Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Hauszimmermann

Hauszimmermann


Die Zimmermannsgesellen pflegen bis in die heutige Zeit hinein den Brauch der Wanderschaft, genau genommen wurde er von abenteuerlustigen Burschen wieder belebt. Auf der Wanderschaft führen sie oft das so genannte Bundgeschirr mit, das sind Bund- und Stichaxt, Winkel Stemmeisen und Klöpfel sowie die Handsäge. Jedermann kann sie erkennen an ihrer „zünftigen“ Kleidung, an den schwarzen ausgestellten Manchesterhosen, der Manchesterjacke, einer schwarzen Weste mit Perlmutknöpfen und weißem Hemd. Der schwarze breitrandige Schlapphut wurde allerdings erst um 1900 üblich.

Dieser Berufsstand wurde früher allgemein als Hauszimmermann bezeichnet, auch um ihn vom Schiffszimmermann, den Bootsbauern zu unterscheiden. Allgemein sprach man auch von Zimmermann und Zimmerleuten, lat. carpentarii, die seit dem 13. Jahrhundert in Pommern urkundlich erwähnt werden.

1498 erteilte der Rat zu Greifswald seinen Zimmerleuten die Amtsprivilegien.

Nach einer Magistratsresolution der Stadt Usedom von 1694 arbeiteten hier 2 Meister. Am 26. Juni 1749 wurden die Statuten des Amts der Zimmerleute zu Ueckermünde bestätigt.

Demmin hatte 1790 2 Zimmerleute aufgeführt. 1797 legte sich das Amt der Zimmerleute in Lassan ein Amtssiegel zu, 1854 wurde deren Amtsrolle erneuert. Lassaner Zimmerleute wiesen um 1800 einen guten Ruf im Bauhandwerk nach. Die Meister und Gesellen fertigten Bauten in der weiteren Umgebung, bis nach Rügen und auf die Insel Usedom an.

Die Lehrzeit bei den Zimmerleuten im Jahr 1776 betrug nachweislich 3 Jahre. Vor der Lossprechung wurde der Lehrjunge „wegen des Lesens, Schreibens und Katechismi“ geprüft und ermahnt „dass er Gott fürchten und vor Augen haben, und in seinem Gesellenstand sich christlich und ehrbar aufführen, vor liederlicher Gesellschaft, Spielen, Saufen, Huren, Stehlen und anderen Lastern sich hüten und seinen künftigen Meistern treu und fleißig dienen und denselben gebührenden Respekt erweisen soll.“ Nach Abschluss der Lehre hatte der Geselle drei Wanderjahre zu absolvieren um danach als Polier arbeiten zu können.

Die frühesten Hausbauten waren wesentlich mit heimischen Materialien in Holzfachwerk ausgeführt, wozu der Zimmermann die tragende Holzständer-Konstruktion und den hölzernen Dachaufbau lieferte. Ohne die tüchtige und maßgenaue Holzarbeit des Zimmermanns ließ sich kein Haus errichten. Im Laufe der Zeit entstanden mit dem Städtebau auch die Spezialisierungen für Brunnen-, Brücken und Militärbauten. Bei der Einrichtung der Wasserversorgung mussten z. B. hölzerne Schachtbrunnen oder eine zentrale hölzerne Röhrenleitung (Pipen-Leitung) gebaut werden.

Mit dem Einzug der backsteinernen Häuser und den Backstein-Kirchen ging die Bedeutung des Handwerks zugunsten vom Maurer, Kalkbrenner und Ziegler zurück. Die Hansestädte gewährten seit dem 14. Jahrhundert eine finanzielle Hilfe für sogenannte Baulustige, wenn bei einem Hausbau der Giebel aus Stein gezogen wurde. Denn die in Fachwerk gehaltenen Holzhäuser sowie die Scheunen und Speicher hatten sich über die Jahrhunderte als eine große Gefahr für Stadtbrände erwiesen. Auch um der allgemeinen Sicherheit willen veränderten sich die Bauverordnungen der Städte, sodass zunehmend feste Ziegelbauten entstanden. Doch blieben die Zimmerleute stets in Lohnarbeit gefragt.

Zimmerleute mussten sich gut mit dem Gebrauchsmaterial Holz auskennen. Kenntnisse über Eigenschaften, Tragkraft und Widerstandsfähigkeit gegen Witterungseinflüsse der einheimischen Hölzer wie Eiche, Kiefer, Lärche, Fichte oder Tanne waren notwendig. Ein jeder Meister pflegte seine eigenen Methoden, um die Qualität des Holzes herauszufinden und zu prüfen. Für den Klangtest ließ der Meister seinen Gesellen an einem Stammende mit der Axt klopfen und er selbst hörte am anderen auf den Klopfschalls. Kam der Ton schnell und kräftig an, so sollte es sich wohl um gesundes Holz handeln.

Zum Meisterbetrieb gehörten ein Zimmermannsplatz, wo das Holz gelagert wurde und eine geräumige Werkstatt. Auf dem Arbeitsplatz wurden grobe und sperrige Bauteile bereits exakt zusammengefügt und gekennzeichnet, damit sie sich vor Ort möglichst zügig zusammensetzen ließen. Um den An- und Abtransport sicher auch bei schlechten Witterungen durchführen zu können, befand sich der Platz so gut es ging in der Nähe einer festen Straße. In der Werkstatt fertigte man die notwendigen kleineren Hausbauteile an wie Fenster und Türen.

Die endgültige Schlussarbeit vollzog sich auf der Baustelle, wo die teilweise vorgefertigten Holzteile eingebaut wurden, dann erwies es sich, wer ein wirklich guter Zimmermeister war. Die Baulustigen merkten sich das sehr wohl und holten sich bei schlechter Arbeitsleistung einen Meister von auswärts. Stand das Gebäude in den Grundfesten, so wurde das traditionelle Richtfest mit Richtbaum und Krone begangen. Ursprünglich war die Feier nur den Zimmerleuten gewidmet, dieser Höhepunkt war mit dem Aufrichten des letzten Sparrens und dem Einschlagen des letzten Sparrennagels verbunden. Die Hammerschläge standen von alters her dem Bauherrn zu. Das Anbringen der Richtkrone wurde begleitet mit lauten Gesängen und Hochrufen der Handwerker. Ein Zimmermann sprach vom Dachstuhl aus den Richtspruch und hielt eine Lobrede auf den Bauherrn und natürlich auf die Bruderschaft.

Bei vielen (städtischen) Statistiken sind die Zimmerleute auf dem Lande kaum erfasst, in den domanialen Ämtern und Dörfern und auf den großen adligen Gütern. Der Zimmermann übte einen der wenigen Handwerksberufe aus, die in Pommern auch vor Erlass der Gewerbefreiheit auf dem Lande erlaubt waren, denn gebaut wurde dort zu allen Zeiten. Daher gab es auch in den Dörfern viel zu tun für den Bauhandwerker. Der Zimmermann setzte das Fachwerkgerüst und den Dachstuhl für das Bauernhaus, ebenso wurden bei den Mühlenbesitzern die Reparaturarbeiten durchgeführt.

Als der feste Steinbau in den Städten einzog, spezialisierten sie sich auf den hölzernen Dachbau mit seinen regionalen verschiedenen Formen, auf wärmende und schalldämpfende Decken- und Fußbodenkonstruktionen. Kleinere Arbeiten für Hoftore und Zäune aller Art blieben weiterhin bestehen, ebenso war ihre Arbeit bei alten Wohnhäusern und in den reparaturbedürftigen Kirchen gefragt. Spezialisierte Kenntnisse im Umgang mit historischen Arbeits- und Bauweisen sind dabei stets unerlässlich z. B. zum Austausch, zum Verstärken und Verlängern von Hölzern mit besonderen Verzapfungen, Überblattungen, Verkämmungen, Verdollungen usw.

Mit der wirtschaftlichen Entfaltung der See- und Hafenstädten gab es für die Zimmerleute neue Perspektiven im Hafenbau, sie erbauten hölzerne Bollwerke und andere Schutzanlagen, die technisch gelöst werden mussten, um die Schiffe zu sichern und das feste Land vor Überflutungen. Das betraf besonders die Städte Anklam, Greifswald, Swinemünde, Stettin, Stralsund, Ueckermünde und Wolgast.

Nach 1900 eroberten neue, moderne Baustoffe wie Beton, Glas und Stahl die Architektur. Mit der „neuen Sachlichkeit“ wurde der Zimmermann nach 1920 aus dem großen Baugeschehen weiter zurückgedrängt. In den kleineren Städten blieb man den traditionellen Materialien verbunden und erst langsam vermischte sich altes mit Neuem. Trotz mancher Mechanisierung und Einsatz von Maschinen in der Zimmerei blieb der Charakter des Zimmerhandwerks erhalten und viele Arbeitsgerätschaften sind immer noch in Gebrauch. So ist die Zimmerei noch heute ein anerkanntes und geachtetes Handwerk.

Natürlich gibt es in der Geschichte auch merkwürdige Überlieferungen, bekannt ist, dass die Zimmerleute auch für die Errichtung von Galgen verantwortlich zeichneten und das bei jeder erteilten Todesstrafe. Von Wolgast wurde überliefert, das zum 23. August 1725 ein neuer Galgen aufgebaut wurde und das die Maurer, Zimmerleute, Tischler und Schmiede nach vollbrachtem Werk traditionell mit klingendem Spiel zum Galgenberg zogen.


Autorin: Hannelore Kuna.

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