Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Die Kalkbrenner waren sehr wichtige Leute im alten Bauhandwerk, denn Kalk zählte zu den notwendigen Baustoffen die ein Mauerwerk langlebig und beständig erhielt. Die Aufgabe des Kalks bestand von je her in der Bindung des Mauerwerks, sodass die Ziegeln fest zusammen hielten, aber Kalk diente ebenso zum Putz und Anstrich von Bauwerken.
Im Mittelalter arbeiteten die Kalkbrenner, ebenso wie die Ziegelmeister in unmittelbarer Nachbarschaft von großen Baustellen für die Kirchen, zur Errichtung von Stadtmauern, Warttürmen, Schlössern oder Rathäusern. Baumaterialien an Ort und Stelle zu produzieren war keine Seltenheit, das verringerte die umfassenden Baukosten durch Einsparung von langen Transportwegen erheblich.
Die archäologischen Spuren der Verwendung von Kalk in Mecklenburg-Vorpommern weisen bis in die Germanenzeit zurück, etwa bis 100 Jahre v. Chr. Aber erst mit der deutschen Besiedlung des Landes im 12. und 13. Jahrhundert, mit der Gründung von Städten und Klöstern, kam der Steinbau zum Holzbau hinzu. Mit dem bevorzugten Steinbau wurden Lehm (Ton) und Kalk in Norddeutschland wichtige Baustoffe, wodurch insbesondere einheimische Baustoffe gefördert wurden. Das Kloster Dobbertin hatte z. B. bis zu seiner Auflösung 1918 noch 3 Ziegeleien und 2 Kalkbrennereien in seinem Besitz. Für beide Herzogtümer Mecklenburgs konnten für das 18. und 19. Jahrhundert 110 Standorte von Kalkbrennereien nachgewiesen werden. Davon lagen je 21 Kalköfen im landesherrlichen Domanium von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, 40 in ritterschaftlichen Gebieten, 25 in den Städten und 3 Anlagen zählten zu den Klöstern.
Wie der Ton war auch der Kalk in verschiedenen Gegenden des Landes naturgeschichtlich gelagert, insbesondere kam er hier auf dem Grund von Gewässern und in Mooren vor, weshalb er auch See- und Wiesenkalk genannt wurde. Der Kalkbrenner stellte Leute ein, die aus fündigen Seen und Teichen mit löffelähnlichen Eimern an einer langen Holzstange Kalksteine schöpften. Oder man gewann aus moorigen Gründen nach der Torfabtragung mit dem sogenannten Kalkstich eine zweite Ernte. Nach jüngsten Erhebungen durch F-W. Borchert sind in Mecklenburg 32 Kalköfen für Wiesenkalk für das 19. Jahrhundert entdeckt, davon befanden sich 21 an Seen, 5 an Flüssen und 3 an Mooren. Nicht selten konnten auch eiszeitliche Geschiebe von Kalk gesammelt und verwendet werden.
Eine bedeutende Bezugsquelle bildeten die skandinavischen Vorkommen, insbesondere für die Seestädte Rostock, Stralsund und Wismar, von denen die Kalksteine in großen Mengen als Schiffsballast eingeführt, später an Ort und Stelle gebrannt und gemahlen wurden. Beiderseitig schien das ein lukratives Geschäft zu sein. Eine Ballastladung für die schwedischen Segelschiffe war bei Leerfahrten zu den südlichen Ostseehäfen immer notwendig und gleichzeitig konnte man damit eine preisgünstige Ware anbieten. Aus alten Rechnungen ist aber auch ersichtlich, dass mecklenburgische Städte aus Schweden nicht nur Kalksteine sondern auch zugearbeiteten „gothländischen Kalk“ in Tonnen einkauften. Um 1835 gingen in den Warnemünder Hafen jährlich 5-6000 Tonnen ein, von denen einige Quantitäten in Rostock verblieben. In diesen Jahren wurde auch der „Brodthäger Kalk“ aus der Umgebung von Bad Doberan berühmt, aber dieses heimische Baumaterial sollte noch teurer gewesen sein als der schwedische Kalk.
Für die vielen städtischen Bauvorhaben innerhalb der Stadtentwicklung in Rostock bestimmte der Rat seit je einen besonderen Platz für die Kalkbrennerei, denn der Betrieb eines Kalkofens stellte durch die Hitzeentwicklung eine hohe Brandgefahr dar. Welcher Platz eignete sich damals besser als der Glockengießerplatz in der östlichen Altstadt, der seitdem 13. Jahrhundert schon bestand. Platzkapazität war häufig vorhanden, denn nicht in jedem Jahr wurden neue Glocken gegossen. Als weitere Produktionsstätte für die Kalkbrennerei kam die Kombination mit der Stadtziegelei infrage. In den städtischen Ziegeleien von Rostock, Wismar oder Greifswald wurden abwechselnd Ziegeln und Kalk gebrannt. Umgekehrt war noch 1844 in Güstrow ein Kalkofen in Betrieb, der zugleich zum Ziegelbrennen genutzt wurde.
Riesige Bauvorhaben in der Stadt waren immer wieder die Kirchenbauten, die über Jahrhunderte andauern konnten, da sie im Laufe der Zeit aus religiösen Bedürfnissen verändert und erweitert wurden. Hinzu kamen anfallende Reparaturen, die oftmals durch fürchterliche Katastrophen (Sturm, Brand) bedingt waren. So führte beispielsweise St. Nikolai noch im 20. Jahrhundert in unmittelbarer Nähe des Kirchengebäudes eine Kalkbrennerei, die regelmäßig verpachtet wurde. Als diese Kalkbrennerei 1930 in Flammen aufging wurde sie wiederaufgebaut.
Ob Wiesenkalk oder Kalksteine, das Ausgangsmaterial musste zunächst in den Brand. Bevor die Kalksteine oder Geschiebe in den Kalkofen kamen, wurden sie, besonders der Lesekalk, sorgfältig gereinigt, und anhaftende Erde oder Lehmteile entfernt. Beim Brand spielte die Arbeitserfahrung der Kalkbrenner eine große Rolle, denn das Brennen durfte weder zu lange noch zu kurz geschehen. In der Regel wurde 14 bis 16 Stunden gebrannt. Die Kalksteine wurden nach dem Brand mit hölzernen Stampfern von den Arbeitern auf Pulverform zerkleinert.
Nach dem Brennen und Zerkleinern wurde der frische Branntkalk mit Wasser abgelöscht. Durch diesen Prozess entstand eine teigige Masse, ein Kalkbrei, der auch Löschkalk, gelöschter Kalk oder Sumpfkalk (bis heute) heißt. Die Maurer mischten Mörtel zum Mauern und Putzen an meist im Verhältnis von einer Schippe Kalk mit 3 Schippen Sand (Kies/Flusssand) und Wasser.
Im Spätmittelalter wurde vermutlich auf den Großbaustellen so viel Branntkalk erzeugt wie verarbeitet werden konnte, und zwar als gelöschter Kalk; losen, trockenen, ungelöschten Kalk in hölzernen Tonnen kannte man in Rostock nur aus Schweden.
Alte Baurechnungen weisen Ausgaben für den Kalkbrenner, Kalkstampfer und Kalklöscher aus. Späterhin wurde auch auf Vorrat gearbeitet, wozu der Löschkalk in Erdgruben aufbewahrt wurde. Dabei musste die Masse stets mit einer dünnen Wasserschicht bedeckt sein und es durfte nicht zu kalt werden, weshalb man die Löcher mit Reisern abdeckte. So erhielt er noch nach Jahren seine beste Qualität.
Der gebrannte Kalk wurde im Bauhandwerk zu verschiedenen Zwecken benutzt. Mit viel Wasser verdünnter Löschkalk (Sumpfkalk) wurde er als Kalkmilch zum gewöhnlichen Anstreichen (kalken) von Wänden und Häusern verwendet. Ebenso setzte man die Kalkmilch als Frostschutzanstrich bei Obstbäumen zur Schädlingsbekämpfung ein. Kalkpulver (Weißfeinkalk) wurde aufgrund seiner basischen Wirkung verstärkt ab dem Ende des 18. Jahrhunderts in der Landwirtschaft zum Düngen der Felder und Gärten propagiert und eingesetzt, was allgemein „Mergeln“ hieß. Später setzte man ihn in der Abwasserreinigung und als Desinfektionsmittel bei Seuchen ein.
Mit der industriellen Herstellung von Kalk hat sich die Qualität wohl verändert und doch wird er immer noch vielfältig verwendet. Er findet Verwendung in der Herstellung von Steinen, als Bindemittel im Mauer- und Putzmörtel, Herstellung von Farben, Kalkstickstoff für Düngung, Glasindustrie, in der Eisengewinnung und vieles mehr.
Autorin: Hannelore Kuna