Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Hutmacher

Hutmacher


Hüte wurden ursprünglich aus Filz gefertigt. Dieses textile Flächengebilde wurde schlichtweg aus Wolle oder anderen Tierhaaren in spezieller Bearbeitung hergestellt. Heute entdeckt das Kunsthandwerk wieder die modische Kopfbedeckung in ursprünglichen Formen und darüber hinaus wird aus dem in solcher Weise zugearbeiteten Naturmaterial ebenso modische Oberbekleidung hergestellt, was einer modischen Weiterentwicklung dieses alten Handwerks gleichkommt.

 Der Hut besitzt eine lange Kulturgeschichte, erst im 12. Jahrhundert gelangte er aus Asien mit den Kreuzzügen in das europäische Abendland. Da trugen ihn die Könige, Herzöge, Päpste und Bischöfe zum Schutze des Hauptes und zum Zeichen ihrer hohen Herkunft als Bekrönung. Der königliche Hut hatte die Form eines Kegels, war ein Spitzhut und aus Wolle. Je nach Träger wurde er modifiziert angepasst.

 Die große Masse der Ritter, Bürger und Bauern blieb im 13. Jahrhundert auf dem Kopf unbedeckt, außer in Kriegszeiten, da trug man den metallenen Helm. Das 14. Jahrhundert gab dem hochherrschaftlichen Spitzhut freie Bahn ebenso der (geistlichen) Kapuze der Mönche. Die Kegelform wurde etwas abgestutzt und die Krempe aufgeschlagen, damit wurde die Tendenz zum Schlapphut für jedermann möglich. Männer verschiedener sozialer Stellungen begannen einen Hut zu tragen, sodass zur traditionellen Arbeitsbekleidung eine Kopfbedeckung stets dazu gehörte. Als Frauen begannen Hüte zu tragen, kamen modische Ansprüche hinzu.

 In den ersten Zeiten des Handwerks waren in Rostock die Filzmacher und Hutmacher noch nicht spezialisiert, bevor sich das Handwerk im 18. Jahrhundert in Filzmacher und Hutmacher trennte. Deshalb hießen die mittelalterlichen Handwerker auch noch Hotfilter (abgeleitet von Hut und Filz). Anfänglich fertigte man aus Filz hauptsächlich Hüte, daneben Schuhwerk (Pantoffel), Gamaschen, Reitsocken usw.

 Der erste Rostocker Hutfilter wird in den ältesten Stadtbüchern um 1261 genannt. Das ist im Vergleich zu anderen Städten sehr früh, Lübeck oder Danzig weisen erst 1321 und 1340 Hutfilter auf. Seit 1292 ist in Rostock eine Straße mit dem Namen Hutfilterstraße (platea pileatorum) überliefert, sie trägt heute die Bezeichnung Kleine Wasserstraße zwischen Großer Scharrenstraße und Großer Wasserstraße.

 Nach dem Kämmereiregister von 1325 unterhielten die Hutfilter Verkaufsstellen und mussten für jeden Laden 2 Schillinge im Jahr an den Rat zahlen. Eine erste Amtsrolle der Rostocker Hutfilter stammt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Etwa zur gleichen Zeit hatten die „Hotfiltere“ für die Stadtverteidigung 3 Bewaffnete zu stellen. 1524 wurde eine Vereinbarung zwischen Hamburg, Lübeck, Lüneburg, Mölln, Rostock und Wismar über die Behandlung der Gesellen getroffen.

 In Amtssiegel der Hutfilter zu Rostock ist ein mit zwei Krempen aufgesteifter Hut zu sehen. In der Regel waren für die Ausbildung drei Lehrjahre vorgeschrieben. Als Meisterstück mussten die Gesellen innerhalb von acht Tagen einen Hut von ganz feinem Haar, einen von Kamelhaar und einen von guter Wolle verfertigen. 1770 hatten die Hutmacher einen Repräsentanten im Rostocker Hundertmännerrat.

 In Mecklenburg war es Brauch, dass die wandernden Hutmachergesellen am Sonntag von den ansässigen Hutmachern im Wirtshaus freigehalten wurden, was bisweilen einigen Unmut wegen des zügellosen Benehmens der jungen Männer bei den Meistern hervorrief. Abhilfe war dringend notwendig. Um 1800 wandelte man dieses Privileg in eine Geldzahlung von 8 Schillingen um, 1826 wurde die Zechgabe auf 6 Schillinge gesenkt.

 1800 arbeiteten 10 Hutmachermeister in der Seestadt Rostock, für 1837 wies die amtliche Zählung 9 Hutmachermeister aus. Die Hutmacher hatten vor anderen Berufen einen nicht unwesentlichen Vorteil, sie konnten die Waren gut auf Vorrat arbeiten. Der Meister konnte also mit seinen Waren auf die umliegenden Märkte ziehen und handeln. Großen Ärger gab es mit den mittelmäßigen Meistern und den Fuschern, die oftmals zum Hausieren aufs Land zogen und sogenannten Nahrungseindrang betrieben. In solchen unredlichen Fällen wandte sich das ehrbare Gewerk mit den Alterleuten und den Mitmeistern an den Hohen Rat.

 Dem heimischen Hutgewerbe gewährte der Rat sicheren Konkurrenzschutz gegen auswärtige Händler und Kaufleute, die ebenfalls fremde Hutwaren zu den Markttagen anboten. Jedoch gab es auch hier feste Bestimmungen, die streng überprüft wurden. Beispielsweise durften die Kaufleute zum Markt nur Hüte in einer bestimmten Anzahl feilbieten. Trotzdem entstanden manche Querelen unter den Hutmachern.

 Als das ehemals schwedische Vorpommern nach 1815 preußisch wurde, versuchten die mecklenburgischen Hutmacher in Damgarten, Richtenberg oder Stralsund den Markt mit ihren Hüten in Beschlag zu nehmen. Aus Richtenberg kam die „ungeheure“ Nachricht, dass zwei Hutmacher aus Mecklenburg, an einem einzigen Markttag den Bürgern zusammen 29 Hüte verkauften. Die Hutmacher aus Gnoien übertrafen sich gegenseitig im Hausierhandel und statteten die pommerschen Dörfer Pantlitz und Tribohm komplett mit Hüten aus, sodass der Bedarf der Bauern nach Kopfdeckung über Jahre gedeckt schien. Andererseits verweigerten die Hutmacher aus dem mecklenburgischen Ribnitz ihren Berufskollegen aus dem neuvorpommerschen Barth und Damgarten den Zugang zum Markt. Auch auf die Rostocker Märkte zu kommen, wurde den Nachbarn aus Neuvorpommern erschwert. Dies ging einige Zeit so, dann wurden Recht und Ordnung wiederhergestellt.

 Das Hutmacherhandwerk erforderte einige Geschicklichkeit und Kraft in den Händen. Das Material zum Filzen für gröbere und feste Hüte lieferte in erster Linie die heimische Schafwolle. Für feinere Filze wurden die Haare von Feldhasen und Kaninchen bevorzugt. Als feinste Sorten galten ursprünglich die Biber- und Otterhaare unter den Herrschaften. Die besten Biberhaare wurden dabei aus dem fernen Kanada und Nordamerika eingeführt.

 Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts wurden neben Wolle und Biberhaaren erfolgreich neue Materialien verwendet, das waren feine Seide und einfaches Stroh. Beide Materialien verlangten moderne Techniken.

 Die Heimat der Strohflechterei war Italien, aber auch im deutschen Norden, im vorpommerschen Penkun, beherrschte man die Strohhutflechterei bestens. Auch in Rostock etablierte sich eine Strohutflechterei. Aus dem Seidenhut, zunächst als äußere Verzierung des Filzhuts, wurde schließlich kombiniert mit einer Metallfeder der schwarze klappbare Zylinderhut zum Frack und für den Schornsteinfeger gemacht. Verschiedene Versuche mit Maulwurfshaaren, Pappel-, Diestel- und Wollgraswolle hatten das Ziel neue Materialien zu finden oder alte zu ersetzen, sie brachten aber nicht den gewünschten Erfolg.

 Grundarbeit des Hutmachers war es, aus einer bestimmten Menge Wolle oder Haare, ohne etwaige Bindemittel, einen so festen Stoff zu filzen und diesem ohne Naht eine Form zu geben, sodass aus einem Stück ein Hut gefertigt werden konnte.

 Die früheren Hutmacher erzeugten das Haarmaterial noch in eigenen Werkstätten. Als erstes mussten die aufgekauften Felle mit verdünntem Scheidewasser, das Quecksilber und Arsenik enthielt, gebeizt werden, um die Haare besser herunterschneiden zu können. Typische Berufskrankheiten der Hutmacher waren nicht zu vermeiden. Die enthaarten unbeschädigten Felle wurden dann den Beutlern und Schuhmachern verkauft, beschädigte Felle nahmen die Leimsieder ab. Dann erfolgte die Hauptarbeit: das Fachen. Dafür war ein Fachbogen notwendig (erfunden im 15. Jahrhundert), eine etwa 2 Meter lange gebogene Stange, mit dem die gebeizten Haare durch Schwingen aufgewirbelt (in Flocken geschlagen) wurden, bis sie eine flaumige Schicht bildeten. Durch den Bogen entstand von Anfang an die dreieckige Form. Mehrere solcher Fache wurden mit dem Fachsieb weiter verdichtet und anschließend zusammengefilzt, bis die riesige kegelförmige Mütze (Trichter) entstand.

 Dann erfolgte das Walken in einem Kessel. Der Hut sah bis dahin wie ein Topf aus, deshalb wurde er jetzt in Form (fassoniert) gebracht. Der Kopf wurde ausgestoßen und der Rand aufgebogen und glatt gezogen. Anschließend erfolgten einfärben, trocknen, nochmals waschen und trocknen, und sollte er besonders steif werden, wurde Leim aufgetragen und die Rohform über dem Ofen gedämpft, sodass der Leim völlig in den Filz einzog. Als letzte Arbeiten kamen verschiedene Zurichtungen an die Reihe: Bügeln, Bürsten, Futter und Schweißbänder einnähen, Hutkrempe umsäumen, Ausstaffieren mit Band, Tresse oder Federn.

 Im Verlauf des 19. Jahrhunderts fand die Hutfabrikation maschinell statt, wodurch einige Erleichterungen geschaffen wurden. Die Einführung der Fachmaschine verdrängte die herkömmliche Technik des Fachbogens. Ab 1870 kamen industriell gefertigte Wollhüte auf dem Markt. Der Hut konnte preiswerter verkauft werden und fand rasche Verbreitung. In der Folge wurde das kleine Handwerk der Hutmacher zusehend vom Markt verdrängt. Viele Hutmacher kauften selbst von der Industrie Halbfabrikate (Stumpen) ein und beschränkten sich auf das Ausstaffieren. Einigen Hutmachermeistern blieb selbst nur der Übergang zum Huthandel. 1907 arbeiteten im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin noch 16 Filzhut- und Mützenmachereien mit 20 Beschäftigten.


Autorin: Hannelore Kuna

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