Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Graveur

Graveur


Weitläufig gehörten Graveure dem metallbearbeitenden Handwerk an, die mit ihren technischen und künstlerischen Fähigkeiten die feineren Oberflächenarbeiten durch ritzen und sticheln usw. ausführten. Ursprünglich fertigten hauptsächlich Goldschmiede feine Gravuren auf ihren Gold- und Silberarbeiten. Heute ist es immer noch so, dass Gegenstände des täglichen Gebrauches wie Schmuck und Dekorationsgegenstände ebenso einmalige Objekte wie Gedenkmünzen oder Pokale mit Schriftzug, Ornamenten oder übertragene Motive für Briefmarken und Banknoten z. B. durch technisch entwickelte spanabhebende Verfahren auf Druckplatten ausgeführt werden. Doch die Gravur in Ringen jeder Art, am traditionellsten wohl im Ehering, als Zeichen der in Liebe verbundenen Zugehörigkeit, ist seit alters her allgemein bekannt und Ringe werden immer noch gerne verschenkt.

Auch die Rostocker Handwerksämter beauftragten ihren Goldschmiedemeister auf den Gewerks-Pokalen und „Willkomm“ (Willkomm der Bäckerinnung vom Rostocker Goldschmied Marcus Hoyer, 1572-1619) den Namenszug des Amts und das Datum (1553) einzugravieren. Der Arbeitsaufwand war besonders zeitmäßig hoch, so dass oft nicht nur der Meister allein daran arbeitete, sondern seine geschickten Gesellen die Arbeit vollendeten. Vermutlich liegt hierin auch einer der Gründe, dass die Gesellen wegen solcher Nachbearbeitungen und Nebentätigkeiten als Goldschmiede- und Silberarbeiter bezeichnet wurden. Manch ein altes Stück ist mit feinen Eingravierungen von Namen, Daten oder künstlerischen sowie religiösen Motiven in den Museen und Kirchen bis heute bewahrt geblieben und erzählt eine eigene Geschichte. Oft wollten sich die Spender von kostbarem Kirchengerät wie Abendmahlskannen, Krankenkelch, Patenen, Oblatendosen usw. sich darin mit ihrem Namen oder Wappen verewigen.

 Tatsächlich beschäftigten sich mit Gravuren in Metall verschiedene Berufe wie die Kupferstecher und die Petschierer, sie hatten ihren ganz speziellen Bereich. Künstler schufen mit Peintre-Graveurtechniken nach eigenen Entwürfen hochwertige Originalgrafiken. Solche berühmten Maler, wie z. B. Rembrandt und Dürer, arbeiteten als Stechmaler (Graveur) und Grafiker zugleich. Dagegen arbeiteten die handwerklichen Graveure meist nach Vorlagen der Kundschaft, ebenso gaben sie die Werke anderer Künstler als Stiche oder Radierungen wieder.

 Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts konnte sich das Graveurgewerbe innerhalb des Goldschmiedehandwerks zu einem selbstständigen Handwerkszweig ausbilden. Das städtische Handwerk wurde bereichert, denn der Besitz von persönlichem Schmuck hielt Einzug in bürgerliche Haushalte. Schmuck wurde einerseits preisgünstiger und vielfältiger angeboten auch durch industrielle Fertigung, andererseits ermöglichte die individuelle, finanzielle Lage die Anschaffung von Luxusgegenständen.

 So wurde 1832 in Rostock in der großen Wasserstraße 12 das erste Gold- und Silberwarengeschäft gegründet, das ab 1894 in der Familie Diecken bis 1945 weitergeführt wurde. 1897 war der Laden in die Steinstraße 8 verlegt worden und 1930 entstand ein Zweiggeschäft in der Kröpeliner Straße 12.

 1869 gründete der Goldschmied August Ernst Christian Gottschalk (geboren am 21. September 1840) ein Juweliergeschäft in der Langen Straße. Dieses Geschäft wurde 1878 zum Hopfenmarkt 21 verlegt. 1905 wurde der nachfolgende Sohn und damalige Inhaber Friedrich Wilhelm Julius Gottschalk zum Hofjuwelier erhoben.

 1885 gründete der Goldschmiedemeister Louis Testorff in der Breite Straße 16 ein Geschäft, das 1894 nach dem eigenen Grundstück Breite Straße 22 verlegt und 1900 vergrößert wurde. Diese Juweliergeschäfte und noch etwa vier weitere Schmuckläden meist in Kombination mit Uhrenverkauf bestanden bis nach 1940. Die Leute konnten die feinen Gold- und Silberarbeiten, mit und ohne Edelstein, in den beleuchteten Auslagen bewundern und sie mit eigenen Gravuren versehen lassen. Die Eingravierung markanter Daten: der Tag der Schenkung, der Namenszug des edlen Spenders oder der Anlass (Verlobung, Heirat), gaben dem Schmuckstück stets einen persönlichen Wert. Mithin erhielt der Graveur Arbeit und die führte dazu, dass weitere Anstellungen in Juwelierläden erfolgten. Das größte finanzielle Geschäft wurde mit den Trauringen erreicht, so hatten beispielsweise die Tresdorff-Trauringe in Rostock noch 1940 einen guten Ruf. Entscheidend war damals wie heute das Bedürfnis der Kundschaft nach Namensgebung, Personalisierung usw. des edlen Kaufstücks. Und dabei erlebte die neue Branche wechselhafte Zeiten, worüber schon eine ältere Rostocker Statistik Auskunft gibt: Innerhalb von 9 Jahren, von 1856-1866, nahm das Graveurgewerbe in der Seestadt um eine Meisterstelle ab, während das Gewerbe der Vergolder um 3 Meister zunahm.

 Über Rostocker spezialisierte Graveure aus früheren Jahrhunderten ist wenig bekannt, dafür gab es ja die Goldschmiedewerkstätten, die jedwede Gravierungen durchführten. Eine Ausnahme, wenn auch eine unrühmliche, bildete hier jedoch ein skandalöser Fälscherfall, der überliefert wurde und allgemeine Aufmerksamkeit erfuhr. Es war Mitte November 1559, als in Rostock der bislang unbescholtene Graveur Lamprecht Albrechts verhaftet wurde. Er war kein Einheimischer, er war aus Hasselt dem Herzogtum Geldern zugewandert und arbeitete schon einige Jahre in der Seestadt. Nun war er in Verdacht geraten sich angeblich der Wahrsagerei und Zauberei zu bedienen, wofür er angezeigt wurde. Bei der durchgeführten Hausdurchsuchung fielen den Polizeibütteln eher zufällig mehrere Abdrücke alter herzoglich mecklenburgischer Siegel in die Hände, wodurch ihm nunmehr der Verdacht der Urkundenfälschung zur Last gelegt wurde. Bei diesen Abdrücken handelte es sich bei näherer Betrachtung um Nachstiche der Siegel von Herzog Albrecht III., Heinrich IV. und Magnus II., die harten polizeilichen Verhöre bestätigten den unerhörten Verdacht. Der Albrechts gab schließlich zu, dass im vergangenen Sommer der seinerzeit hoch angesehene Rostocker Notar Namens Wilhelm Ulenoge „im Auftrag des herzoglichen Hauses“ die Reproduktion der Siegel bei ihm bestellt habe. Der Albrechts gab vor keine Kenntnis von unlauteren, geschweige denn, kriminellen Absichten gewusst oder gar unterstützt zu haben. Für ihn sei entscheidend gewesen, im Auftrage des herzoglichen Hauses arbeiten zu dürfen. Nunmehr war das Interesse der Gesetzeshüter gänzlich geweckt und die anschließenden Ermittlungen ergaben, dass hier tatsächlich ein großes Betrugsunternehmen mit alten Urkunden geplant war, dessen sich der Notar bedienen wollte. Mit Hilfe der nachgemachten Siegel sollten etwa 109 Urkunden zugunsten adliger Herrschaften gefälscht werden. In ganz großem Stil war z.B. die adlige Familie von Moltke vertreten, die auch Toitenwinkel bei Rostock ihr Eigentum nannte. Nach polizeilicher Untersuchung wurde der Skandal aufgedeckt und der „ehrenwerte“ Notar ergriff eiligst die Flucht. Jedoch lag das Interesse auch höheren Ortes den Fall vollständig aufzuklären, so dass auf Initiative der herzoglichen Regierung und des Rostocker Rats der Flüchtende alsbald aufgegriffen wurde. Nach „peinlichen Gerichtssitzungen und Folterungen wurde er zum Tode verurteilt wurde. Dieser Kriminalfall erregte nicht nur die einheimischen Gemüter, was jedoch aus dem Graveur Lamprecht Albrechts wurde, blieb unbekannt.

Autorin: Hannelore Kuna.

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