Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Kannengießer

Kannengießer


  Das Handwerk der Kannengießer zeigte bereits im Mittelalter seine Blüte. Die Meister spezialisierten sich auf schlanke und hohe Behältnisse, teilweise auch auf bauchige Formen, wie von Kannen, Krügen und Flaschen aus Zinn in Gusstechnik. Kannengießerzünfte kommen erstmals im 14. Jahrhundert vor. In Rostock datierte die erste Rolle der Kannengießerzunft vom 16. Mai 1482, in Lüneburg vergleichsweise von 1597. Die Rostocker Rolle wurde 1585 mit Verordnungen über die Durchführung zum Meisteressen und die sogenannten Altermanns-Mahlzeiten verändert, ansonsten blieb sie gültig bis zur Aufhebung des Berufsstandes. 
 Das älteste Protokollbuch wurde im Jahre 1575 angefangen, und es führt die Aufschrift „Kannengeter unde Grapengeter ehr boeck“. Kannengießer und Grapengießer zusammen in einem Amt, das war für Norddeutschland nicht unüblich, denn Gewerkszugehörigkeiten änderten sich mit der Anzahl und dem Einverständnis der Meister. Im 15. Jahrhundert stellte das Kannengießeramt 16 Bewaffnete für die Stadtverteidigung. Nach dem ältesten Protokollbuch gab es im Jahre 1575 in Rostock zehn Meister dieses Fachs.
Die Kannengießer stellten aus Zinn Kannen, Flaschen, Vasen, Humpen und Fässchen her, allesamt Hausgerätschaften. Jede Region hatte ihre bevorzugten Formen, so wurde für die norddeutschen Kannengießer ausgehend von den Küstenstädten Bremen, Lübeck und Hamburg die Hansekanne kennzeichnend. Ihr Hauptmerkmal war die gedrungene bauchige Form. Eine solche Hansekanne aus dem 15. Jahrhundert befindet sich im kulturhistorischen Museum Rostock. Seltener kamen auch Küchenschüsseln und Waschschüsseln aus ihrer Werkstatt. Der Verbrauch an diesen Kannengießer-Waren war nicht unbedeutend, da sie regelmäßig benutzt wurden und zum traditionellen Hausrat gehörten.
 Mit den Kannengießern beschäftigte sich die Hanse erstmals 1361. An der Versammlung beteiligten sich die Städte Greifswald, Lübeck, Rostock, Stettin und Wismar. 1367 waren auch andere Städte beteiligt wie Anklam, Kiel und Kolberg, 1376 kam Stralsund hinzu, dagegen fehlte 1444 Stettin. Auf den Beratungen der Altermänner aus dem Handwerk der hansischen Städte ging es vor allem um die Beschaffung und Verarbeitung von Rohstoffen für ihre Produktion. Die Gefäße benötigten zur Festigkeit zum Zinn weitere Zusätze von Kupfer und Blei, darauf schworen in jedem Fall die Meister. Insbesondere Blei war zu allen Zeiten preiswerter als Zinn und mancher Meister versuchte mit erhöhtem Bleianteil einen unbotmäßigen Gewinn zu erzielen. Damit konnten aber die Kannengießerprodukte der Gesundheit der Käufer schaden, was nicht im Interesse des Gewerks und des Absatzes lag. Es galt den guten Ruf des Gewerks zu schützen. 
 Deshalb einigten sich die wendischen Städte des Hansebundes erstmals 1361 darauf die Beimengung von Blei für ein Schiffpfund Zinn auf 5 Liespfund Blei zu beschränken. Die Zulassung galt aber nicht bei Kannen, Flaschen, Schüsseln, die direkt zur Aufnahme von Getränken und Lebensmitteln dienten, die sollten aus reinem Zinn bestehen. Erlaubt wurde der Bleizusatz weiterhin für die Henkel, Handgriffe und Wirbel an diesen Gefäßen.

 Die Rostocker Zunftrolle von 1482 gebietet allgemein „gutes Zinn“ zu verwenden, die Meister in der Seestadt waren wohl recht ehrbare Leute. Uneinigkeit herrschte dagegen in den preußischen Städten des Hansebundes, sodass für die Gebiete um Königsberg und Elbing am 2. Dezember 1445 eine strenge Landesordnung erlassen werden musste, nach welcher Flaschen aus klarem Zinn, Kannen aus einer Mischung von 2 Pfund Zinn und 1 Pfund Blei, Schüsseln und Teller aus einer Legierung von 5 Pfund Zinn und 1 Pfund Blei gefertigt werden sollten.
Die Rostocker Zunftrollen der Kannen- und Grapengießer forderten für die Aufnahme von Lehrjungen, dass diese vor den Zunftvorstehern ihre echte und rechte Geburt „von guden dudeschen luden“ (Artikel 7 der Rolle von 1482) nachzuweisen. Bei der Aufnahme in das Amt hatte der Lehrjunge 6 wendische Schilling, später 2 Gulden zu entrichten. Doch sollte beim Einkassieren der Meister nachsichtig sein, wenn recht ärmliche Verhältnisse im Elternhaus vorhanden wären. Die Namen der Lehrlinge und das Datum der Annahme, mehrfach auch der Geburtsort, wurden in dem Protokollbuch seit 1610 verzeichnet.
 Im Jahr 1556 einigten sich die Kannengießerzünfte von Lübeck, Hamburg, Rostock und Lüneburg auf Maßregeln zur Haltung der Gesellen, die wie beiden Schustern und Müllern Knechte genannt wurden. Auch in Rostock blieb man vom Übermut, von der Feiersucht und dem Disziplinmangel der Gesellen nicht verschont, wodurch erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstand. Die Altermänner beteiligten sich daher rege an allen hansischen Zusammenkünften, um im Verbund zu handeln. 1573 wurden diese Ordnungen erweitert und die Städte Anklam, Bremen, Brandenburg, Greifswald, Itzehoe, Kiel, Stade, Stettin, Stralsund und Wismar schlossen sich dem Regelwerk an, das bis etwa 1662 in Kraft blieb.
Nach dem Regelwerk von 1573 räumten die Zünfte den Knechten weniger Freiheiten ein. Mit strenger Hand legten die Meister die neuen Bedingungen fest, unter welchen fortan gearbeitet werden sollte. Der Wochenlohn wurde ein für alle Mal festgesetzt (Artikel 2), die tägliche Arbeitszeit auf nicht weniger als 16 Stunden bestimmt (Art. 4); die früher reichliche Beköstigung schränkten sie ein (Art. 6), das Freibier, das die Gesellen sich gegenseitig zu schenken pflegten, ließen sie nur ausnahmsweise zu (Art. 9), die Zahl der Krugtage, d. h. der Kneipgelage (Art. 10), reduzierten sie und dergleichen mehr.
 Die Bedingungen für den Erwerb des Meistertitels waren schon in der Rolle von 1482 vorgeschrieben worden und veränderten sich bis zum Schluss nur wenig. Nach erfolgreicher Lehre (über vier Jahre) und Gesellenwanderung musste der Geselle ein bis 2 Jahre bei einem Rostocker Meister arbeiten, dann konnte er den Antrag auf den Erwerb des Meistertitels stellen. Es war dann das Meisterstück anzufertigen, eine Geldsumme in die Lade zu hinterlegen und für alle Meister eine oder mehrere Mahlzeiten auszurichten.
  Die Kannengießerei mit den typischen Gebrauchtwaren war sozusagen eine Massenproduktion auf Zeit, denn mit einer guten Form konnten tausende Güsse nachgearbeitet werden, konnten Kannen, Flaschen, Krüge oder Vasen aus dem flüssigen Zinn gegossen werden. Die Formen zu den Güssen musste der Meister selbst herstellen. Sie wurden wohl meist aus weichem Sandstein ausgedreht, den der Steinmetz nach Anweisung des Kannengießers zuvor grob bearbeiten musste. Messingformen, die wegen ihrer Dauerhaftigkeit vor allen anderen den Vorzug verdienten, konnten sich in Rostock wegen der Kosten wohl nie allgemein verbreiten. Der hohe finanzielle Aufwand nötigte die Kannengießer zum gemeinschaftlichen Ankauf; aber meist bedienten sich die Handwerker der steinernen Formen.
Die Kannengießerei blieb in Rostock nie ohne ernsthafte Konkurrenz, die sie hauptsächlich durch den Import von hochwertigen Nürnberger Waren, doch ebenso auch durch die heimische Töpferei erfuhr. Kannen, Krüge, Flaschen usw. konnten gleichfalls aus dem Material Ton hergestellt werden, aber immer nur in wesentlich zeitaufwendigeren Einzelanfertigungen. Und so ein Tonkrug ging auch schneller entzwei.

 Wegen ihres beständigen Materials blieben Zinnwaren über die Jahrhunderte unangefochten beliebt. Doch als im 17. Jahrhundert für die Kannen- und Flaschenfertigung das Material Glas hinzukam, konnten die Kannengießer mit ihrer Spezialisierung allein nicht mehr existieren. Wohlan blieben die Meister bei Zinn, erweiterten aber wesentlich ihre Produktpalette: Kannen, Krüge, Becher, Schüsseln, Milchkännchen, Teller, Platten, Dosen u. a. Sie verbanden sich ab etwa 1700 mit den Zinngießern und führten ihr ehrwürdiges Amt (1482) bis zur Aufhebung im Jahr 1880 weiter. 


Autorin: Hannelore Kuna

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