Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Glockengießer

Glockengießer


Glocken hatten für die Menschen schon immer eine hohe Symbolkraft. Seit Alters her läuteten Glocken zum Kirchgang, zur Einleitung von Fest- und Bußtagen, zum stillen Gebet, zu Hochzeit, Beerdigung, Dank- und Freudenfeiern, als Warnzeichen bei Feuer- und Hochwassernot, bei Unwetter und Sturm, bei feindlichem Einfall, in Kriegs- oder Friedenszeiten. Glockenguss gibt es seit dem 5. Jahrhundert, er wurde von Nordafrika nach Europa gebracht. In Deutschland kommen Glocken seit dem 8. Jahrhundert in Kirchen und Klöstern vor. Anfangs sahen sie noch klein aus, ähnelten in der Form eher Bienenkörben, waren teilweise aus Blech genietet oder wurden bereits gegossen. Die Glocken wurden anfänglich ausschließlich von Mönchen gearbeitet. Um 1200 entstanden die Zuckerhutform und hundert Jahre später die heute noch existierende Kelchform, dabei wurde die Glocke hoch und schmal geformt und mit einem Ring eingefasst. Ihr Gewicht konnte bis über 4000 kg betragen. Seit dem 9. Jahrhundert sind außer den (glockengießenden) Mönchen auch herumziehende Glockengießer bekannt und im 13. Jahrhundert übernahmen größere Städte den Glockenguss selbst, sie ließen Glockengießer sesshaft werden und benannten Straßen und Plätze nach dem Handwerk, wie in Rostock bekanntermaßen den Glockengießerhof oder in Lübeck die „Klokengeterstraße“.

 In einigen Städten bildeten die Glockengießer mit anderen Gießern des Metallhandwerks (Gelb-, Roth- oder Stückgießer oder den Beckenschägern u. a.) ein gemeinsames Amt, eine Zunft, von Rostock gibt es diesbezüglich keine Nachrichten.

 Der vermutlich älteste Nachweis eines Glockengießers in Rostock stammt aus dem Stadtbuch von etwa 1254 bis 1275. Personen benannten sich damals üblicherweise im Nachnamen nach ihren ausgeübten Berufen, so wurde ein Ludolfus Stormclocke sechs Mal hier erwähnt.

 In einer plattdeutschen Handwerkerkundschaft in Reimform aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts heißt es, das in Rostock „Saeven Klocken so daeglich schlan“. Zur damaligen Zeit besaß Rostock sieben Kirchen. Bei zumindest drei Glocken in den vier Pfarrkirchen und ein bis zwei Glocken für ein klangvolles Geläut in den anderen Gotteshäusern, besaß Rostock zu dieser Zeit eine stattliche Anzahl von Glocken. Warum es vermutlich so viele und verschiedene Kirchenglocken gab, erklärt die kirchliche und religiöse Praxis. Je nach Funktion und Gebrauch gab es die (kleine) Betglocke, deren Klang zum stillen Gebet und zur Andacht mahnte; die (laute) Frühglocke erinnerte morgens um halb 7 Uhr die Bürger an den eine Stunde später stattfindenden Frühgottesdienst; die Kindtaufglocke, die Totenglocke, die mächtige und größte Fest- und Hauptgottesdienstglocke usw. und jede Glocke bzw. das Geläut war am einmaligen Klang zu erkennen. Insgesamt sind die Glocken heute in Anzahl und Vielfalt nicht mehr nachweisbar, es sei denn, schriftliche Quellen verweisen darauf. Das Alter des Metalls führte zu Rissen und Sprüngen, so mussten die Glocken auch wieder umgegossen werden. Vor allem durch die jüngsten Kriegszeiten wurden viele alte Glocken vernichtet.

 Die älteste Glocke von Rostock besitzt St. Marienkirche, mit schöner Majuskelinschrift wurde sie um 1290 gegossen und sie ist heute zugleich eine der ältesten Glocken Mecklenburgs. Eine andere Glocke in St. Petri von 1554, aus St. Marien übernommen, stammt vom Glockengießer Hans Lavenpris.

 Die bekannteste Glockengießerei Rostocks im Spätmittelalter war die von Rickert de Monkehagen. Aus der berühmten norddeutschen Werkstatt finden sich Glockenarbeiten auch über die Stadtgrenze hinaus, was durchaus üblich war, denn Glocken wurden früher vor Ort gegossen, so war die Glockengießerei mitunter ein Wandergewerbe. Hilfskräfte wurden meist erst am Arbeitsort rekrutiert, entweder übernahm der Glockengießer per Kontrakt die Arbeit komplett oder die Gemeinden stellten selbst Rohstoffe, Material und Zubehör, inklusive Kost und Logis bereit. Arbeiten aus dieser Rostocker Glockengießerei existieren noch heute in Anklam, Baumgarten (1376), Burow (1442), Biestorf, Altentreptow (1431), Greifswalder Dom (Bet- und Professorenglocke 1440) oder im Schweriner Schloss (1464).

 1463 goss der Glockengießer Rickert de Monkehagen eine Bronzeglocke für die Klosterkirche der Zisterzienserinnen Rostocks. Entsprechend der Ordensregeln ist die Glocke klein und von geringem Umfang, sie bringt ca. 110 Kilo auf die Waage. Die lateinische Inschrift auf der Schulter der Glocke enthält das Baujahr (MCCCC LXIII) und den Spruch „o rex glorie christe veni cum pace“ (O Christus, Ehrenkönig, komme mit Frieden)“. Bei den Zisterzienserinnen verrichtete die Glocke die Zeitansage, die religiöse Uhr lief im Dreistundentakt, beginnend um 3 Uhr morgens gliederte sich so der Tagesablauf. Die Glocke ging nach der Reformation in den Universitätsbesitz über, erfüllte hier zeitweise eine Funktion, ging dann sozusagen aus technischen Gründen in Ruhestand und wurde am 11. September 2005 in der Universitätskirche nach der Restaurierung wieder in Betrieb genommen.

 Glockengießer hatten keine einfache Auftragslage und ihr spezifisches Arbeitsfeld änderte sich mit der technischen Entwicklung. Mit dem Aufkommen der großen Feuergeschütze fanden sie auch Arbeit in der Kriegstechnik. 1623 kamen nach Rostock 2 Glockengießer aus Lothringen, die dem Rat zwei Kartaunen (Kanonen) gießen durften. Das war eine langwierige Angelegenheit, denn der Herstellungsprozess von der Gussform bis zum Produkt war nicht einfach zu bewerkstelligen. Das Gießhaus stand damals am Rosengarten vor dem Steintor, davor auf der Lastadie. Sie brauchten den ganzen Herbst und Winter allein für die Anfertigung der Gussformen. Selbst für die Stadtbürger war das ein aufregendes Ereignis, unter großem Menschenauflauf gelang am 30. November 1624 der erste Guss, der zweite Versuch schlug jedoch völlig fehl, konnte aber am 19. Dezember erfolgreich wiederholt werden.

 Der Glockenguss unterlag durchaus einem besonderen Handwerksgeheimnis, Mischungen und Rezepturen blieben in der Familie, die immer vom Vater auf den Sohn übertragen wurde. Schließlich sollte jede Glocke unverwechselbar und dann noch abgestimmt mit den anderen Glocken des Gotteshauses klingen. Die Magie des Glockenklanges hielt das Handwerk am Leben, andererseits prägte sie den Alltag der Menschen im Laufe der Jahrhunderte.

 Das Glockengießerhandwerk und die Technologie verlangten einige technische Kenntnisse ab. Denn die Glocke erhielt ihren funktionellen und speziellen Ton durch die entsprechende Metallmischung in Form und Guss.

 In der Glockengießerwerkstatt befand sich in der Erde die mit Steinen ausgemauerte Gießgrube, mit Platz für eine oder mehrere Glocken und Platz für einige beim Guss beschäftigte Arbeiter. Zuerst mauerte man in der Grube den Kern aus Backsteinen und bewarf ihn dann mit Lehm, über den der Gießer die Schablone bewegte und setzte, bis der Lehm ganz glatt erschien. Auf diese Lehmschicht wurde das Glockenmodell (Dicke, Hemd) ebenfalls in Lehm aufgetragen und man brachte auf das Hemd die Inschriften und Verzierungen auf. Dieses Modell wurde mit einer Talgschicht überstrichen und dann wieder mit Lehm beworfen (Mantel). Der Mantel wurde abgehoben, das Lehmmodell entfernt, und der Mantel wieder der gleichen Lage nach über den Kern gesetzt, sodass in den entstandenen Hohlraum die Glockenspeise fließen konnte.

 Als Glockengut oder auch Glockenspeise verwendete man allgemein Bronze aus einer Mischung von 78 Prozent Kupfer und 22 Prozent Zinn. Doch im Einzelnen hinterließ der Glockengießer auch hierüber keine Nachrichten, das wurde exakt erst im 19. Jahrhundert durch chemische Analysen von altem Glockenmetall festgestellt.

 Natürlich gab es noch andere Dinge zu berücksichtigen. Die Schönheit der Glocke in ihrer Gestalt hing von der Schablone ab, auch sie war Eigentum und Geheimnis des Gießers, das von Generation auf Generation in der Meisterfamilie vererbt wurde. Neben dem Metall nahm das Profil der Glockenwandung, Rippe genannt, großen Einfluss auf die Klangqualität. Für die Herstellung der Gussformen (Hemd, Mantel) benutzten die Meister zur Festigung des kalkfreien Lehms Pferdemist, Kälberhaare, Ziegelmehl, Bienenwachs, Rindertalg, Hanf und Spreu, alles einheimische Materialien und zum Brennmaterial dienten Holz und Holzkohle.

 Als technisches Zubehör waren noch Klöppel, Joch, Jochlagerung, Glockenstuhl und Läutevorrichtung nötig. Manchmal kam es auch vor, dass alle beteiligten sich in den Maßen verrechneten, die Glocke war zu schwer geraten, die mangelnde Statik des Kirchturms hielt das Gewicht nicht aus und deshalb musste man separat neben der Kirche einen hölzernen Glockenstuhl aufrichten.

 War die Glocke gegossen, dann häufig unter großen Schwierigkeiten 80 Meter hoch hinauf auf den Turm in die Glockenstube befördert, konnte endlich richtig gefeiert. Die Glocke erhielt in allen Ehren die kirchliche Weihe und Segnung sowie einen Schutzpatron. Mit viel Hoffnung übergab die Kirchgemeinde sie ihrer Bestimmung, gerade so, wie es in Schillers Lied von der Glocke heißt: "... dies sei fortan ihr Beruf ... hoch überm niedern Erdenleben ... soll sie schweben.“ 

 Bekannte Rostocker Glockengießereien der Neuzeit waren die von Ernst Siedenbaum (etwa zwischen 1690 und 1710), die von Johann Valentin Schultze (um 1767) oder Johann Christian Haak (um 1837). Sie hinterließen mit Nachfolgerbetrieben zahlreiche Glockengüsse in Mecklenburg und in der Mark Brandenburg.

 Seit dem Jahr 1852 kamen Gussstahlglocken in Mode insbesondere von der Firma des Vereins für Bergbau und Gussstahlproduktion in Bochum. Bei beinahe gleichem Gewicht wie die bronzenen kosteten sie nur halb soviel Geld. Doch das geschulte, musikalische Ohr stellte schon einen gehörigen Unterschied zwischen einer Glocke aus Bronze oder aus Stahlguss fest. Viele Glocken gingen im 1. und 2. Weltkrieg durch die Kriegseinschmelzungen gänzlich verloren. Glocken zu Kanonen, das hatte schon Napoleon in seinen Kirchen vorgemacht. Mecklenburgische Glocken wurden noch Ende des 2. Weltkriegs in den Schmelzhütten Oranienburg und Hamburg-Wilhelmsburg zu Kriegszwecken eingeschmolzen.

In den Kriegsjahren von 1917 und 1940/1942 musste fast jede Gemeinde eine Glockenabschiedsfeier begehen, obwohl Pfarrer, Gemeindemitglieder und Denkmalpfleger sich nachhaltig für den Erhalt der Glocken einsetzten, denn sie galten immer schon als Wegbegleiter der Gemeinden. Gottes Wege sind unergründlich - ein gern strapazierter Ausspruch, aber so manche Glocke konnte doch auf wundersame Art und Weise hinübergerettet werden.   

Auf dem Beginenberg/Glockengießerhof erinnert seit 2008 eine Bronzeplastik von Thomas Jastram an die Glockengießertradition.

Autorin: Hannelore Kuna.


Warum läuten die Glocken?


Es gibt kaum einen Ort, ob Stadt oder Land, in unserer Region ohne ein Gotteshaus. Die Kirchen sind aus Feldsteinen oder Backsteinen erbaut, verputzt oder unverputzt. Ein Turm gehört dazu, vielleicht mit eckigem spitzen Aufsatz oder runden gedrungenem oder als schlanker Helm, manchmal auch nur mit einem verbretterten so genannten Notturm. Ihnen allen ist gleich, dass sie von weither sichtbar sind und als Erstes eine Ortschaft ankünden. Die Krönung der Kirche aber sind die Glocken, indem Sinne, dass sie mit ihrem schallenden Klang alle Leute erreichen, ob sie es wollen oder nicht. Die Glocken haben ihre Geheimnisse - manche wurden im Laufe der Zeit erforscht, bei anderen wird dies kaum mehr möglich sein oder ein schöner Zufall bringt eines Tages unwiederbringlich geglaubte Daten oder Namen hervor.

 Seit dem 8. Jahrhundert gehört das Läuten der Kirchenglocken zur Tradition des christlichen Abendlandes, es brauchte einige Zeit bis sie in jeder Kirchengemeinde Einzug hielten, sodass sie seit dem 13. Jahrhundert auch in der Uckermark durch Kirchenvisitationen oder in beweglichen Inventaren aufgeführt wurden. Dann waren sie nicht mehr aus den mächtigen Gotteshäusern wegzudenken.

 Mit dem Einzug der Glocken veränderte sich auch der uckermärkische Kirchenbau. Die Glocken brauchten hohe Türme, damit ihr Ton weit ins Ucker-Land schallen konnte. So musste ein hoher Turm zur Aufhängung der Glocken an den Langhäusern, Saalbauten usw. vorgebaut werden. Bei einigen Granitquaderkirchen der Uckermark aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts nahm der vorgebaute Turm sogar die ganze Breite des Kirchenhauses ein, was für die Baumeister eine Frage der Statik war.

Das Glockenläuten wurde von den Gemeinden aufgenommen und verschmolz mit ihrem Tagesablauf, ja regelte mitunter gänzlich den Tagesablauf und so taten die Glocken ihren Dienst all die Jahrhunderte hindurch. Vor der Reformation wurde täglich um 6, 12 und 18 Uhr geläutet, um ein Gebet abzuhalten. Zugleich markierte das Läuten den Beginn und das Ende des Arbeitstags sowie die Mittagspause. Der siebente Tag der Woche, der Sonntag, aber war ein besonderer Tag für alle Menschen, dann hielten sie einen freien Tag ein und die Glocke rief am Morgen zum gemeinsamen Kirchgang. Der Glockenklang nachmittags um 15 Uhr wiederum erinnerte symbolisch an die Sterbestunde Jesu. Doch nicht nur dies, die symbolische Kraft der unterschiedlichen Klänge der Glocken war von je her bedeutungsvoll und lebendig für das Zusammenleben. So war es religiöser Brauch, dass jede Station des menschlichen Lebens mit einem Glockengeläut feierlich verkündet und verbreitet wurde, zum Beispiel zur Taufe, anlässlich der Trauung oder zur Beerdigung auf dem letzten Gang. Die Dauer vom Läuten aber hing ab vom sozialen Stand und dem dazugehörigen Geldbeutel. In der Regel wurde der Küster oder der Kirchendiener für das Glockenläuten bezahlt, es gehörte zum vertraglich festgelegten Einkommen.

 Freud und Leid wurden also gleichermaßen verkündet, genauso wichtig waren die Glocken im Notfall: Bei Wetterkatastrophen, bei Feuersbrünsten oder zu Kriegszeiten, dann zog man das Geläut, um Hilfe zu rufen. So begleitete der Glockenklang die Menschen über die Jahrhunderte hindurch, manche Traditionen verschwanden seither, andere blieben erhalten oder wurden wieder entdeckt. Doch der Ton der Glocken wirkt noch immer wundersam. Oft sieht man dann die Leute hoch zum Kirchturm schauen, um dem Klang zu zuhören oder womöglich zu erfragen: Warum läuten die Glocken?


Autorin: Hannelore Kuna.


Was die ältesten Glocken erzählen?



Im Kirchturm von Tornow befindet sich eine mittelalterliche Glocke, die von besonderem Wert ist. Sie gilt nicht nur als die älteste datierte Glocke der Uckermark, nein sie gehört ebenso zu den fühesten Glocken im Land Brandenburg. Nach der Inschrift wurde sie am 9. Juli im Jahre 1276 gegossen, in schlanker gotischer Form und trägt am langen Felde die Gießer-Inschrift: „Magister Me fudit Th. Anno Domini 1276, nonis Julii“.

 Noch älter als die Tornower Glocke sind nur die märkischen Glocken von Rottstock (Brück) aus dem Jahr 1248 und die Dahnsdorfer Glocke von 1220. Eine für die Uckermark gleichfalls sehr alte Glocke befindet sich in Meichow. Die Glocke von 1300 hat eine römische Majuskelinschrift: O rex glorie.

So wie die mächtigen Kirchenbauten sich im Laufe der Jahrhunderte veränderten, die Baumeister neue Ideen in Baumaterialien und Formen einfließen ließen, änderten sich mit ihnen auch die Glockenformen in den kunsthistorischen Perioden. Die romanische gedrungene Bienenkorbform der frühen Glocken wurde abgelöst von der schlanken Zuckerhutform der Gotik wie in den Dorfkirchen Beenz, Dedelow, Gollmitz, Menkin oder Zernikow.

Leider gibt es über die Gießer des 13. Jahrhunderts nur wenige Hinweise. Doch findet man erstmals, wenn auch nur vereinzelt, Glocken mit Inschriften am Glockenhals oder auf der Flanke, manchmal ist sie auch mit feinem Zierrat ausgestattet. Jede noch so geringe Spur aus der Herstellungszeit ist wertvoll und kann über einen langen Forschungszeitraum mitunter ergänzt werden. Meist aber bleiben mehr Fragen als Antworten und auch das zu akzeptieren gehört zu den alten Glocken.

Das Entziffern der Inschriften und die verschiedenen Zeichen erfordern immer eine Zeitreise in die Vergangenheit. Die Buchstaben wurden anfangs in gotischen Majuskeln dargestellt, so wie es auf anderen steinernen Zeugnissen dieser Zeit gebräuchlich war, wie z. B. auf Grabplatten, die sich in vielen Gotteshäusern in den Fußböden oder an den Wänden finden lassen. Ab dem 16. Jahrhundert findet man die Inschriften als Minuskeln in Groß- oder Kleinbuchstaben gearbeitet. Für die Jahreszahlen wurden meist römische Ziffern eingearbeitet. Die Carmzower Glocke aus dem Jahr 1546 weist hier eine Besonderheit auf, hier wurden römische Ziffern mit arabischen Zahlen gemischt. Diese Bronzeglocke im Durchmesser von 1,02 m ist von den Gießern Martin Schröder und Thomas Brüggemann aus Stettin gegossen worden.

Fehlen jedwede Inschriften, sind das Gussjahr oder gar Namen des Glockengießers kaum mehr zu ermitteln. Die Zeitperiode kann dann nur annähernd kunsthistorisch aus der Glockenform oder aus anderen historischen Hinweisen in Urkunden oder Akten bestimmt werden. Mit dem 13. Jahrhundert nimmt die Zahl der Glocken-Datierungen für die Uckermark zu.

Die Glockengießer selbst begannen die Buchstaben in Wachsstockfäden auf das Glockenhemd zu legen, wodurch manche Unregelmäßigkeiten, Willkürlichkeiten im Schriftbild oder individuelle Ausdrucksweisen nicht auszuschließen waren. Es gibt Glockeninschriften die spiegelbildlich, also verkehrt herum lesbar dargestellt wurden. Dies wurde so vorgefunden auf einer Glocke in der Kirche zu Dedelow aus dem Jahr 1400. Diese Glocke war von einfacher Form, ohne Verzierungen, wog 10 Zentner und musste schwer beschädigt 1835 umgegossen werden. Kenntnis von der Glocke haben wir allein durch die Umsicht des damaligen Stettiner Archivars und Historikers, Baron Friedrich von Medem (1799-1885), der die Inschrift und die Glockenform für die Nachwelt erhalten wollte und sie daher nachzeichnete. Medem erwies sich weitsichtig mit seinem Tun. Er wusste sehr wohl, dass ein Umgießen dieses alten Stückes zugleich den Verlust der originalen Glocke bedeutete. Das war immerhin zu einer Zeit als der Denkmalschutz erst am Anfang der Entwicklung in Preußen stand, heute spricht der Fachmann beim Umgießen der Glocke rigoros vom Tod der Glocke, betont damit den unwiederbringlichen historischen Verlust. – Für die Gemeinde jedoch, die eine neue Glocke bestellt und lange dafür Geld gesammelt hatte, bedeutete sie eine Freude und einen feierlichen Höhepunkt zugleich. Und genauso wurde dieses Ereignis von je her zelebriert. Glanzpunkt jeder neuen Glocke ist bis heute die Glockenweihe mit erstmaligem Läuten und es bedeutet in jedem Fall ebenso eine Prüfung der Gießer. Denn es kommt immer auch auf den Ton der Glocke an!


Autorin: Hannelore Kuna.



Güstrows Glocken


Die älteste Glocke der Stadt Güstrow ist heute noch in der Pfarrkirche St. Marien zu hören. Die bronzene Taufglocke mit einem Gewicht von rund 700 kg und einem Durchmesser von 1044 mm wurde 1425 gegossen und stammt nach den jüngsten Forschungen aus der Rickert de Monkehagen-Werkstatt zu Rostock. Diese mittelalterliche Glockengießerwerkstatt war im Ostseeraum sehr bedeutend. Vermutlich läutete die Glocke ursprünglich in der St.-Jürgens-Kapelle und erst nach dem Abbruch der Kapelle gelangte sie kurz nach 1500 in die St. Marien-Kirche. Die folgenden drei Glocken für St. Marien, die inzwischen durch neue ersetzt wurden, entstanden von Wismarer, Rostocker und Warener Glockengießer (Bincke 1600, Siedenbaum 1731, Illies 1854). Die zweitälteste Glocke im Kirchenkreis hängt im hölzernen Glockenturm der Kirche zu Rosin, sie wurde um 1450 gegossen. Auch die größere Glocke der Kirche in Tarnow, mit einem Durchmesser von 1,20 m, trägt das Gießerzeichen von Monkehagen. Die zweite Glocke ist ohne Inschrift oder ein Gießerzeicher. Die dritte Glocke enthält die Inschrift Lange. Pastor und ist vermutlich von N. P. Lofberg zu Güstrow 1751 gegossen worden.

 Über die ältesten Glocken im Güstrower Dom gibt es wenige Nachrichten aus schriftlichen Quellen. Nach Gustav Thiel’s Beschreibung der Domkirche von 1726 gab es eine alte Glocke von 1482, die Marien-Glocke, mit ihr wurden die katholisch-mittelalterliche Marien-Feste eingeläutet. Sie wurde wohl auch Seiger-Glocke genannt, weil sie zur vollen Stunde anschlug. Sie soll am bekam 7. November 1700 einen großen Riss bekommen haben, sodass sie am 22. Juni 1701 in eine neue Glocke umgegossen werden musste. Eine 1761 gegossene Glocke von 3350 kg Gewicht aus dem Dom wurde 1998 in einer modernen Glockenschweißerei repariert. Mit solchen alten Kulturschätzen muss sorgsam umgegangen werden.

 Je nach Anlass wurden die Glocken geläutet und verkündeten weithin ihre Nachricht. Z. B. nach dem Tod der verwitweten Herzogin Magdalena Sibilla zu Güstrow, der Gemahlin von Herzog Gustav Adolfs, die am 22. September 1719 verstarb, erklangen auf hohem Befehl ab 15. Oktober 1719 die Glocken. Auf 6 Wochen lang wurde täglich auf zwei Stunden von 11 bis 12 Uhr vormittags und von 3-4 Uhr nachmittags geläutet.

 Für die Pfarre war das Begräbnisläuten eine bedeutende Einkommensquelle zum Unterhalt des Gotteshauses und zur Besoldung der Pfarrer, des Kantors, des Küsters usw. Um 1700 kostete in Güstrow ein Läuten von der Domkirche mit allen Glocken 4 Taler, mit 2 Glocken 2 Taler und mit einer Glocke einen Taler. Im Jahr 1703 erbrachte das Glockengeld an der Domkirche insgesamt eine Summe von 85 Gulden.

 Während der Kriegsjahre durfte die Pfarrkirche St. Marien von ihren vier Glocken nur die älteste behalten, zwei kleinere Glocken aus der Turmlaterne mussten abgegeben werden. Die Glocken I bis III wurden 1950 in der Apoldaer Glockengießerei von Schilling und Lattermann aus Stahl neu gegossen und 1951 feierlich geweiht. 


Autorin: Hannelore Kuna.

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