Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Fächermacher
Allgemein hin gehörte der Fächer zu den begehrten Luxuswaren, zu den Galanteriewaren wie man es im 18. Jahrhundert nannte. Die Meister fertigten den modischen und schmückenden Frauenputz, womit sich die Damen gleichsam wie mit dem vornehmen Sonnenschirm vor der Sonne oder lästigen Mücken schützten, frische Zugluft wedelten und allerlei Emotionen verbargen. Wie jeder Putz war auch der Fächer der Mode unterworfen, es gab sie in den verschiedensten Preislagen von äußerst preiswert bis sehr teuer. Das lag vor allem am Wechsel der Naturmaterialien, der Farben, der Bemalungen, mal war er groß, dann wieder klein usw. Dieses Beiwerk oder Accessoire der vergänglichen Mode gab es in vielfältigen Sommer- und Winterausführungen; im Sommer zum Kühlen und für den Winter benutzte man ihn zur Zierde.
Das Handwerk der Fächermacher galt in Deutschland als eine freie Profession, während es in England zünftig ausgeführt wurde. Die Fächermacher traten in den norddeutschen Städten wie in Rostock nur vereinzelt auf. Obgleich der Fächer frühzeitig verwandet wurde, begann der modische Durchbruch erst mit dem 18. Jahrhundert. In der Machart des handlichen Klappfächers wurde er überall bevorzugt benutzt. Wenn die Dame im Rokoko sich öffentlich zeigte, war der Fächer ihr Zepter. Eine Dame ohne Fächer glich einem Herrn ohne Degen oder Spazierstock, so jedenfalls urteilten die Zeitgenossen. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts gehörte der Fächer ebenso zur angebrachten Umgangsform im höfischen Verkehr.
Doch der Umgang mit dem Fächer wollte gelernt sein, bestimmte Bewegungen mit dem Fächer verrieten sehr viel über den Gemüts- und Empfindungszustand der Dame, sodass der Fächer als ein Ausdruck der Empfindsamkeit in dieser Zeitperiode galt. Der Fächer galt allgemein als Gerätschaft zur Regulierung der weiblichen Schamhaftigkeit, der moralischen Keuschheit und darüber hinaus konnte alles dahinter versteckt werden, was nicht offiziell gesehen werden sollte.
Auch in Rostock verstanden es die Frauen unterschiedlicher sozialer Stellungen mit dem Fächer umzugehen, das betraf die vornehmen Kaufmannsdamen oder Kapitänsfrauen gleichermaßen wie die einfachen Bürgersfrauen; jedoch unterschied man am Fächerspiel die vornehme Dame von den anderen. So manche Gelegenheit wurde von den Frauen genutzt, sich komplett mit einem Fächer zu präsentieren, besonders in der warmen Jahreszeit. Nach dem sonntäglichen Kirchgang begaben sich die Kaufleute und Handwerker mit ihren Frauen und Dienstmädchen zum Ausflug in die Natur, was zeitweise sehr beliebt war. Oder es ging hinaus auf die Wallpromenaden und in die umliegenden öffentlichen Gärten und Restaurants. Begegneten sich die Familien einander, so grüßten die Damen mit bescheidenem Kopfnicken und erhobenen Fächer.
An öffentlichen Festivitäten und traditionellen Ausflügen mangelte es in Rostock nicht, um sich modisch zu präsentieren, da gab es: zwei Wochen lang Pfingstmesse im Frühjahr, die alljährlichen Schützenfeste der Kaufleute und Handwerker im Herbst, Gesellschaften auf den Dörfern, gemeinsame Lustpartien nach Doberan und aufs Land oder Bootsfahrten nach Warnemünde usw. Die Männer zogen sich zu eigenen Tisch- und Trinkgelagen zurück, während die Frauen sich zu selbstständigen Tee-Assemblen zusammenfanden.
Die allgemeine Verbreitung des Fächers hatte das Handwerk der Fächermacher gestärkt und Ende des 18. Jahrhunderts beispielsweise in Frankreich eine kleine Industrie hervorgebracht. Parfümierte Fächer lieferten Mailand, Rom und lackierte Fächer insbesondere England. Der Sommerfächer bestand im Überzug hauptsächlich aus buntem oder und bemaltem Papier, Seidenzeug oder Schwanenhaut. Letzteres war aber nur ein Handelsname, tatsächlich bestand hier der Überzug aus feinstem Ziegenfell.
Die Fächerfertigung war eine handwerkliche Arbeit, die neben Geschick auch künstlerische Begabung erforderte. An kostbaren und teuren Überzügen wirkten jedoch spezialisierte Fächermaler und andere Künstler mit, um die schönsten Motive zu entwerfen. Doch erlaubte die Fächermalerei einigen künstlerisch begabten Handwerkern, auch wenn sie nur mäßig mit Pinsel und Aquarellfarben umgehen konnten, ein geregeltes wirtschaftliches Auskommen. Schließlich und endlich war jeder Fächer ein Unikat, andererseits aber entsprechend teuer. Insgesamt wurde die Fächermacherei soweit spezialisiert, dass durch den Kupferstich die einmal entworfenen Papierdrucke zu erschwinglichen Preisen hergestellt werden konnten. Solcher Art wurde der Fächer ein begehrtes Accessoire.
Als hauptsächliche Werkzeuge benutzte der Handwerker Lineal, Schere, Zirkel und ein Zurichtebrett. Der Zirkel war eine Sonderanfertigung des Zirkelschmieds mit nur einer Spitze und einer scharfen Schneide. Der Fächermacher schnitt aus dem Papier zwei halbzirkelförmige Scheiben zu, die er danach mit dünnem Mehlkleister aufeinander klebte und trocknen ließ. Zur weiteren Bearbeitung bediente er sich eines Brettes, auf dem wie Strahlen von einem Mittelpunkte ausgehend, schmale und seichte Furchen eingeschnitten waren. Er befestigte das Papier mit Drahtstiften oder auf andere einfache Weise auf das Brett, setzt einen Zirkel im Mittelpunkte der Strahlen auf, und schnitt zwei konzentrische Halbkreise, den äußern oder obern und den inneren oder unteren Rand des Fächers aus. Mittels eines Falzbeines wurde das Papier nacheinander von beiden Seiten in die Furchen hineingedrückt. Gewöhnlich erhielt der Fächer im Ganzen 30 bis 40, also aus jeder Fläche 15 bis 20 Falten. Mittelst eines Messingstifts wurden einige Papier-Falten aufgetrennt, um die Holzstäbe einfügen zu können. Bei Verwendung von Seidenstoffen ging der Fächermacher wie ein Schneider vor, der Stoff musste in Falten gelegt und genäht werden.
An den Enden der eingelegten Stäbe wurden, praktisch als Fortsetzung, zierliche Stücke aus Knochen, Elfenbein, Schildpat, Horn, Fischbein oder aus edlem Holz befestigt, die zusammen den modischen Griff des Fächers ausmachten. Für sehr feine Fächer verarbeiteten die Meister vergoldete, versilberte oder bemalte Stäbe. Oder sie wurden nach Bestellung mit durchbrochenen oder ausgelegten Arbeiten von Gold- und Silberperlen, Perlmut oder anderem Zierrat versehen. Auch hier waren der gestalterischen Phantasie keine Grenzen gesetzt.
Der sogenannte Winterfächer, ausschließlich zur Zierde und Galanterie benutzt, bestand im Unterschied zum Sommerfächer nicht aus einem Überzug von Papier, Seide oder anderen Stoffe. Er bestand aus gleich langen und gleich breiten (meist mittelst der Laubsäge oder mittelst Ausschlageisen zart durchbrochenen) Stäben von Knochen, Elfenbein oder feinem Holz, welche durch Seidenbänder zusammen gehalten wurden. Sie wurden sehr dünn gearbeitet, bis auf das erste und letzte, die zur Festigkeit und zum Schutz für die Übrigen dienten. Auch für diesen Winterfächer hatte Rostocks Damenwelt gute Verwendung. Auf den regelmäßigen wöchentlichen Winterkonzerten nahmen auch die Frauen teil, wie ein Zeitgenosse aber spöttisch bemerkte, „wie es scheint, mehr um zu sehen und wieder gesehen zu werden“. Auch zu den „Maskeraden“ im Schauspielhaus während der Karnevalszeit durfte der Fächer als beliebtes schmückendes Utensil nicht fehlen, allerdings besuchten diese Belustigungen nur die niederen Stände der Stadt, die wohlfeinere Gesellschaft hielt sich vorläufig fern.
Autorin: Hannelore Kuna.