Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Hoikenmacher gehörten zum Tuch verarbeitenden Handwerk, sie waren darauf spezialisiert hochwertige Mäntel und Umhänge für sozial höher gestellte Herrschaften zu verfertigen. Etwa über einen Zeitraum von 150 Jahren, während der Renaissance und der frühen Neuzeit, war diese Manteltracht ein modisches und beliebtes Kleidungsstück. Danach musste sie den folgenden modischen Erscheinungen weichen, womit auch die Profession und die spezielle Kunstfertigkeit des Handwerks verschwanden. Mit dem Mantel hatte es seiner Zeit eine besondere Bewandtnis, denn er gehörte aufgrund seiner Modernität zur Amtstracht der Stadtobrigkeit von Rostock. Im Rostocker Grundregister nach 1600 werden Hoikenmacher erwähnt und gleichfalls in der Chronik von Vicke Schorler von 1583-1623.
Bevor der Hoiken in Mecklenburgs Rathäusern Einzug hielt, trug alle Welt den sogenannten Tassenmantel. Die weltliche Manteltracht insgesamt besitzt eine eigene, wechselvolle Geschichte. So wurde der Tassenmantel besonders hier im Norden, während des 13. bis 14./15. Jahrhunderts, also in der Gotik, getragen. Man trug ihn sehr schlicht, denn man legte ihn vom Rücken her über beide Schultern, sodass er nur einen kleinen Teil der Schulter bedeckte. Vorne wurde er von einem breiten Riemen zusammengehalten oder mit einer Doppelschnur, den Tasseln (Quasten). Außerdem war die Manteltracht beiderlei Geschlechter in so früher Zeit beinahe identisch, hoch angesehene Frauen trugen sie im Sommer aus Seide und im Winter aus wärmendem Pelz. Doch so einfach war denn der Tassenmantel in seiner handwerklichen Herstellung auch wieder nicht, das Material sollte gut verarbeitet sein. Dabei zeichnete ihn ein harmonischer Rhythmus im Faltenwurf aus und er sollte in leicht fließenden Linien fallen. Denn es lag durchaus in der Absicht des Trägers, dass eine gewisse vornehme Ruhe ausgestrahlt werden sollte.
Mit der modischen Weiterentwicklung traten an die Stelle des durchgehenden Mantels das nunmehr getrennt zu tragende Unter- und Obergewand auf.
In der Renaissance wurde die Grundform der Manteltracht bzw. von Obergewändern allgemein die Tunika, wobei die launische Mode eine Vielzahl von Varianten aufbrachte. Eine Klasse mit ausgeprägt mantelartiger Form bildeten die Glocke, die Hoike und die Husse. Eine zweite Gruppe bildeten bis zum Boden reichende verschiedene Obergewänder und eine dritte Abteilung bestand aus kurzen Obergewändern: die Schecke und das Jackett z. B. Allein die angedeutete Vielzahl von neuartigen Obergewändern (nicht zu vergessen die ebenso wichtigen Untergewänder) brachte eine enorme Spezialisierung bei den traditionellen Gewandschneidern hervor.
In Rostock und anderen norddeutschen Städten setzte sich die Hoike durch, folglich findet sich hier fast überall das Handwerk der Hoikenmacher.
Die Grundform der Hoike war zunächst die Glocke, ein kreisförmiger Umhang mit Knopfloch und Kapuze. Zu beiden Seiten (bis an die Achseln oder bis an den Hals) wurde er offen gehalten, nur an den Schultern zusammengenäht, sodass die Arme bequem bewegt werden konnten. Der Umhang ließ sich je nach den Bedürfnissen des Trägers gänzlich aus Pelz fertigen, oder aus bestem Wollstoff der mit Pelz besetzt wurde. Der individuellen Herstellung waren keine Grenzen gesetzt. Die lange Hoike konnte bis zu den Füßen reichen, während dessen die kürzere Form durch Falten und Zaddeln verziert wurde. Die weit geschnittenen Hoiken wurden mit Tuchstoff gefüttert, dessen oft leuchtende Andersfarbigkeit einen modischen Eindruck erzielte. Später wurde die Hoike durch wegschneiden der Seitenteile zunehmend schmaler und körperbetont gearbeitet.
Allgemein war das Kleidungsstück besonders bequem beim An- und Ausziehen und jedermann wollte es wohl bald haben, doch war es auch eine wertvolle Ware. Allein das Futter, gleich ob es aus kostbarem Pelz oder feinster Seide gefertigt war, galt als besonderes Wertaccessoire. An überlieferten Schriftstücken aus dieser Zeit zeigt sich der Wertgehalts des Hoikens nicht nur für den Besitzer. Bei einer Heirat in wohlhabenden Kreisen z. B. konnte ein „seidener“ Hoiken zur Brautaussteuer zählen.
In Testamenten wurden Hoiken mehr als alle anderen Kleidungsstücke als Finanzierungsmittel eingesetzt. Röcke und Hoiken waren überhaupt die in Testamenten am meisten aufgeführten Kleidungsstücke. Röcke wurden zu zwei Dritteln von den Ehemännern zur Unterhaltssicherung der Ehefrau eingesetzt, Witwen dagegen stifteten häufig einen Hoiken ihres verstorbenen Mannes zur Armenversorgung oder für mildtätige Zwecke in der Stadtgemeinde.
Mit der Mode ist es schon von alters her eine öffentliche Angelegenheit gewesen, gleich ob für den mit Bürgerecht ausgestatteten Stadtadel, für die Ratsmitglieder oder Kaufleute, denn ihnen stand stets die zeitgemäße „hohe“ Mode und kostbare Kleidungstracht zu. Im Verlauf des 16. und 17. Jahrhunderts stieg der Hoiken mit Kragen ausstaffiert zum typischen Rats-Mantel auf. Er wurde nunmehr zur Amtstracht der Stadtoberen erhoben. Für die Hoikenmacher bedeutete dies reguläres und gesichertes Arbeitseinkommen. Denn für die Ratsherren war der Mantel auch ein sichtbares, äußeres Zeichen seines gehobenen Standes in der Stadtgemeinde. Der Mantel war sowohl aus kostbaren Stoffen und ebenso kostspielig im Preis gefertigt. An so einem Mantel arbeitete die Meisterwerkstatt schon einige Wochen.
Der Rat umfasste bis etwa 1650 ca. 24 Personen und danach 23 Mitglieder, darunter 4 Bürgermeister, 2 Kammer-Herren, 2 Wedde-Herren und 2 Gerichtsherren. Die Mitglieder wurden entsprechend ihrer Profession und des Standes eingesetzt als Apotheker-, Mühlen-, Wein- und Zollherren. Neben den Ratsmannen waren für die Rechtspflege zusätzlich ein Syndikus und ein Pronotarius im Amt.
Zwar wählte man die Ratsmänner auf Lebenszeit, doch auf Grund von natürlichen Abgängen (Todesfällen) kam es in Zeitabständen immer wieder zu Neuwahlen. In der Zeit von 1667-1691 fanden ca. 5 Neuwahlen statt, wodurch insgesamt 19 Personen in das städtische Amt gelangten.
Die Rostocker Stadtobrigkeit erließ bald Gesetze die das Tragen von Kleidung und Schmuck reglementierten. Der Ehrbare Rat, die Viergewerke und die Gemeine (Bürgerausschuss) bedienten sich der sogenannten Luxusgesetzgebung zur „Abschaffung des Prachts und der Üppigkeit“. Mit diesen und ähnlichen Verordnungen wollte man der Verschwendung und Zügellosigkeit durch die Bürgerschaft entgegenwirken, jedoch wurden den höheren Ständen mehr Privilegien zugesprochen. Auch wurde des Öfteren auf ernsthafte eine wirtschaftliche Notlage hingewiesen, die einen sparsamen Umgang mit Geld und den Materialien einforderte. Jedoch ließen sich die Bürger nicht so einfach belehren, sodass der Rat bei festgelegter Strafe verschiedene Verordnungen erließ: 1576 die Polizeiordnung, 1587 wurde eine Kleiderordnung erlassen, 1591 die Hochzeitsordnung und 1617 die revidierte Kleiderordnung. Darin wurde den Einwohnern von Rostock vorschrieben, welche Kleidertracht sie tragen durften. Die Rostocker Kleiderordnung vom 15. Juni 1587 setzte die gut gestellten Bürgerfrauen mit dem ersten Frauen-Stand (Adels-, Kaufmanns- und Ratsdamen) gleich und deshalb durften nun auch die Bürgerinnen, deren Männer gutes Einkommen hatten, Hoiken tragen: „Diese (Bürgerfrauen) mügen mit den krausen Mützen, Knuptüchern, Hauben, Sammittischen Hüllen, Röcken, kurzen und langen Hoicken, des ersten Standes Frawen sich gleich verhalten …“.
Als offizielle Mode gehörten der Hoiken wie seine Handwerker ab dem 18. Jahrhundert bald der Vergangenheit an. Doch hielt sich die Mantelform regional in der ländlichen Tracht und im modernen Cape für den Regenschutz bis heute.
In der schwarzen Bauerntracht des 18. und 19. Jahrhunderts um Rostock (Biestow, Buchholz, Sievershagen, Bargeshagen, Wilsen, Stöbelow, Groß und Klein Grenz u. a.) hielt sich die Mantelform. Die Bäuerin zog über die Krupin (Weste) eine weite schwarze Jacke mit langem, etwas faltigem Schoß, stets vorne geöffnet, und trug über diese bei Reisen, ein leichtes schwarzes Obergewand, das an den alten Hoiken erinnerte.
Das Cape, der ärmellose Umhang mit und ohne Kapuze kam um 1900 aus England wieder hier in Mode.
Bild: van_eyck.jpg Repro eines Gemäldes Jan van Eyck „Arnolfini und seine Frau“ 1434, Arnolfini im Hoiken-Mantel
Autorin: Hannelore Kuna