Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Kompassmacher

Kompassmacher
 

Der Kompass ist heutzutage wohl das populärste Messgerät zur Bestimmung der Himmelsrichtungen, denn dieses Gerät diente den Menschen seit Jahrhunderten zur sicheren Orientierung. Die älteste Ausführung ist der Magnetkompass, der anhand des Erdmagnetfelds die Peilung des magnetischen Nordpols anzeigt und so zeigt, wo Norden ist. Seine Erfindung und Konstruktion schufen eine moderne technische Navigation für die Menschen. Womit die natürliche Orientierung über unsere Sinnesorgane und mithilfe von Sonne, Mond und Sterne, durch Landmarken, der Tiefe des Meeres mittels Lotung, Dünung und Strömung, Wind, Wassertemperatur, -farbe und -geschmack, Tieren, Wolken und weiteren Merkmalen, erweitert werden konnte.

 Insbesondere für die Meeresfahrt brachte der Kompass große Fortschritte, denn auf hoher See konnten sich die Seeleute lange Zeit nur mittels der Himmelskörper orientieren. Deshalb verwundert es auch nicht, dass in Europa der Kompass erstmals bei Seeleuten in Gebrauch war und ein englischer Gelehrter Namens Alexander Neckam (1157-1217) etwa 1187 über eine magnetisierte schwimmende Nadel berichtete. Tatsächlich bestanden die ersten nachweisbaren Messgerätschaften aus einer in einem Gefäß auf dem Wasser schwimmenden Nadel und auf dem Gefäß war am Rande eine Einteilung in die 12 Doppelstunden des Tages angebracht.
Der Spanier Ferdinand de Magellan benutzte 1519 vermutlich als erste Seefahrer den Kompass und segelte mit fünf Schiffen über die Kanarischen Inseln nach Südamerika, umrundete den Kontinent im Süden; seine Schiffe überquerten den Pazifik und den Indischen Ozean und kamen über das Kap der Guten Hoffnung um Afrika herum nach drei Jahren wieder heim. 69.000 Kilometer lagen hinter ihnen. Magellan selbst starb unterwegs am 27. April 1521 und konnte das Ende der Reise nicht mehr erleben.
 Bedeutend wurde in diesem Jahrhundert die Erfindung des trockenen Kompasses, der sehr viel genauer als die instabil schwimmende Nadel der Chinesen war und so eine bessere Navigation ermöglichte.

 Leonardo da Vinci schlug als erster vor, die Nadel in einer kardanischen Aufhängung drehbar zu platzieren, um so die Genauigkeit weiter zu verbessern. Ab 1534 wurde seine Idee praktisch verwirklicht und setzte sich während des 16. Jahrhunderts in ganz Europa durch, wodurch europäische Segelschiffe über die fortschrittlichste und exakteste Kompasstechnik der Zeit verfügten.

Solche Kompasse stellte zunächst das Zunfthandwerk in Augsburg und Nürnberg her, wo sich frühzeitig ein Zentrum für Uhren, Sonnenuhren und nautischen Messinstrumenten herausbildete. Einst hatte Nürnberg um 1520 20 Kompassmacher, deren Betriebsgeheimnis noch bis Ende des 18. Jahrhunderts sorgfältig gehütet wurde. Denn die Nürnberger Kompassmacher zählten zu den gesperrten Handwerken.
 Auch den Seefahrern auf den mittelalterlichen Hanse-Koggen standen bereits viele Navigations- und Messmethoden zur Verfügung wie durch Kompass, Log und Lot, Sanduhr, Peilungen oder Lotseneinsatz, wie aus einem frühen Hamburger Seebuch (um 1470) hervorgeht.

 Aber so zwingend benötigte die Rostocker Schifffahrt, die weniger den Fernhandel betrieb und sich auf den Nord- und Ostseeraum beschränkte, damals nautische Messinstrumente noch nicht. Die regulären Schiffskurse mit den vorhandenen Gefahren durch Untiefen oder Sturmgebiete wurden durch die praktischen Erfahrungen von Kapitän zu Kapitän weitergegeben und frühzeitig aufgeschrieben. Ab dem 16. Jahrhundert standen Seekarten in ihrer bis heute typischen Darstellung zur Verfügung und in Landnähe halfen ursprünglich die hohen Kirchtürme zur Orientierung auf dem Wasser.
 Die moderne Rostocker Segelschifffahrt des 19. Jahrhunderts ging dann aber auch auf die „Lange Fahrt“, wie man es in Rostock nannte. 1851 passierten 55 mecklenburgische Segelschiffe (fast ausschließlich Rostocker) die Dardanellen, eine Meerenge, die das Ägäische Meer mit dem Marmarameer verbindet. Aufregend und abenteuerlich war die Fahrt in die orientalische Welt und in das Schwarze Meer, in die Swart-See, nach Odessa oder Sewastopol. „De Ollen, dee in de Swart-See fohrt hadden in de sößtiger Johren, dee wüssten dor dull Bescheed. Un wann dat düster wier, se fünnen ümmer trecht“ (nach Wossidlo).

 Die lange Fahrt ging zuerst nach England, von dort mit Kohlen nach Italien oder Spanien, dann weiter nur mit Ballast nach Odessa und zurück mit Weizen zurück. 1855 segelten Rostocker das erste Mal westwärts um Kap Horn: Die „Prospero (Kapitän Beslin von Glasgow nach Valparaiso). Die Hannibal (Kapitän Düwel) lief von Newport nach Singapore aus. 1857 schiffte man um das Kap der Guten Hoffnung nach Australien oder Hongkong. Die Rostocker Segler waren genauso Weltumsegler geworden, dank gekupferter Bootskörper, guter nautischer Geräte und technischer Ausbildung. 1865 verfügte die Rostocker Rederei über 377 Schiffe, 90 Prozent davon ausgesprochene Seeschiffe.
In diesem Jahrhundert der aufblühenden Segelschifffahrt wurden Kompassmacher in den norddeutschen Seestädten heimisch. Sie arbeiteten beispielsweise in Rostock und Lübeck in der Kombination von Segel- und Kompassmacher, sodass sie hochwertige Takelagen anfertigten und ebenso genaue Messgeräte herstellten. Sowohl die Art und Qualität Segel als auch der Kompasse waren entscheidende Ausrüstungsteile zur schnellen und sicheren Führung eines Schiffs. Nach den jeweiligen Adressbüchern gab es in Lübeck 1837 einen Segel- und Kompassmacher, 1872 existierten in Rostock mit den Werkstätten Evers, Evert, Flink, Gerdes, Hansen, Meese und Pust sieben Segel- und Kompassmacher.
 Zu den wichtigsten Arbeitsgerätschaften der Meister zählten Feile, Hammer, Amboss, Werkblock, Brille, Sanduhr, Feuerstelle mit Blasebalg u. a. Für einen Trockenkompass mit schwebender Nadel war das exakte Schmieden der Nadel besonders wichtig, damit sie letztendlich „federleicht“ und zugleich dauerhaft, auch bei Erschütterungen, ihre magnetische Ausrichtung beibehielt. Bei (zu) weichem Stahl hingegen konnte durch Erschütterung die Magnetisierung der Nadel zu ungenauen oder gar falschen Ausschlägen führen, was fatale Folgen haben konnte. Also hieß es für den Kompassmacher immer wieder Glühen und Hämmern und zum Schluss fein feilen. Die Aufhängung der Nadel erfolgte mit viel Kenntnis und Fingerspitzengefühl auf einer feinen Spitze aus Elfenbein.
 Für den Schiffskompass wurde ursprünglich keine Nadel, sondern eine Scheibe, eine runde Kompassrose, Windrose, mit angezeigten Himmelsrichtungen angefertigt, die entweder drehbar aufgehängt wurde oder auf einer Flüssigkeit schwamm, sodass sie trotz verursachter unruhiger Schiffsbewegungen immer waagerecht lag. Um 1900 hatte man die Kompassrose darstellungsmäßig so verfeinert, dass sie neben den Himmelsrichtungen auch die Gradeinteilung (360 Grad) sowie die Einteilung in 32 Striche enthielt. Auch für die Landorientierung gab es Kompassrosen zum Ablesen, aber im unbeweglichen Stand, worüber sich eine Kompassnadel drehte.
Sowohl der Trockenkompass als auch der Schiffskompass wurden in Metall-Gehäusen aus Messing eingebaut, die mitunter künstlerischen Schmuck enthielten und in der Regel vom Gelbgießer bezogen wurden.

 
Autorin: Hannelore Kuna

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