Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Formschneider

Formschneider
 
Die Formschneiderei oder auch die Formstecherei ist ein altes Holzdruck-Handwerk, das zur Reproduktion von Illustrationen im Buchdruck angewandt wurde und in seiner Entwicklung damit eng verbunden war. Jedoch ging die Verbreitung der Holzdrucktechnik darüber hinaus und fand Anwendungen in anderen Arbeitsbereichen. Mit hölzernen Modeln oder Platten wurden Abdrücke nicht nur auf Pergament und Papier, sondern ebenso auf gewebten Stoffen, wie der bis heute bekannte Blaudruck, vorgenommen. Die Formstecherei kann gleichsam als die älteste handwerkliche Drucktechnik angesehen werden. Tatsächlich geht seine Anwendung so weit zurück, dass zum Beispiel frühe handschriftliche Urkunden (ähnlich wie mit Siegel und Stempel) über Wappendarstellungen und anderen bildhaften Motiven personalisiert und verziert wurden.
Einmal erfunden blieb diese Art der handwerklichen Technik über viele Jahrhunderte hinweg in ursprünglicher Art erhalten, doch gab es zunehmend Verbesserungen bis durch neue Materialien der Holzdruck gänzlich verschwand.

 Die Formschneiderei arbeitete mit einheimischem Holz, so schnitten oder stachen geschickte Handwerker seitenverkehrte, also negativ aufgetragene Zeichnungen, mit ihren feinen Arbeitsgeräten sorgfältig aus. Meist arbeiteten sie nach Auftrag an bildhaften Darstellungen, die von Zeichnern vorgefertigt wurden. Auf der ausgearbeiteten Holzplatte wurden im nächsten Arbeitsschritt mit einem abgerundeten Borstenpinsel die Farben und Tinten, selbst Goldverzierungen aufgetragen, um sie dann auf das originale Material zu übertragen. Papier wurde dann auf die Platte angedrückt und mit einem Reifer abgerieben, wodurch eine Vielzahl an Abbildungen entstehen konnten, je nach Auftrag wurde die Anzahl der Reproduktionen vorgenommen. Mit zunehmender Fertigkeit verfeinerte sich der Druck sowohl in den zeichnerischen Wiedergaben als auch in der technischen Reproduktion mit Farbauftrag und Abzug.

 Bedeutende Künstler wie Albrecht Dürer beherrschten die Formschneiderei vorzüglich und hinterließen meisterliche Holzschnitte für die Nachwelt.
Anfangs bestellten die Rostocker Kopisten (Stadtschreiber) die Formschneider-Waren zur Erleichterung des Schriftverkehrs. Mit den Holztafeln wurden Teile des handschriftlichen Verkehrs ersetzt, wie der Briefbogenkopf etwa oder handschriftliche Blätter wurden zum besseren Textverständnis illustriert. Bekannt ist auch, dass frühe Formschneider ebenso Druck-Vorlagen für Spielkarten oder Tapeten anfertigten.

 Aufgrund der spezialisierten Arbeitsteilung, nannten sich diese Handwerker vorerst bis ca. 1469 Kartenmacher, Kartenmaler, Briefmaler oder Illumateure. Mit der Kartenherstellung fing vermutlich die hauptsächliche Entwicklung der Formschneiderei an. Unter Karten verstand das Spätmittelalter die Spielkarten und kleinere Einblattdrucke aller Art. Spielkarten wurden in Deutschland etwa seit 1370 gefertigt, denn das Unterhaltungsspiel stand an höfischen und in hochadligen Kreisen in hoher Gunst.

 Bedeutend für das katholische Mittelalter war der Bedarf an einfachen und bildhaften religiösen Darstellungen in Form von Karten, Tafeln, Zetteln, Briefen usw., bis hin zum Ablasshandel, da die einfachen Leute meist weder schreiben noch lesen konnten. Selbst ganze biblische Szenen wurden auf solchen Tafeln dargestellt, mit kurzen Worten der Erklärung, kleinen Gebeten und Bibelsprüchen. So entstanden nach und nach xylographische auch xylotypische Werke als aufwendige Produkte der Holz- und Formschneidekunst.
 Im 15. Jahrhundert bedienten sich hauptsächlich die Buchdrucker der Formschneiderei für Illustrationen (Holzschnitt) und den Text-Druck. Erste Formschneider in Rostock sind nach 1462 bekannt, als die „Kloster-Brüder vom gemeinsamen Leben“ aus Münster in Westfalen nach Rostock siedelten und hier eine Buchdruckerei errichteten. In einem außerordentlichen Kunstwert jener Zeit steht das überlieferte große Buchdruckerzeichen der Brüder: der heilige Michael, den Lindwurm tötend. Allgemein wurden in dieser Zeit mit schlichten Holzschnitten religiöse Werke anschaulich bebildert.
 Ähnlich bekannt wurden die Formschneider-Drucke aus der Offizin von Hermann Barckhusen (etwa von 1503-1526). Mit den großartigen typographischen Unternehmungen der beiden Rostocker Männer Nicolaus Marschalk (1470-1525) und Ludwig Dietz, begann um das Jahr 1515 die nachhaltige Periode für die Formschneidekunst in Mecklenburg. Im Jahre 1516 tritt der sächsische Künstler Melchior Schwarzenberg als Formschneider für die Buchdruckereien des L. Dietz und N. Marschalk in Rostock auf, für die er mehrere Holzschnitte fertigte. Sie alle tragen das Gepräge der altsächsischen Schule, wovon noch heute ein Buch erhalten ist: Der sele rychtestych Rostock, L. Dietz, 1515, mit Holzschnitten von Schwarzenberg. Sein Monogramm besteht aus den verschlungenen oder neben einander stehenden Buchstaben M S. Nach wenigen Jahren finden wir ihn aber schon wieder in Wittenberg.
  Bedeutender als Schwarzenberg war der Monogrammist P. B., dessen bürgerlicher Namen unbekannt geblieben ist und der nachweislich ausschließlich für die Druckerei Ludwig Dietz zu Rostock tätig war. Er hinterließ in zahlreichen Büchern künstlerisch wertvolle Monogramme, Buchdruckerzeichen, Rand- und Zierleisten, stilvolle Initialen und weitere umfassende Buch-Illustrationen. Reine handwerkliche Arbeit und künstlerische Fähigkeiten vermischten sich in dieser Druckarbeit und brachten bemerkenswerte Arbeiten hervor.
 Jacob Lucius, gebürtig aus Kronstadt in Siebenbürgen, war nicht allein ein künstlerischer Formschneider aus der sächsischen Schule des Cranach, sondern er gründete auch als Buchdrucker ein wirtschaftliches Unternehmen. Durch seine Tüchtigkeit erhielt er in den folgenden Jahren die Erlaubnis für die Einrichtung einer Offizin zu Wittenberg, Rostock und Helmstedt. Nach Rostock zog er im J. 1564 und übernahm dort die neu errichtete Universitäts-Buchdruckerei.

 Neben vielen großartigen Schnitten zu Buchwerken stammt aus seiner Werkstatt der berühmte Stammbaum des Mecklenburgischen Fürstenhauses vom Jahr 1578. Der Stammbaum besteht aus sechs zusammengeklebten großen Papierbogen. Er stellt einen großen Baum mit Ästen und Früchten (Äpfeln) und auch kleinen Blättern dar. Um den Baum ist ein Band geschlungen, auf den die Namen der Stammhalter gedruckt sind; die Namen der Seitenlinien stehen auf den Früchten. Dazwischen sind hin und wieder Tafeln mit geschichtlichen Nachrichten.
Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Formschneiderei durch den feineren Kupferstich nach und nach abgelöst. Die Technik des Schneidens, Stechens in Holz wurde ersetzt durch das Ritzen mit spitzen Gerätschaften in Metall. Zwar gewann in England und in einigen süddeutschen Buchdruckerstädten durch Verbesserung der Technik die Holz-Formstecherei im 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts noch einmal kurzzeitig an Bedeutung, jedoch wurde sie durch moderne und billigere Reproduktionsverfahren (Fotomechanik) für die Illustrationen im Buchdruck ab Mitte des 19. Jahrhunderts endgültig verdrängt.

 
Autorin: Hannelore Kuna.

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