Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Im späten Mittelalter um 1400 entstand der Feilenhauer als eine der vielen Spezialisierungen im Schmiedehandwerk, er gehörte mit seinen Produkten den Kleinschmieden an. Als metallverarbeitender Handwerker verfertigte er neue Feilen und Raspeln in jeder Größe, jedoch bestand eine Hauptarbeit in der Wiederaufbereitung alter Feilen und Raspeln. Darin bestand seine besondere Fähigkeit, denn das grundlegende Arbeitsmaterial war einmal hergestellt, sehr beständig und in der Schmiede formbar.
In verschiedensten Gewerken wurden diese Werkzeuge benötigt wie für die Goldschmiede, Silberarbeiter, Messerschmiede, Schwertfeger u. a., die ihre metallischen Materialien glätten, polieren, einkerben, erhöhen, runden usw. mussten. Raspeln dienten ebenfalls zum Abtragen und Glätten von Holz-, Metall- und Steinmaterialien für Drechsler, Tischler, Bildhauer, Hufschmiede, Sattler u.a. Gewerke.
Die Feilenhauer erlernten ihre Profession 4 Jahre gegen Entrichtung eines festgelegten Lehrgeldes; konnte der Vater die Lehre nicht bezahlen, dauerte sie womöglich 5-6 Jahre lang. Denn dem Meister stand die Bezahlung für Aufwand und Ausbildung des Lehrjungen zu.
Die Gesellen mussten gewöhnlich drei Jahre wandern und erhielten bei ihrer Einkehr in der Fremde freie Verpflegung und Unterkunft, was jedoch nicht allen Orten gleich geregelt war. In Berlin beispielsweise bekamen sie in der Herberge 2 Tage freie „Zehrung“, und wenn sie bei den Meistern keine Arbeit fanden, erhielten sie zusätzlich 4 Groschen an Barschaft dazu. Als begehrte Wanderstationen wurden den Rostocker Gesellen noch im 19. Jahrhundert Aschaffenburg, Fürth, Graz, Iserlohn, Krems, Nürnberg, Salzburg, Schmalkalden, Solingen, Steyr, Suhl und Zwickau empfohlen. Diese Städte galten über Jahrhunderte hinweg als Zentren der Eisen- und Stahlmanufakturen mit ständig wachsender Anzahl an Arbeitern. Oftmals gehörte eine ausgeprägte Hausindustrie dazu, wogegen der Beruf in Rostock nur vereinzelt vorkam. 1800 gab es in der Seestadt eine Feilenhauerwerkstatt und 1836 arbeiteten im gesamten Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin drei Feilenhauer-Meister.
Zum Erwerb des Meistertitels mussten ausgewählte Meisterstücke angefertigt werden, die sollten in der Werkstatt eines Meisters und unter seiner Aufsicht entstehen. Zumeist bestand die Anforderung in drei verschiedenen Feilen von filigraner Art für den Goldschmied, die 10 cm breite Schleiffeile, bis zur groben Ausführung zum Schärfen der Säge. Mitunter verlangte das Amt eine 20 Pfund schwere, etwa 60 cm lange Armfeile, eine Schattierfeile und einen feinen Spitzring für den Nadler. Die Anforderungen an das Meisterstück wurden gelegentlich verändert, was von den arbeitsteiligen Bedürfnissen anderer Gewerke abhing und ebenfalls von der zunehmenden technischen Entwicklung.
Zu den grundlegenden Werkzeugen der Feilenhauer gehörten die Esse, Blasebalg, Schmiedehammer, verschiedene Meißel und Hämmer. Das Erstellen einer Feile erfolgte durch Schmieden bei ca. 780 Grad Celsius des Eisens unter langsamem Abkühlen des eisernen Feilenrohlings, um dadurch das Eisen weich zu machen. Mitunter schweißte der Feilenhauer einen Rohling aus 7-9 Stahlteilen zusammen, so sollte höchste Qualität erreicht werden.
Dann wurden mit Hammer und Meißel die einzelnen Zeilen oder Zahnreihen (Hiebe) eingeschlagen, erst der Grundhieb und darauf den Kreuzhieb. Diese Arbeit war körperlich sehr anstrengend obgleich sie sitzend ausgeführt werden konnte, ein fähiger Feilenhauer machte auf das harte Material etwa 200 Schläge pro Minute. Anschließend wurde die Feile mit Härtungspulver aus Salz, Holzkohle, Hornstaub und Mehl bestreut und durch Erhitzen und schnelles Wiederabkühlen im Wasserbad gehärtet. Manche Meister schworen auf ein Pulver aus gebrannten Ochsenklauen, Küchensalz und fein gemahlenem Glas. Gleich welche Rezepturen angewandt wurden, im Ergebnis sollte das Pulver die Feilenzähne vor dem Verglühen schützen.
Die Feilenhauer hatten da auch so ihre kleinen Eigenheiten, um sich gegen etwaige Konkurrenz durchzusetzen. Das Aushärten belegten sie mit einem geheimnisvollen Stillschweigen und ein jeder Meister lobte das Seinige als das günstigste Verfahren. Allerdings waren damals, Ende des 18. Jahrhunderts, die englischen Feilen von deutlich besserer Qualität als die deutschen, weil die Meister auf der Insel es verstanden, einen besseren Stahl zu schmieden.
Abschließend wurde der Feilenkörper im Bereich der Angel durch nochmaliges Erhitzen wieder etwas elastisch gemacht, um einem Brechen beim Feilen vorzubeugen. Zuletzt schlug der Meister sein Zeichen über der Angel ein, schlug das Feilenheft auf, womit er seine handwerkliche Arbeit krönte.
Das Feilensortiment war schon früher umfangreich: Rundfeilen, Dreikantfeilen, Flachfeilen. Für einzelne Gewerke wurden Sonderanfertigungen produziert. Große Rundfeilen nannten sich Strohfeilen, kleine Rattenschwänze. Kleine halbrunde Feilen, bei denen nur die flache Seite gehauen war, hießen Wälz-Feilen und wurden von den Uhrmachern gebraucht.
Wenn Feilen im Gebrauch stumpf geworden sind, wurden sie vom Feilenhauer abgeschliffen, neu gehärtet und neu gehauen. Sie erreichten auf diese Art wieder die alte Qualität. In wirtschaftlich schlechten Zeiten mussten die Meister von solcher Material-Auffrischung leben.
Große Feilen handelte man nach dem Gewicht, nach Pfund, kleine Werkzeuge stückweise oder in Dutzenden. Feingehauene Feilen wurden oft teurer bezahlt als die gröberen Stücke. Für alle Sorten gab es geregelte Preise, unterschiedlich in einzelnen Ländern und Städten, dafür galt eine sogenannte Feilenhauer-Taxe. Sie sicherte letztendlich die Existenz des Handwerks, was mit dem Auftreten der Kaufmanns-Kompanien immer schwerer wurde.
Wirtschaftlicher Nachteil und Konkurrenz entstanden der kleinen Zahl der Feilenhauer durch die Eisenkrämer der Seestadt. Die Rostocker Eisenkrämer bzw. Eisenhändler, die spätestens seit 1734 der einflussreichen Kaufmannskompanie angehörten, erstanden im Süden Deutschlands Eisen, Stahl und Draht für den Norden und nicht selten, weil gut transportierbar, metallene Fertigprodukt wie Messer, Klingen und Feilen. So ein Sack eingekaufter Feilen konnte einen heimischen Feilenmacher durchaus in den wirtschaftlichen Ruin treiben, was durch die zunehmende technische Entwicklung nicht verhindert werden konnte. Fast in regelmäßigen Abständen entstand Streit zwischen den Feilenhauern und der Kaufmannskompanie, der vor dem Gewett und dem Rat ausgetragen wurde.
Mitte des 19. Jahrhunderts setzte auch in diesem alten Handwerk die Mechanisierung ein, sie konnte jedoch der allgemeinen Industrialisierung nicht standhalten.
Autorin: Hannelore Kuna