Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Getreidemüller

Getreidemüller

 

 Müller und Mühlen spielten im mittelalterlich-frühneuzeitlichen Wirtschaftsleben und bis Anfang des 20. Jahrhunderts eine erstrangige Rolle. Die Bäcker, die Brauer und die Bürger mussten sich ihren Teil Getreide kaufen und ließen es in zugewiesenen Mühlen zu Brotmehl, Schrot und Malz mahlen, um es dann z. B. für Haus und Hof verbrauchen zu können. In früheren Zeiten herrschte oft nach Kriegen, in denen die Felder wüst nieder lagen oder durch Missernten bitterer Getreidemangel, so dass wiederholt große Hungersnot kam über die Leute kam.

 Die Stadt Grimmen in Vorpommern bot mit dem Trebel-Fluss und dem Höhenrücken zwischen Kaschower Damm und Stoltenhagener Straße außerhalb der Stadtmauern eine günstige natürliche Lage für den Mühlenbetrieb. Der Rat betrieb eine sorgsame Getreide- und Mühlenpolitik, damit die Grundernährung mit gewöhnlichem Brot für die Stadtbevölkerung gesichert werden konnte. Die Bedeutung des Mühlenbetriebs für die Nahrungssicherung ist auch heute noch an der Namensgebung innerhalb des Stadtbildes deutlich, so dass Straßen, Gewässer und Tore nach Mühlen benannt wurden: Mühlenbach, Mühlenstraße, Mühlentor (Triebseeser Tor) oder eine frühere Schlossmühlenstraße.

 Auch zum Schloss der Pommerschen Fürsten in Grimmen gehörte ursprünglich eine Mühle, die Herzog Philip I. 1546 der Stadt schenkte. Davor war der Schlossmüller eine durchaus beneidete Person in Grimmen, da er gegenüber den Stadtmüllern gewisse Vorrechte und Vergünstigungen durch seine vertraglich gesicherten Privilegien besaß. Eine zweite Windmühle stand am Kaschower Damm auf dem Lehm- bzw. Mühlberg. Sie wurde um 1600 erbaut.

 Seit Anfang des 18. Jahrhunderts hatte die Stadt je eine Wasser- und eine Windmühle in ihrem Besitz und verpachteten sie jeweils auf 5 Jahre an die Müller. Der Pachtwechsel wurde gründlich vorbereitet und mit exakter Inventarisierung vollzogen. Zum Termin erschienen der Bürgermeister, der scheidende Müller mit Zeugen und der antretende Müller mit seinen Beiständen; wenn man sich dann einig wurde, konnte der neue Mühlenkontrakt vollzogen werden.

 Erstmalige Nachrichten über diese beiden Mühlen gibt ein Inventar vom 2. April 1731, als der Müllermeister J. C. Kindt, vermutlich aus Triebsees, beide Mühlen pachten wollte. Damals war die Wassermühle vor dem „Mollen-Thor“ (Triebseeser Tor) in schlechtem baulichem Zustand. Streitigkeiten gab es insbesondere über den Bauzustand des Wasserrades. Der Rat entschied, dass sich der abziehende Wassermüller mit dem neuen Müller deshalb finanziell vergleichen sollte. Anschließend wurde die Wassermühle 1732 auf Ratskosten in Fachwerk und mit Ziegelsteinen bedeckt neu erbaut. Nach einem Inventar von 1743, wonach der Müller Johann Dorns aus Barth die Mühle pachtete, enthielt das Wohnhaus Wohnstube mit schwarzem Kachelofen auf steinernem Fuß, Schlafraum, Küche mit Schwippbogen-Ofen, Kammern und Pferdestall. Zwei Brücken waren außer der Brüstung in gutem Bauzustand.

 Die Windmühle wurde 1740 als Bockwindmühle mit Hausbaum und gutem Dach, Treppe, Ober- und Unterboden neu erbaut, sowie mit den dazugehörigen Wohnräumen für die Müllerfamilie. Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) wurde sie im Auftrag der schwedischen Regierung abgebrochen, weil der Müllermeister Niemann jun. mit den Preußen paktierte und bei ihnen Soldat wurde. An gleicher Stelle wurde sie 1764 wieder aufgebaut und leistete etwa 200 Jahr lang ihre Dienste, bis sie 1965 bereits baufällig abbrannte.

 1785 waren in Grimmen drei Müller tätig. Der Verdienst der Müller bestand in der so genannten Müllermetze, wonach dem Müller ein bestimmter Gewichtsanteil (Metze) vom Mahlgut (Mehl) zustand. Er wurde also zunächst mit Naturalien entlohnt und konnte durch Verkauf des Mehls oder Malz an die Bäcker, Brauer und Bürger weiteren Geldgewinn erzielen.

 Klagen über unzureichende Kundschaft kannten die Müller nicht, da ihnen nach den Stadtvierteln die Mahlgäste (zwangsweise) zugewiesen wurden. Müllermeister standen aber mitunter in einem unguten Ruf, dass sie es mit der Metze nicht so genau zu halten brauchten, weshalb sie durch einen Ratsvertreter kontrolliert wurden. Der kam dann unangemeldet zum akkuraten Nachmessen der genommenen Metze.

 Zusätzlich erhielt der Müller von der Stadt acht Morgen Ackerfläche zur eigenen landwirtschaftlichen Nutzung ohne Pacht, verteilt in der Hoikenrade, auf dem Mühlenplatz, auf den St. Jakob-Feldern und in den Sandkuhlen, und es war ihm erlaubt 2 Pferde ohne Gebühren zu halten. In Grimmen war er von der Einquartierung durch Militär und Kontribution (Kriegssteuerzahlung) befreit, sonstige staatliche und städtische Steuern wie Kopf- und Viehsteuer, Stadtschoß, Pfarrer- und Küstergebühren, hatte auch er zu entrichten.

 Dafür musste der Müller sich verpflichten, für kleine Reparaturen während der Pachtzeit selbst zu sorgen und bei größeren Arbeiten zumindest mit den Pferden Hilfe zu leisten. Oder, die Stadt lieferte das Holz, der Müller leistete den Schneidelohn. Empfindlicher trafen ihn dagegen die Mahlrechte des Rats. Die hohen Ratsherren und die Mitglieder der Deputationen konnten „metzenfrei“ in der Mühle mahlen lassen, sprich, der Müller erhielt von ihnen keinen Obolus.

 Der Arbeitsalltag war in allen Mühlen ähnlich. Die Kornsäcke wurden entgegengenommen, gezählt und gewogen. In der Stadt galt als einheitliches Getreidemaß der Landesscheffel. Der Scheffel war ein genormtes Hohlmaß und wurde unterteilt in kleinere Einheiten wie Metzen. Das Anheben, Buckeln oder am Flaschenzug Hochziehen voller Getreidesäcke war körperlich schwer, leichter wurde es erst mit den Elektromühlen nach 1900. Während des Mahlgangs musste immer wieder Korn aufgeschüttet werden, was der Meister streng kontrollierte. Das durchgelaufene Mahlgut wurde gesiebt und musste je nach Vermahlungsgrad wieder aufgeschüttet werden. Dann folgten das Abfüllen in Säcken und Abmessen, bevor das Mehl der Kundschaft übergeben werden konnte. Am Ende war die Mühle zu reinigen und periodisch die Wellenlager zu schmieren, verschlissene Teile auszuwechseln und in Abständen die Mahlsteine nachzuschärfen.

 In der Regel beschäftigte der Müllermeister 2 oder 3 Gesellen. Der Meister führte die Aufsicht, der erste Geselle (der Bescheider) war für die Annahme und Abgabe des Mahlguts verantwortlich, der 2. Geselle für den Mahlgang und ein Müllerbursche (Lehrling) für das Aufräumen und Fegen.

 Einen wichtigen Unterschied im Arbeitsprozess gab es zwischen Wind- und Wassermühlen. Wassermühlen konnten fast das ganze Jahr hindurch arbeiten, wenn die Wasserläufe in Ordnung waren, ausgeschlossen bei strengem Winter oder extremen Niedrigwasser im Sommer. Es kam auch vor, dass eine Wassermühle stillgelegt wurde, weil das Wasserbett ausgetrocknet war.

 Mit den Windmühlen war es weit schwieriger, sie waren jeden Tag von der Windkraft abhängig. Deshalb ließen die Windmüller bei günstigen Verhältnissen durcharbeiten, mitunter auch bei Nacht oder an Sonn- und Feiertagen.

 Von allen Grimmener Mühlen ist heute noch der Erdholländer des Müllermeister Willy Bentzien (1881 errichtet) mit technischer Einrichtung, die noch in DDR-Zeiten zum Schroten genutzt wurde, erhalten.



Autorin: Hannelore Kuna.

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