren waren noch 47 Bürstenmachermeisterbetriebe mit 184 Beschäftigten im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin tätig.
Autorin: Hannelore Kuna