Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Garbräter

Garbräter

 

 In Rostock gibt es noch heute im Zentrum eine Garbräterstraße, in der ehemaligen Mittelstadt, als Querstraße. Die Südseite der Straße ist durch die Bomben des Zweiten Weltkriegs völlig zerstört worden und namentlich ist die Garbräterstraße in der Stadt seit 1516 nachweisbar.

Die Garbräter bereiteten rohe Nahrungsmittel, insbesondere sämtliche Fleischarten, essfertig zu. Sie waren spezialisierte Köche und modern gesprochen, die Vorläufer des heutigen Partyservice. Das wirft die Frage auf, wie kam das Fleisch ursprünglich auf den Tisch?

 Hauptsächlich kannte das Mittelalter zubereitetes Siedefleisch (Kochfleisch) und das allgemein bekannte Bratfleisch. Die Zubereitungsweise von Fleisch durch Sieden war sehr verbreitet, es war billig und wurde ganz gewöhnlich am offenen Herd, meist in einem dreibeinigen Topf, den man hier im Norden Grapen nannte, zubereitet. In den höheren Ständen wurde das Fleischmahl je nach Gelegenheit und Anlass nicht mit Wasser, sondern mit Wein angerichtet. Das Bratenfleisch war qualitativ besser und teurer, ja wesentlich teurer und wurde gewöhnlich in großen Portionen oder meist ganzen Teilen angeboten. Anfangs konnte Fleisch hauptsächlich auf Spießen unter offenem Feuer mundgerecht zubereitet werden, denn Pfannen für kleinere Bratengerichte wurden erst im Ausgang des Mittelalters modern.

 Die Meisterfrau musste sich also entscheiden, wenn sie am Morgen auf den Rostocker Markt ging, um dass Mittag für sämtliche Kostgänger des Hauses vorzubereiten. Entweder sie kaufte vom Knochenhauer auf der Fleischbank rohes Fleisch oder sie ging zum Garbrater und holte einen bereits angerichteten Braten. Letzteres geschah meist seltener. Beim Garbrater wurde beispielsweise Spanferkel, als Ganzes oder portioniert ob groß oder klein in acht Stücken angeboten. Kochschinken wurde ebenso feilgehalten mitunter gab es auch gebratenen Schinken. Die hiesigen Meister kannten bereits im 13. Jahrhundert die Wurstzubereitung aus Schweinfleisch, woraus besonders schmackhafte Mettwürste gestopft wurden und die über längere Zeit haltbar blieben. In der Fastenzeit liefen die Geschäfte für den Garbräter mäßig. Doch auch hier gab es eine wirtschaftliche Lösung. In der fleischlosen Fastenzeit konnten die Garbräter mit Genehmigung des Rats andere fertige Nahrungsmittel verkaufen, so durften sie Krapfen und anderes Fettgebäck auf eine begrenzte Zeit herstellen. Die Meister gerieten zwar bisweilen mit den Kuchenbäckern in üble Streitigkeiten, weil sie die Festlegungen überschritten, doch sie wurden auf diese Weise nicht nahrungslos. Reguläre Fastentage abgerechnet, konnte im Mittelalter etwa maximal an 230 Tagen Fleisch verzehrt werden. Jedoch war der Genuss von Fleisch sehr weit gefasst, denn auch ein guter Knochen ergab eine kräftige Fleischbrühe, zudem war der Fleischverzehr stark abhängig von dem Stand und der Person.

 Für norddeutsche Städte des späten Mittelalters sind Garbrater (lateinisch assator) in Bergen auf Rügen, Lübeck, Hamburg, Hannover, Hildesheim, Minden, Rostock, Stettin und Stralsund nachgewiesen. In den ältesten Stadtbüchern von Rostock sind für 1281 ein Albertus assator und für 1288 ein Iohannes assator verzeichnet. Noch bis Ende des 19. Jahrhunderts boten in Rostock regelmäßig Garbräter ihre zubereiteten Nahrungsmittel an. 1872 standen im Rostocker Adressbuch 9 Garbräter. In Hamburg saßen die Garbräter mit den Heringswäschern in einem Amt, in Stettin mit den Schlächtern. In Lübeck verkauften die Meister auch gekochtes Fleisch, Würste, Wildbret und ausgewählte Fischarten. In Stralsund wurde 1645 das Amt der Garbräter mit dem Amt der Knochenhauer zusammengelegt. In einigen Regionen wurde die Garküche städtisch verwaltet und nicht zünftig, sie wurde vom Rat an einen nachweislich befähigten Garbräter auf bestimmte Zeit verpachtet.

 In der Rostocker Garbräterstraße stand das Gemeinschaftshaus der einheimischen Krämer (Krämerschütting), das erstmals 1443 so genannt und das nach 1544 bis 1799 durch die Pantoffelmacher (Pantoffelmacher-Schütting) genutzt wurde. Weitere Meister besaßen Garbrätereien in der Großen Scharrenstraße oder bei den Alten Scharren in der Altstadt.

 Die Standortnähe von Garbrätereien beziehungsweise von Garküchen zu großen Vereinshäuser und ebenso Gastwirtschaften hatte einen guten wirtschaftlichen Grund. Die Betriebe versorgten deren bürgerliche Feiern und Gastereien mit dem Mittagsmahl und bedienten private Kindtaufen, Heiraten und Beerdigungsfeiern.

 Das zünftige Handwerk von Rostock selbst, ließ es sich bei allerhand notwendigen und unnötigen Anlässen kulinarisch recht wohl ergehen. Ein Meisteressen zur Titelgewinnung bei den Rostocker Zinngießern bestand im 16. Jahrhundert aus dreierlei Braten, Fisch (Hecht oder Lachs), Käse und Butter, Rheinwein und Bier nach Bedarf. Am üppigen Festmahl beteiligten sich sämtliche Meister des Gewerks mit Gesellen, Lehrjungen und dazu kamen die Vertreter des Rats. Bei den etwa 50 Rostocker Handwerksämter im Spätmittelalter kamen da schon einige Großaufträge pro Jahr ein. Anfang Februar hatte die Garbräterei noch einmal Hochkonjunktur. Angesichts der entbehrungsreichen Fastenzeit, wollte man es sich, vom Bürger, Professor bis zum Pfarrer, noch einmal gut ergehen lassen.

 Die Schiffergesellschaft (ältestes Statut von 1576, Umänderungen 1714/15 und 1825) versammelte sich in ihrem Gelagshaus zum gemeinsamen Beraten, kräftigem Essen und Trinken. Die Gesellschaft besaß in der Großen Bäckerstraße ein eigenes Haus, das schon im 15. Jahrhundert als Schonenfahrer-Gelag Erwähnung fand. 1700 erwarb die Schiffergesellschaft noch den Schüttung der Haken (Kleinhändler) in der Kleinen Bäckerstraße. Beide Gelagshäuser wurden 1855 verkauft, um die Witwenkasse für 45 Witwen aufzubessern. Die Aufgaben, Ziele, gegenseitige Unterstützung und das Miteinander der Kompaniebrüder wurden durch 41 Artikel (1576) im vom Rat genehmigten Statut geregelt. Alljährlich trafen sich die Schiffer mit den Frauen zum Fastelabend, der begann bereits ein Tag vor Aschermittwoch. Gegen 11 Uhr traf man sich im Vereinshaus, um nachfolgend gestärkt der Fastenzeit bis Ostern entgegenzutreten. Die Organisation des Festes lag in den Händen eines gewählten Schaffers, der vorher mit dem Garbräter, dem Bierbrauer und dem Bäcker die notwendigen Absprachen und Vereinbarungen getroffen hatte. Über den kulinarischen Verlauf des Fastelabends am 10. Februar 1780 wird berichtet: „Der Regiments-Tisch ward bedient mit Perlgraupen im Wein, danach Schinken mit langem Kohl, geräuchertes Fleisch; Ochsenzunge und Mettwürste gekocht, darauf gebratener Fisch, zuletzt gab es einen Wildbraten und einen Kälberbraten, dazu Gurken, Tittebirnen und Kohlsalat. An Brot war Herren- und Kümmelbrot vorhanden. Zum Schluss ward auch Butter umgegeben. An Wein wurde weißer und roter nach Belieben, auch Rostocker starkes Bier ausgeschenkt.“

 Die Garbräter nahmen das Handwerk sehr ernst und daher gab es allgemeine Regeln. Denn das Kochen und Braten der Fleischspeisen erforderte spezielles Wissen über Fleischarten und Geschmackbeigabe z. B. durch Gewürze und außerdem gehörte eine gute Portion Geschicklichkeit bei der Zubereitung dazu. Garbrätergesellen mussten daher eine Probezeit von etwa einem halben Jahr absolvieren, bevor sie in eine feste Anstellung übernommen wurden. Den Fleischeinkauf besorgte der Meister selbst. Schließlich hatte er eine vom Rat gebilligte Vereinbarung mit den Knochenhauern abgeschlossen, die aber nicht jedermann bis ins Detail zu wissen hatte. Auch der Stadtjäger für die Rostocker Heide war ein Wirtschaftspartner, denn Wild war zu sämtlichen Festgelagen sehr begehrt. Ein Ziemerbraten z. B. vom Hasen, Reh oder Hirsch, das war ein Rückenbraten mit oder ohne Keulen, konnte in drei Teile (Wedel-, Mittel- und Blattziemer) angerichtet werden, ansonsten wurde Fleisch im Ganzen am Spieß über Kohlenglut gebraten. Über viele Stunden musste das Schwein oder das Kalb vom Gesellen gewendet und mit reichlich Flüssigkeit übergossen werden, damit der Braten nicht zu scharf und faserig geriet, sondern bissgerecht und saftig schmeckte. Das sogenannte Bratenwenden war eine körperlich anstrengende Arbeit und an fürstlichen Höfen im Mittelalter eine Dienstpflicht der Bauern.

 Die neuere Zeit brachte durch Einsatz von technischen Neuerungen einige Verbesserungen im Beruf mit. 1823 wurde ein Bratenwender mit Räderwerk erfunden, der nach dem Prinzip eines Uhrwerks mit Gewicht oder Feder und Hemmung funktionierte und den Ochsen am Spieß automatisch über der Glut drehte.

Autorin: Hannelore Kuna.

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