Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Fotograf

Fotograf


  Mit der Erfindung der Fotografie begann der Wandel für eine moderne Medienwelt, deren Auswirkungen damals nicht absehbar schienen. Die technischen Mittel der Abbildung von Gebäuden, Landschaften und Menschen konnten in kurzer Zeit hergestellt werden und nicht nur das, die Abbildungen konnten z. B. mehrmals wiederholt werden. Der Buchmarkt und der sich entwickelnde Zeitungs- und Journalienmarkt, also die Fachwelt und das konsumierende Publikum waren begeistert. Dieses neue technische Gerät Camera obscura brachte indes genauso viele Gegner wie Fürsprecher hervor, sodass heftige Diskussionen entbrannten. Aber das Zeitalter der Moderne war nicht mehr aufzuhalten. Walter Benjamin hat sich in seiner Arbeit „Das Kunstwerk im Zeitalter seinen technischen Reproduzierbarkeit“ (1935) wohl am intensivsten mit den Fragen von künstlerischer Tradition und moderner Technisierung auseinandergesetzt, sodass all diese ursprünglichen Fragen z. B. über Wert des Originals in der Malerei, die Rolle von Massenproduktionen im Kunstdruck, Möglichkeiten der Fotografie usw. auch heute sinngebend sind. Sie werden nicht zu Unrecht gelegentlich immer wieder neu gestellt. Die spannendste Frage bei jeder technischen Erneuerung ist doch, welche Auswirkung hat sie auf die Lebenswelt des Menschen. 
 Die Erfindung der Fotografie von Jaques Mandé Daguerre (1787-1851) und von seinen Vorgängern, die ab Sommer 1839 durch Zeitungen und populäre Journalien bekannt wurde, erweckte weltweit großes Aufsehen. Es sollte nicht lange dauern bis die Welle der Begeisterung auch Mecklenburg erfasste. Die erste Phase der Fotografie dauerte bis 1850-52 und wurde nach ihrem Erfinder benannt, die Darguerrotypie. Die technische Wiedergabe erfolgte auf verkupferten Silberplatten, erst danach setzte die Fotografie auf Papier ein. Aus Schwerin stammte die erste Nachricht, dass dort Anfang November 1839 ein Apparat aus Paris durch den Bildhauer Peters und den Dekorationsmaler Schnelle angeschafft worden sei, mit dem man innerhalb von 2 Stunden, mit Vorbereitung, Aufbau der Camera obscursa etc., ein exzellentes Bild anfertigen konnte. Anfangs benötigten die Apparate eine Belichtungszeit von mehreren Minuten.
 Die ersten Fotografen oder Daguerrotypisten, wie sie nach dem Erfinder genannt wurden, reisten von Ort zu Ort und boten ihre Dienstleistungen an. Besonders lohnend war die Porträtfotografie zu den Märkten und Volksfesten. Die Leute sollten auf Anraten der „Lichtbildner“ dazu möglichst schwarz gekleidet erscheinen, so könnten sie besser ins rechte Licht gesetzt werden. 1843 meldete sich zum Pfingstmarkt der erste Daguerrotypisten aus Berlin in Rostock an. Ab 19. Juli zog er weiter zur Badesaison nach Doberan. Mit dem Porträtmaler E. Krug etablierte sich der erste Rostocker Bürger in diesem neuen Geschäftszweig mit einem Studio in der Koßfelder Straße. Ein Bild in gewöhnlicher Einfassung kostete bei ihm etwas über zwei Taler, bei mehreren Personen auf einer Platte verhältnismäßig mehr.

 Weitere Erwähnung verdient H. Karsten, der sich alljährlich zwischen 1848-1853 in Rostock einstellte, ebenso der Hamburger Lichtbildner J. Behrens der in einem Glaspavillon bei Madame Burmeister Aufnahmen bei jeder Witterung anfertigte. Jedoch arbeitete der Lichtbildner bevorzugt im Hof, wo er mit dem natürlichen Licht bessere Bedingungen hatte.
 Ab dem Jahr 1852 trat anstelle der Darguerrotypie die Papierfotografie, gleichwohl blieb die Lichtbildnerei noch einigen Liebhabern vorbehalten. Wer dieses neue technische Verfahren ausübte nannte sich Fotograf. In Mecklenburg entstanden im Jahr 1852 erste Fotoateliers und zwar in Schwerin durch Emil Tesch und in Rostock durch Sievert. Danach zeigte in Rostock der Lithograph Franz Heinrich Dethleff (1812-1873) am 7. April 1857 die Eröffnung seines Ateliers in der Poststraße 13 an, das nach seinem Tode 1873 durch die Familie fortgeführt wurde. Bereits auf der Rostocker Landes-Gewerbe-Ausstellung 1858 erhielt er für verschiedene Fotografien eine „Ehrende Anerkennung“, die er auf der Londoner Weltausstellung 1862 wiederholen konnte.  

 1863 begann George Hornemann seine fotografische Tätigkeit, 1864 bot F. Miede seine Künste dem Publikum an. Nach Rostock wurde 1859 Teterow die nächste Fotografenstadt, 1862 folgten Sülze und Goldberg mit je einem Atelier und Rostock gleich mit 9 Fotografen-Werkstätten. 1866 zog die Fotografie in Güstrow (5 Fotografen) ein, Wismar war mit 4, Waren mit 3, Parchim und Rehna mit je 2 Gewerben gerüstet. Die Seestadt Rostock hatte es inzwischen auf 13 Ateliers gebracht, im Ganzen gab es 1866 15 Städte mit 53 Fotografen, 1876 23 Städte mit 59 Fotografen.
 Vom Ende der 60 Ger und aus den 70 Ger Jahren stammen die ältesten Fotos. Die ersten Fotografen kamen aus alten Handwerksberufen und waren technisch interessierte Tüftler, die mit der Technisierung Schritt hielten. In Sternberg zählte der Uhrmacher Brandt zu den Pionieren der Fotografie. Fotograf Lorenz in Sülze war Glaser. Steffens in Rostock war Galanteriearbeiter. Der noch Daguerrotypist und schon Fotograf G. Brunswik zu Rostock war Goldschmied. Andere Pioniere der Fotografie kamen aus Künstlerkreisen, weil sie die enorme Konkurrenz sahen und sie nicht unberechtigt fürchteten. Zwischen 1839 und 1860 kamen in Mecklenburg nicht weniger als 26 Fotografen aus Künstlerkreisen.

 Mit der modernen Fotografie sahen sich verschiedene künstlerische Bereiche in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Dazu gehörten insbesondere Kupferstecher und Lithographen, die das Bildmaterial für den im Entstehen begriffenen Zeitungsmarkt lieferten und natürlich für den Buchmarkt. Die alten Kupferstecher wurden schon den Lithographen stark verdrängt und nun sollten auch den Lithographen gemeinsam mit den Porträtmalern in Öl die Lichter ausgehen? 
Man wehrte sich so gut wie man konnte. In Rostock nahmen die Porträtmaler Carl Krug, Sievert Steenbock (1822-1904), der auch Lithograph, Ornithologe und Tierpräparator war, Hartwig Klodt (1827-1872) und Fritz Kluth selbst die Fotografie in ihr Geschäftsprogramm auf. Mit dem modernen Slogen „Atelier für Porträtmalerei und Fotografie“ wurde um die alte und neue Kundschaft geworben.

 Von den Lithographen dieser Jahre hat sich nur F. H. Dethleff der neuen Zeit gebeugt und die Fotografie in das Programm mit aufgenommen, die übrigen Rostocker Berufskollegen arbeiteten ausschließlich für die Zeitungsdruckereien der Stadt. Mit der Fotografie auf Papier wurden andererseits nun persönliche Bildnisse auch für die Massen erschwinglich, was vorher mit den künstlerischen Techniken der Miniaturmalerei oder dem Schattenriss (Silhouttenmaler) nur den zahlungskräftigen Bürgern vorbehalten war. Fotografien anfertigen zu lassen zu besonderen Familienereignissen, kam nunmehr in Mode und wurde traditionell gepflegt.
 Verschiedene Moden und Techniken machten die Fotografie salon- u. wirtschaftsfähig. Aus Paris kam die Manie der Visitenkartenbilder, die die Fotografie populär machte. Preiswert konnten die Visitenkarten aus Karton mit dem eigenen oder mit fremden Abbildern versehen und zum Werbeträger werden. Erstmals in Rostock bot 1861 Fr. Kluth die Herstellung von Visitenkarten mit Abbildung der ganzen Figur oder nur als Brustbild an. Bald darauf ließ sich für den privaten Bereich das Angebot mit dem Erwerb von Alben komplettieren. Hinzu kam in jener Zeit eine Sammelleidenschaft der Leute, gefragt waren Visitbilder von Persönlichkeiten, Kunstwerken, Landschaften oder Städteansichten. 1864 bot F. Miede Rostocker Ansichten, auch von Warnemünde, 6 und 9 Zoll groß, als Visitenkarten an. 1879 entstanden in Deutschland 40 Millionen fotografische Visitenkarten, dieses Geschäft beförderte das fotografische Gewerbe auch in Rostock. Als Zweig davon entwickelte sich die Vignette, das „verlaufende“ oder „abgetonte“ kleine Bild auf dem Karton, die der Fotografie eine künstlerische Note gab.
 Das neue Gewerbe der Fotografen hatte sich auf dem Wirtschaftsmarkt etabliert, bis etwa 1868 wuchs die Zahl der Fotografenbetriebe in Rostock bis auf 14 stetig an, danach wechselten Schließungen und Neuanmeldungen miteinander.
 Große Verdienste um die erstmalige Aufarbeitung der Fotografiegeschichte Rostocks und Mecklenburgs erwarb sich Wolfgang Baier (1889-1968), ein Rostocker Gymnasiallehrer.


Autorin: Hannelore Kuna

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