Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Gelbgießer
Das Gelbgießerhandwerk ist kaum noch bekannt, obwohl bis in die jüngere Zeit hinein diese Gusstechnik auch in mechanisierten und technisierten Gießereien angewandt wurde, natürlich modernisiert. Ursprünglich verfertigte der Gelbgießer gelbe metallene Waren her, wodurch sich seine Berufsbezeichnung ableitete, denn er war hauptsächlich spezialisiert auf Messingguss in Sandformen. Anschließend wurden die Produkte verschiedenartig bearbeitet durch Abdrehen, Schaben, Löten, Polieren, Verzieren, Vergolden und Versilbern, je nach dem wie es ihr besonderer Zweck erforderte. Messing ist ein künstlich hergestelltes Produkt, es entsteht als Mischlegierung von Kupfer und Zink, auch darin gab es im Verlauf der Zeit Wandlungen, denn bis Anfang 19. Jahrhundert wurde es aus Kupfer und Galmei hergestellt. Vom Kupfergehalt wiederum hängt die Bearbeitung (mit Hämmern) ab, auch die Weichheit und Feinheit des metallischen Korns. Vom Zinkanteil wiederum die Schmelzbarkeit, Härte und Sprödigkeit des Messings. Mit durchschnittlich 25 Prozent Zink erreichte der Gießer ein feines gelblich schimmerndes Messing, bleibt der Anteil unter 13 Prozent Zink erhielt er einen rötlich bis rot schimmernden Farbton. Für die verschiedenen Mischungsverhältnisse entstanden unzählige Bezeichnungen, davon blieben am Bekanntesten der Rotguss, Gelbguss, Weißmessing usw. bestehen.
Der Gelbgießer war handwerksmäßig mit der Profession des Rotgießers, der sich in Norddeutschland Apengeter nannte, verwandt. Der plattdeutsche Dichter Klaus Groth schreibt in seinem Gedicht der „Rotgeter“: „Rothgeter weer Meister Lamp, – Gęlgeter hör he noch lewer, Nich jüs węgen de Ehr, doch harr dat bęter en Utdruck, Paß mehr to dat Geschäft, und klung ok sauber un rennlich“.
Der wesentlichste Unterschied zwischen Gelb- und Rotgießern aber bestand in seinem Ausgangsmaterial und deren Mischung sowie darin, dass Gelbgießer in Sandformen und Rotgießer in Lehmformen ihre fertigen Materialmischungen gossen.
Im 14. Jahrhundert schafften die norddeutschen Gelbgießer Voraussetzungen für die Herausbildung eines neuen Kunsthandwerks – des Messingschnitts. Mit dem Gießen von Messing zu vollständigen Formen konnten die Metallplatten zu fundamentalen Grabplatten aus Messing bearbeitet werden. So entstanden z. B. Grabplatten für den Schweriner Dom und die Stralsunder Nikolaikirche als eine äußerst repräsentative Art Macht und Reichtum zu zeigen. Reiche Familien verschiedenster Stände leisten sich diesen Grabschmuck, die über die Jahrhunderte hinweg ein beredtes Zeugnis der handwerklichen und künstlerischen Meisterschaft darstellen. Sie sind darüber hinaus eine einzigartige Quelle von Kulturgeschichte. Des Weiteren wurden Druckplatten im Buchdruck eingesetzt, zeitlich wurden sie vor dem Holzschnitt verfertigt. Dazu bot der Gelbgießer eine breite Palette sakraler Gerätschaften (zu denen ebenso Taufbecken zählten), häuslicher, kunsthandwerklicher, bauhandwerklicher und späterhin technischer Produkte an. Die Werkstätten fertigten aus Messing insbesondere für den Haushalt kleine Glocken und Schellen, metallene Mörser, Fingerhüte, Fingerringe, Gewichte, Kämme, Kron- und andere Leuchter, Löffel, Messerstiele, Statuen, Plätteisen, Wachsscheren, Knöpfe, Schnallen, Spritzenröhren (für die Feuerwehr), für andere Gewerbe Ventile, Buchbeschläge, Teile für Musikinstrumente, Bierzapfen oder Hähne und Wachsscheren und für den Haus- und Wohnungsbau Beschläge zu Stadttoren und Haus- und Wohnungstüren sowie Gartentüren, für Fenster, Kasten, Truhen, Schränken. usw. Natürlich entfalte sich der Bedarf der vielen kulturellen Gegenstände erst im Verlauf der Arbeitstätigkeiten der Menschen. Der moderne Mensch wurde in seinen Bedürfnissen nach Gerätschaften nicht nur vielseitiger, sondern auch anspruchsvoll in der Verarbeitung. Daher kommt es, dass wir von vielen ursprünglichen Dingen keine Vorstellungen haben, da sie im kulturellen Verlauf schlichtweg verdrängt wurden durch technische Neuerungen. Jeder archäologische Fund ist eine große Kostbarkeit für die Bewahrung des menschlichen Gedächtnisses, das gilt übrigens auch für die Wiederbelebung alter Handwerke und sei es für Schauvorführungen auf historischen Märkten.
Eine besondere Gelbgießerzunft für Rostock ist nicht nachweisbar, während die Rotgießer um 1585 ein eigenes Amt bildeten. Vermutlich waren die Gelbgießermeister Mitglied der Grapen- und Kannengießerzunft oder wurden bei den Rotgießern mit aufgenommen.
Die Gelbgießer besaßen kein geschenktes Handwerk. Ihre Lehrburschen wurden, wenn sie ein Lehrgeld hinterlegten, nach 5 Jahren losgesprochen, maximal lernten sie (mitunter) 7 Jahre lang. Diese Verlängerung trat dann ein, wenn der Bursche zu arm war, das Lehrgeld nicht zahlen, sich während der Lehrzeit sich nicht kleiden konnte oder die Ausrüstung zur Wanderschaft nicht rechtzeitig zusammenbrachte. In diesem Falle half der Meister aus, stellte die Barschaft zur Verfügung und ließ sich dann mit einer Verlängerung der Lehrzeit sein Geld (rück)ausbezahlen. Die Gesellen gingen 3 Jahre auf Wanderschaft, was jedoch mit der Wende zum 19. Jahrhundert nicht ganz frei war. Die mecklenburgischen Gesellen waren schließlich tüchtige junge Burschen, die bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres zuvörderst ihren Militärdienst absolvieren mussten. Bevor sie nicht ihre Soldatenpflicht abgeleistet hatten, begrenzte Herzog Friedrich Franz die Wanderschaft der Gesellen auf das Großherzogtum ein. Das bedeutete also, dass ein Geselle sich ausschließlich im Umkreis von Rostock bis Boizenburg oder etwa bis Waren aufhalten durfte. Der Meister hingegen sollte dies in die Kundschaft und in das Wanderbuch des Gesellen eintragen und hinzufügen, so dass ein jeder Meister wusste dieser Bursche hat noch nicht gedient. Außerdem durfte der Handwerksgeselle vor dem vollendeten 25. Lebensjahr nicht heiraten, wenn er seiner Militärpflicht noch nicht nachgekommen war.
Das gewöhnliche Meisterstück im Gelbgießerhandwerk war etwa die Anfertigung eines Kronleuchters und eines Geschirres für 6 Pferde. Das Gelbgießerhandwerk musste karge Zeiten überstehen aber es konnte sich über alle Zeiten hinwegretten, es war nie ganz verschwunden. Sein Bedarf zeigte sich beim gehobenen Hausbau in der Stadt oder auf Burgen und Landschlössern. Von dort her meldete man immer wieder Bedarf an Gelbgießerarbeit an z. B. für Türen oder Klinken. Den hohen Herrschaften genügten Eisenbeschläge an den Türen oder Klinken aus Gusseisen nicht. Das Metall sollte schon golden glänzen und zumindest aus Messing sein, mitunter konnte man es vergolden lassen. Aus einem Handwerkerrechnungsbuch von 1826 ist an Preisen für Gelbgießerarbeit zu entnehmen „dass eine zweiflüglige Saaltür, mit Messingbändern, eingestecktem Schloss, Riegeln mit sassonirten Messingknöpfen, die beiden Drücker und die vier verzierten Schilde, nebst Nachriegel von Messing und sämtliche Messingteile zu vergolden“ ca. 56 Reichstaler kosten konnten. Aus einem Materialkosten-Voranschlag für eine Stadttor ist überliefert, dass es erforderte für einen neuen Beschlag aus Messing anzufertigen: 6 Kreuzbänder und Zapfen, jedes zu 26 Pfund Gewicht, 30 Mutterschrauben, 78 Spitznägel, 1 starkes Zugschloss mit langer Zugstange und Krampe, 1 Riegel nebst Schließblech, 1 großes Französisches Schloss mit überbauten Kasten, hebendem Fall, Schließhaken und Schlüssel, 2 Sturmhaken mit Kloben und Öse, zum Anhängen der Torflügel. Weiterhin wurden die beiden Flügel oben auf der Kante mit Blech beschlagen.
Nach dem Staatskalender vom Mecklenburg-Schwerin arbeiteten 1852 in Rostock 5 Gelbgießermeister, im gesamten Großherzogtum waren es 15 Meister. Vor etwa 100 Jahren gab es noch 8 Gelb- und Rotgießer im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin. Bis 1980 wurden beispielsweise in Schwerin von der Firma Seupel (gegründet 1898) Gelbgießerwaren hergestellt.
Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts erhielt das Gelbgießerhandwerk einen weiteren Aufschwung durch den Bau von modernen Gasanstalten, in denen Licht und Energie erzeugt wurden sowie mit dem Bau zentraler Wasserleitungen. Massenhaft wurden für Leitungen aus Messing Verbindungsstücke, Ventile, Sperr- und Ablasshähne benötigt, was natürlich die industrielle Produktion begünstigte, aber Anfangs auch das kleinere Handwerk förderte. 1856 wurde in Rostock die Gasanstalt auf Steinkohlenbasis eröffnet, die wenige Zeit später 600 öffentliche Straßenlampen (etwa 200 Lampen mehr als in Augsburg oder Schwerin) mit Licht und etwa 5000 Privat- und 1500 „Gartenflammen“ versorgten. Bis etwa 1910 existierten Im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin insgesamt 27 Gasanstalten. Aus dem alten Einzelhandwerk entstanden Ende 19. Jahrhundert kleinere spezialisierte Fabriken, die Zuarbeiten für die Auftraggeber leisteten.
In der DDR wurde 1985 bis 1990 Gelbgießer als seltener Handwerksberuf ausgebildet, vor 1985: Facharbeiter/in für Gießereitechnik Gelbgießer/in). In der Bundesrepublik waren artverwandte Berufe wie Metallformer/in u. Metallgießer/in und Metall- und Glockengießer/in – Metallgusstechnik bekannt.
Autorin: Hannelore Kuna