Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Konditor und Kuchenbäcker
Mit der Spezialisierung im zünftigen Bäckerhandwerk teilte sich das Gewerbe nach Los- und Festbäckern (auch Fastbäcker). Losbäcker verarbeiteten backtechnisch hauptsächlich Weizenmehl zu „lockerem“ Weizenbrot, Semmeln und vor allem Kuchen. Festbäcker bzw. Fastbäcker dagegen verarbeiteten weißes und dunkles Mehl zu „festen“ Backwaren wie Roggen-, Hafer-, Gersten- oder Schrotbrot und auch zu Semmeln. Aus dieser Abgrenzung entstand bis zur Einführung der Gewerbefreiheit ein wahrhaft zünftiger Richtungsstreit unter den deutschen Bäckern, denn die Los- und die Festbäcker bildeten eigene Ämter wie in Stralsund, Greifswald und Stettin und beschlossen eigene und konträre Zunftgesetze.
Losbäckerjungen mussten eine längere Lehrzeit als Festbäckerlehrlinge absolvieren und betrachteten sich aus diesem Grund als besser ausgebildete Bäcker. Die Losbäckergesellen konnten jederzeit aus einem Meisterbetrieb austreten; ihre Konkurrenten, die Festbäckergesellen, hingegen mussten eine Kündigungszeit von drei Monaten einhalten. Hieraus entstanden schon bei den jungen Leuten Standesdünkel. Beide Bäckerzünfte konnten sich nie recht einig werden und verfeindeten sich mitunter arg. Es verstieß beispielsweise gegen die Ehre eines Losbäckermeisters zu Anklam einen Festbäckergesellen einzustellen, mitunter war dafür in den Amtstatuten eine Disziplinarstrafe vorgesehen.
In Vorpommern ging es mitunter nicht ganz so boshaft zu. In den meisten Städten sind sowohl Fest- als auch Losbäcker nachweisbar, wobei Brotbäcker die Mehrzahl ausmachten. Wolgast besaß beispielsweise 1677 und 1678 mit den Meistern Wegner und Silberschmied zwei Losbäcker, die dann aber auswanderten. Streitigkeiten entstanden oftmals, wie in Greifswald, bei größeren Brötchen- und Kuchenbestellungen wie zu Fürstenbesuchen, Kindtaufen, Hochzeiten, Beerdigungen, Promotionsfeierlichkeiten usw. Dann pochten die Losbäcker (die Kuchenbäcker) absolut auf das Hausrecht und waren auch dem Mitbürger sehr gram, wenn er zur Familienfeier lockere Brötchen oder gar Kuchen beim Festbäcker bestellte.
Wie andern Orts bildeten sich auch in Vorpommern unter den Kuchenbäckern weitere Spezialisierungen heraus. Es gab neben dem Kuchenbäcker Brezelbäcker, Fladner, Oblatenbäcker, Figurenbäcker, Lebzelter, Lebküchler, Pastetenbäcker, Pfefferküchler, Zuckerbäcker u. a., meist waren das saisonale Besonderheiten, die z. B. in der Weihnachtszeit oder zu anderen regionalen Festen betrieben wurden, um die traditionellen Sitten und Gebräuche der Leute zu bedienen. In Deutschland fiel das große Kuchenessen für die Leute auf Weihnachten, da gab es je nach dem Brezeln, Krapfen, Pfannkuchen, Wecken, Stollen, Strietz, Christbrote, Lebkuchen usw.; in England fiel dagegen das große Kuchenessen auf den Heiligen Dreikönigstag (6. Januar).
Die Bezeichnungen Fest- und Losbäcker verschwanden in Pommern etwa Anfang 19. Jahrhundert nach und nach aus dem Sprachgebrauch, man sprach nunmehr vom Brotbäcker und vom Kuchenbäcker oder allgemein vom Konditor. 1819 arbeiteten in Greifswald 4 und in Anklam 2 Konditormeister. Im Jahr 1864 verwöhnten der Konditor Retzlaf die 4500 Einwohner von Ueckermünde und die Meister Lichtenberg und Richter in Pasewalk ihre 7000 Bürger.
Die Kuchenbäckerei erlebte im Verlauf des 19. Jahrhunderts einen großen wirtschaftlichen Aufschwung. In diesem Jahrhundert entstanden die Konditoreien, die in typischer Weise zum Kauf und Verzehr von Kuchen und Torten bei Kaffee in gemütlicher Atmosphäre einluden. Der Süden und Südwesten Deutschlands verband Kuchen- und Tortengenuss mit dem „Glasl, dem Schoppen oder Viertl“ Wein. Die Norddeutschen bevorzugten zu den süßen Dingen einen schwarzen Kaffee oder Tee in verschiedenen Sorten. Der Geschäftsmann las dazu auch gerne das örtliche Zeitungsblatt, um schnell die Nachrichten und Neuigkeiten zu erfahren. Denn die Welt war inzwischen größer und moderner geworden.
Im Angebot der Konditoreien gab es bald spezielle Zuckerwaren, haltbare Biskuits, Gebäcke, Pralinen und Kekse, die seit Mitte 19. Jahrhundert schon fabrikmäßig erzeugt wurden und von den Bäckern bezogen wurden. Lübeck und Königsberg lieferten Marzipan und Thorn seinen Pfefferkuchen nach Greifswald oder Anklam. In Halle und Eilenburg wurden feine Zuckerwaren und Konfitüren produziert und aus Sachsen kamen Bonbons und Dragees an die Küste. Für Weihnachten brachten die Dampfer fremdländische süße Waren von Schokolade, Marzipan und seltene Früchte an Land. Sie landeten oftmals in den Regalen beim Kuchenbäcker sorgfältig aufgeputzt: Früchte aus Westindien und Afrika wie Datteln, Feigen und Mangos, spanische Rosinen, Kokosnüssen, gebrannte Mandeln, Makronen, Nüsse, Pastillen, Ingwerperlen, Schokoladenplätzchen, kandierte Zimtkörner oder Zuckerbohnen. Die Schaufensterauslagen um die Weihnachtszeit waren stets belagert vom Publikum. In Zeitungsannoncen um die Jahrhundertwende wurde um die Kundschaft geworben, oftmals die genauen Liefertermine der Produkte bekannt gegeben.
Autorin: Hannelore Kuna.