Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Grapengießer
Die Grapengießer (de Gropengether) waren Buntmetallhandwerker, sie verarbeiteten Bronze sowie Kupfer und Zinn zu Kesseln, Töpfen und ähnlichen Gerätschaften. Mit den Grapengießern waren die Gewerke der Kannengießer und Apengether bzw. Rotgießer verwandt. Grapengießer (lat. fusores ollarum) lassen sich bereits im dreizehnten Jahrhundert in einigen mecklenburgischen Städten nachweisen. In Rostock wird im Jahre 1259 eine Fredericus gropengethere erwähnt und 1299 an Johann den Grapengießer ein Erbe neben der Badestube zu St. Peter verkauft und in Malchow wird im Jahre 1287 Tumarus, ein Grapengießer (fusor ollarum) als Zeuge bei einem Verkaufsgeschäft namhaft gemacht.
Ob die Grapengießer in Rostock schon im 13. Jahrhundert ein eigenes Amt bildeten oder alsbald mit den Kannengießern vereinigt waren, kann nicht mit Gewissheit bejaht werden; jedenfalls müssen sie in Rostock um 1279 zahlreich gewesen sein, weil eine Straße, die grapenghetere strate und ein Strandtor nach ihnen hieß. Die Grapengießerstraße existiert teilweise noch heute, aber mit anderer Straßenführung; damals verband sie die Lange Straße mit dem Grapengießertor (in Turmform) und kreuzte auf dem Wege die Große Lastadie (heute Lastadie) und Aalstecherbruch (heute Aalstecherstraße). In Höhe des Grapengießertors befanden sich die Werftplätze der Lastadie und vor dem Tor auf dem Strand ein Teerhof.
Nach dem Rostocker Kämmereiregister mussten Grapengießer oder Grapenhändler 1325 von jeder Verkaufsstätte, die sie führten, regelmäßig einen Jahreszins von acht Schillingen entrichten.
Die erste Nachricht von einer Grapengießerzunft ist von 1340, schon 1361 sind die Grapen- mit den Kannengießern in einem Amt vereinigt, von 1482 und 1558 sind im Rostocker Stadtarchiv Abschriften von Zunftrollen der gemeinsamen Grapengießer- und Kannengießerzunft überliefert. Amtsbücher der Grapengießer und Kannengießer sind von 1575-1865 erhalten, danach wurde das Amt aufgehoben.
Das emsige und lebhafte Werkeln der Grapengießer führte zu überregionalen Vereinbarungen im Rahmen des Hansebundes. So wurden zwischen den Grapengießern von Hamburg, Lübeck, Rostock, Stralsund, Wismar, Greifswald und Stettin in den Jahren 1354 und 1361 Verträge abgeschlossen, um unter anderem die Metallmischung der Erzeugnisse genau festzulegen. Das sollte die Qualität der Produkte, die Beschaffung von Materialien, den Marktverkehr und den guten Ruf ihres Gewerks sichern und befördern. In den Hansebeschlüssen von 1354 sind strenge Regeln für die Wanderschaft der Gropengethergesellen enthalten, nämlich, dass die Gesellen vor dem Fortgang aus der Stadt, um anderswo zu dienen, den „stadbref“ erwerben sollten und worin stehen sollte, dass sie sich gut „ghehandeld“ (geführt) hätten. Andernfalls sollten die Gesellen keine Aufnahme bei den Meistern in anderen Städten finden. Bekanntermaßen gab es solche schwarzen Schafe überall und so mancher Geselle rang lange Zeit um die Wiederherstellung seines Rufes vor dem Altermann (Gewerkältester) und nicht selten auch vergebens. Die Handwerkerehre hatte redliches Gewicht in der Bürgerschaft und vor dem städtischen Rat.
Die Grapengießer wollten ihre Produkte in eigenen Werkstätten verkaufen und selbst mit den gefertigten Waren zu Markte ziehen, natürlich um den Absatz zu sichern. Deshalb erhoben sie gegen den Verkauf der Grapen durch die Kesselflicker (ketelbütere) Protest und erreichten 1367 einen Beschluss. 1376 musste jedoch die Vereinbarung in Stralsund erneuert werden, da sich scheinbar die Kesselflicker kaum an die geltende Abmachung hielten.
Fabrikate der Grapengießer wurden aus Bronze oder Kupfer unter einem Zusatz von Zinn, oder ganz aus Eisen, hergestellt. Zum Guss des Metalls wurde eine Form, die häufig aus Lehm, Bienentalk, Hanf, Spreu usw. bestand hergestellt. In die Formen wurde das Metall gegossen und je nachdem entstanden große Kessel, flache Tiegel und vor allem, der typische (norddeutsche) kugelförmige Topf mit zwei Henkeln und drei Füßen. Den dreibeinigen Topf konnte man bequem auf die Feuerstelle setzen ohne das er umfiel. Er brauchte nicht mehr an einer Kette über der Feuerstelle gehängt werden. Das Besondere an diesen Grapen, wie sie benannt wurden, war das Material, denn für die Speisenzubereitung und ebenso in kugelförmiger Form gab es lange vorher die tönernen Kochtöpfe. Das neue Material veränderte auch die Kochgewohnheiten, zwar war es schwer und robust, doch der Braten wurden schnell heiß und gar und die Wärme hielt nachhaltig. Mit diesen Metalltöpfen wurde der im späten Mittelalter so beliebte „Grapenbraten“, ein kräftig gesottenes Fleischgericht, zubereitet. Solche Küchengerätschaften fehlten in keinem adligen, bäuerlichen oder städtischen Haushalt und sie wurden nunmehr vielfältiger: Es gab Grapen zum Kuchenbacken, den Kuchengrapen, oder Grapen zum Branntweinbrennen. Sehr bekannt waren die Swien-Grapenbraden, der traditionelle Schweinebraten; aber das war schon eine Besonderheit, da für den damaligen Normalverbraucher allerhöchstens bis zweimal die Woche Fleisch auf den Tisch kam. Meist gab es in Mecklenburg nur sonntags und mittwochs Fleisch und die Fleischtage fielen an den vielen religiösen Fastentagen dazu noch aus. Für den Bauern galt:„Gausbrad sall de best sien, un Swiensbrad is' t“ (Gänsebraten soll der beste sein, und Schweinebraten ist es). Zu großen Festlichkeiten tischte man in alter Gewohnheit noch einen besseren Grapenbraten auf, der sollte dann ein Rindsbraten sein, zum Beispiel zur Brutkost anlässlich von Hochzeiten, für die Amtskost bei Vergabe des Meistertitels für einen Handwerker oder bei der Ratskost zur Amtseinführung neuer Ratsmannen.
Bei archäologischen Grabungen wurden gelegentlich verschiedenste Grapen aus dieser Zeit aufgefunden, aber häufiger lassen sie sich in schriftlichen Quellen insbesondere in Testamenten, Erbschaften, Heiratsmitgiften usw. nachweisen. Solche Grapen gehörten immer zum Hausrat und hatten einen soliden Wert, der sehr geschätzt wurde. Das gilt sowohl für das Inventar von Privatpersonen wie das von öffentlichen Einrichtungen der Städte oder Klöster. So ist 1284 im Rostocker Stadtbuch ein Vertrag enthalten, nach welchem die Stadt 2 „ollas“ (Grapen) im Gewicht von 3,5 Schiffpfund übernahm. Das Doberaner Kloster besaß im Jahre 1312 „unam magnam ollam“ im Wert von 24 Mark und „sex ollas mimutas“, zusammen im Wert von 2 Mark und in dem Vermächtnis einer gewissen Frau Wobbe zu Rostock an die Franziskanermönche in Rostock sind „ollae majores et minores“ (größere und kleinere Grapen) vererbt worden. Dietrich, der Pfarrer zu St. Peter in Rostock hinterließ im Jahre 1345 seinem Nachfolger „1 ollam et unum caldarium auricalceum“ (für ein Warmbad). Es scheint, die Grapengießer damals haben für die Ewigkeit gewerkelt.
Aus Estland stammt ein altes Sprichwort, das aber keinesfalls für Mecklenburg zutrifft. Die Esten sagten, dass der Tontopf, in dem die Gutsfrau einmal gekocht hat, stolzer sei, als der eiserne Grapen, in dem die Bauersfrau alle Tage kocht. Der mecklenburgische Grapen jedenfalls wurde in allen Ständen wegen seiner guten Nutzbarkeit und Haltbarkeit geschätzt.
Der Grapen war im Norden Deutschlands im Grunde ein Allerweltsgerät und von daher fand er weiteren Eingang in die Kulturgeschichte sowohl im weltlichen wie sakralen Leben. Zwei Beispiele seien hier noch angeführt:
Eine der ältesten pommerschen Adelsfamilien benannte sich nach dem Grapen, das waren die Herren von Grappe (auch Grape), die ebenso in Mecklenburg Güter erwarben, sie führten einen Grapen im Adelswappen.
In der spätmittelalterlichen christlichen Malerei erhielt der Grapen auf drei Beinen bei der Darstellung des heiligen Erasmus in den Kirchen von Bernitt, Gänschenburg, Granzin, Neustadt-Röbel, Kavelsdorf und anderen Gotteshäusern die Rolle eines Attributs.
Autorin: Hannelore Kuna.