Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Flussfischer

Flussfischer


 Auf der Unterwarnow von Rostock bis Warnemünde lag das Betätigungsgebiet der heimischen Flussfischer (Binnenfischer). Gehörten die Fischer auch nicht zu den bedeutendsten Gewerken, so blieben sie in Rostock stets einflussreich. Die Petrikirche der Altstadt bildete über Jahrhunderte hinweg ein prägendes Zeichen für die Fischer, war sie doch dem heiligen Petrus - dem Patron der Fischer gewidmet worden. Drei gewerbliche Brüche (sumpfige Wiesengebiete) lagen unterhalb der Altstadt außerhalb der Stadtmauer und gehörten von Anfang an seit 1218 zur Stadt: Küter-, Gerber- und Fischerbruch. Nach dem Stadtbuch von 1400 hatten die Fischer stets 20 Leute für die Wehrfähigkeit der Stadt auszubilden und im Kriegsfall zu stellen. Im Dreißigjährigen Krieg wurde beim Straßenfischerhafen, am Strande, eine Fischerbastion mit Blauen Turm errichtet, damit kein feindliches Volk auf „Schuten und Schlupen“ von Warnemünde hereingebracht werden konnte, wie geschrieben stand.

 Die ältesten Stadtbücher von Rostock bezeugen ab 1288 Fischer in der Neustadt. Nach ihnen wurden Straßen; die Fischbrücke (1258 erwähnt) in der Mittelstadt, Fischbänke als Verkaufsstätten und zwei Strandtore benannt. Die Fischerstraße in der Neustadt wurde erstmals 1265 erwähnt; sie endete am Fischertor, eines der Strandtore, das erstmals 1319 erwähnt wurde. Für die Versammlungen und Vergnügungen hielten die Fischer ein Haus an der Ecke Fischerstraße/Große Lastadie, den Fischerschütting, spätestens seit 1499 bezeugt. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Große Bäckerstraße und Große Böttcherstraße in Fischbank umbenannt und erinnert an die Fischverkaufsstände aus alter Zeit.

 Der Rat zu Rostock hatte seinen Fischern 1667 eine Satzung erteilt und spätestens seitdem waren die Fischer in zwei zünftige Ämter geteilt. Zum einen bildeten die Bruchfischer (Bröker) ein Amt mit Wohnungen, Gärten, Bootsliegeplätzen und Stellplätzen für die Netze usw., an der oberen Warnow. Zum anderen vereinigten sich die Straßenfischer (Sträter) in einem eigenen Amt, die wiederum bewohnten Straßen und Gassen an der unteren Warnow und nutzten Am Strande einen eigenen Hafen. Den Brökern und Strätern verlieh der Rat die gemeinsame Fischereigerechtigkeit gegen eine geringe Pacht, für das Gebiet der Warnow vom Mühlendamm ab bis zu der kurz südlich vor Warnemünde liegenden Insel „Pagenwerder“. (Diese Wieseninsel wurde bei der Neuregulierung des Fahrwassers 1837-1838 durchstochen). Anfang des 19. Jahrhunderts bestand die Pacht aus regelmäßigen Fischlieferungen (Deputat) an die Ratsmitglieder. Ab der Markierung Pagenwerder begann das Revier der Warnemünder Seefischer. Die Fischerei auf dem Breitling war schon nach der alten Urkunde vom 25. März 1252 den Rostocker Fischern vorbehalten. Aus den Gebietsreglungen entstanden gelegentliche Streitigkeiten, denn angelte ein Warnemünder auf der Unterwarnow einen Barsch, so rief das regelmäßig den Protest der Rostocker Fischer hervor. Besonders aufmerksam und unduldsam sollen die Straßenfischer gewesen sein. Im Bereich von Dierkow bis zum Breitling begaben sich auch die Dorfbewohner auf Fischfang, was durch die Rostocker Fischereiordnung verboten war. Namentlich die Leute von Oldendorf aus der adligen Herrschaft von Moltke zu Toitenwinkel benahmen sich recht dreist und lebten sogar besser von der Fischerei in der Unterwarnow als von der Landwirtschaft. Auch hier hatte die Fischerei eine lange Tradition. Auf dem Herrenhof zu Toitenwinkel war nach dem Kirchenbuch bereits 1553 ein Fischer ansässig.

 Nach der Rostocker Ratssatzung von 1667 gehörten jedem Fischeramt 31 Familien an. Für die Fischereipacht kamen sie zu gleichen Teilen auf. Die Zusammenarbeit wurde ähnlich wie in anderen zünftigen Handwerksberufen geregelt. Jedem Amt standen zwei Altermänner vor. Als Lehrlinge durften nur Jungens von Amtsmitgliedern aufgenommen werden. Das führte in der männlichen Linie oftmals zu großen Fischerfamilien, traditionell gingen vom Großvater bis zum Enkel die Generationen gemeinsam dem Fischfang nach. Die Lehrzeit dauerte dann vier Jahre und Gesellen konnten den Meistertitel erst nach dem 21. Lebensjahr beantragen.

 Der Verkauf begann früh morgens um 8 Uhr in den Fischbänken, das wusste jede Hausfrau. Die täglichen Fischwaren der Rostocker Flussfischer waren Barsche, Bleie, Brachsen, Hechte, Schleie, Neunaugen und Aale. Auswärtige Fischer der Umgebung mussten sich beeilen, um den Fisch an den Mann zu bringen. Beispielsweise fuhren die Warnemünder Fischer schon eine Stunde nach Mitternacht zu den Fangstellen, um den Fang einzubringen. Flusskrebse und Krabben wurden aus Wismar zugeführt.

 Konkurrenz erhielten die Rostocker Fischer auch durch den Verkauf von sogenannten Wagenfischen, die Fischware wurde nicht mehr lebend angeboten und die Leute aus der benachbarten Gegend brachten sie in die Stadt. Auf diesem Wege kamen insbesondere Brachsen, Karauschen, Karpfen, Schleie, Hechte, Kaulbarsche, Sandbarsche oder Zander, seltener wurden Moränen und Aale ins Angebot. Diese Wagenfische waren zwar weniger beliebt als der fangfrische Fisch, wurden dafür recht preiswert feilgehalten und landeten in den Kochtöpfen ärmerer Leute. Auf Grundlage der Polizeiordnung wurden zur Sicherung der Gesundheit vom Rat Fischseller eingeführt, die die Qualität des Fisches überprüften. Mit den Jahren brachten diese Polizeileute selbst den Handel an sich, weil die auswärtigen Fischer den toten Fisch schon am Stadtrand abliefern mussten, sodass einige Fischer schließlich Rostock mieden.

 Um 1850 existierten nach dem Mecklenburg-Schwerinschen Staatskalender in Rostock über 50 Fischer. Nach anderer Quelle übten im gesamten Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin im Jahr 1863 94 Fischer ihren Beruf hauptberuflich aus. Mecklenburg-Schwerin führte per 1863 an Fischwaren aus: Frische Fische 1201 Zentner, geräucherte und getrocknete Fischwaren 456 Zentner, 657 Holztonnen bzw. 1973 Zentner Heringe, 104 Zentner Anchovis und Sardellen, 5 Zentner Austern, zusammen 3739 Zollzentner, davon aber ein Großteil an Seefischen. Die Rostocker Fischer waren auch am Fischexport beteiligt.

 1919 erfolgte mit der Bildung des Freistaats Mecklenburg-Schwerin die Aufhebung der beiden Fischämter durch den Rat, unter Verpachtung der Fischereigewässer an einen Fischmeister. 1926 wurden auf Antrag der Fischer die alten Ämter wieder eingeführt, man hatte unter Verwaltung eines privaten Fischmeisters zu schlechte Erfahrungen gemacht. Allerdings war nun auch der Fischbestand im Warnowfluss durch den Hafenausbau in Warnemünde, durch die Vertiefung der Warnow und verstärkte Motorschifffahrt, sehr zurückgegangen.

Autorin: Hannelore Kuna.


Aalstecher


Der Aal war zu allen Seiten ein sehr begehrter Speisefisch. Er ist wohlschmeckend und auf vielerlei Art zuzubereiten. Gebraten, gekocht, geräuchert oder in Aspik eingelegt, einfach lecker. Der Aal fehlte auf keinem Küchenzettel an den fürstlichen Höfen und bei den reichen Leuten und hier am Meer konnte sich zu Festzeiten auch mal die ärmere Stadtbevölkerung den Fisch leisten. Insgesamt galt Aal als ein teures Gericht und ist er bis heute geblieben. Niedrige Preise waren eher die Ausnahme wie im Jahr 1845. Die Rostock Zollbestimmungen setzten den Zoll auf die Tonne Aal mit 9 Pfennigen gleich wie auf Dorsch und gesalzenen Hering.

 Für den Aalfang gab es besondere Fangmethoden und Gerätschaften, so dass sich unter den Fischern der Zweig der Aalstecher herausbilden konnte. Wie sehr der Aal und sein Fang mit dem Alltag Rostocks verbunden war, darauf deuten zwei bekannte Straßennamen hin. Die Straße Aalstecherbruch (heute Aalstecherstraße) am Hafen und Strande ist seit 1590 unter diesem Namen bekannt. Wie die Namen Fischerbruch, Fischerstraße und Fischbank zielt die Bezeichnung Aalstecherbruch auf den hohen Rang des Fischfangs in Rostock hin. Und noch einmal führte der Aal zu einem Straßennamen. Seit etwa 1514 besitzt eine Verbindungsstraße zwischen der Südwestecke des Neuen Markts und der Kistenmacherstraße die Bezeichnung „Glatter Aal“ (vorher Goldschmiedestraße). Auch in der zweiten Seestadt Mecklenburgs Wismar existiert mit „Glatter Aal“ eine gleichnamige Straße.

 Regional erfanden die Leute recht bunte Bezeichnungen für den Aal. In Bremen hießen große Aale Pannaale, mittlere Pincken und in Mecklenburg nannte man kleine Aale Aalekins.

Um Lauenburg hieß ein Aal mit großem Kopf Blaukopf. Aale die in trübem Wasser lebten hießen fast überall, so auch in Rostock, Mooraale. Vermutlich ist der Straßenname Glatter Aal auf die gute Qualität der Rostocker Aale zurückzuführen, die hier in der Straße angeboten wurden. Nur Fische, die in Netzen, Reusen, Angeln und Fischfallen landeten, blieben weitgehend unverletzt mit tadelloser Qualität.

 Über Jahrhunderte spielten zum Fang die Fischfallen auf Aal eine besondere Rolle. Die Fischer errichteten Aalwehre, um die Tiere gezielt in die Fallen zu lenken, die aber zugleich die Schifffahrt und den Mühlenbetrieb der Wassermühlen stören konnten, weil sie den Fluss einengten. Mit oder ohne Aalwehr hängten sie aus Weide geflochtene, engmaschige Aalkörbe in das Wasser, in deren breite Öffnung die Fische hinein schwammen und in den Wänden bzw. im Korbboden hängen blieben. Die Fischernte blieb glatt und unverletzt. Mit Aalkörben wird auch heute noch Aal und Dorsch gefangen.   

  Dagegen führte das Aalstechen mit dem Aalstecher, Aaleisen, der Aalharke, stets zu groben Verletzungen der Fische. Der Fisch gelangte mit argen Quetschungen, zerrissenem Fleisch usw. in den Einkaufskorb. Trotzdem war das Aalstechen eine sehr alte und effektive Fangmethode. Archäologen haben an Fundmaterialien herausgefunden, dass sie im Ostseeraum bereits seit der Steinzeit angewandt wurde.

 Die verwendeten Materialien zu Herstellung des Aalstechers wechselten in den mehr als 6000 Jahren natürlicher Weise, aber die Fischjagd und List ist sehr lange geblieben. In der Steinzeit bestand der Aalstecher aus zwei mit etwas Zwischenabstand miteinander verknoteten Außenhölzern und in der Mitte aus einer Knochenspitze, mit der der Fisch aufgespießt wurde. Ab dem Mittelalter wurde der Aalstecher vom Schmied als eine drei- bis fünfzackige zackige Gabel, aber mit vielen Widerhaken, aus Eisen handgeschmiedet.

 Der Fang mit dem Aalstecher erfolgte an den flachen Ufern von Flüssen, Seen, Teichen usw. auf die im schlammigen Untergrund vergrabenen oder auch nur ruhenden Aale. Im Warnow-Fluss mit Breitling, Moorgraben und Radelsee und in den ehemaligen Warnow-Armen um das Stadtgebiet lebte und lag auch der Aal recht gut. Die Rostocker Fischer gingen mit der Stechgabel am Ufer entlang oder fuhren mit dem Boot im flachen Wasser und stachen manchmal systematisch den Grund abgehend und mitunter auch blind in den Boden. Bei Erfolg, und der stellte sich fast immer bald ein, hatte sich der Fisch in die Gabel gequetscht oder auf den Zinken aufgespießt. Auch im kalten Winter ließ sich der Aal bei der Eisfischerei mit Aalstechen fangen, denn im Herbst hatte er sich eingegraben, um den Winter mit wenig Energieverbrauch zu überleben. In den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde allgemein die Aalstecherei aus Tierschutzgründen verboten. 

 Die Beliebtheit des schlanken, schlangenartigen Fisches aber ist bis heute geblieben. Auch in der DDR-Zeit war der Aal ein kulinarisches Thema. Bei der Anlandung an den Fischmärkten wurde der Aal in den 60ger Jahren nach Gewicht sortiert: Aal I, Aal II und Aal III usw. Aber zu kaufen gab es den Speisefisch nicht zu jeder Zeit und mitunter nur unter der Hand, dafür ganz frisch vom Fischer zu Schwarzmarktpreisen. Allerdings wurde er zur Ostsee-Woche im Überfluss angeboten. Selbst die Fans des F.C. Hansa Rostock bemächtigten sich seiner nach einem verlorenem Pokal-Endspiel mit dem Schlachtruf: „Wir haben den Aal und ihr nur den Pokal“.

 Heutzutage wird der Aal von der beruflichen Fischerei artgerecht mit der Bügelreuse, mit Aalkörben und der Langleine (Aalschnur mit Angeln) gefangen und privat natürlich mit Angelschein mit Handangel, Köder und Haken. Jeder Stadtfischerin und jedem Stadtfischer von Rostock ist es erlaubt im Fischereigebiet der Stadt maximal 60 Stück Aalkörbe und 1 Aaltrietze zu verwenden. Für alle Fangarten gilt, dass der Aal von der Kopfspitze bis zum Ende der Schwanzflosse, außer Blankaal, eine Länge von mindestens 45 cm aufweisen muss, sonst ist er untermaßig und muss ins Wasser zurück. Auch ist die Ausübung der Schleppnetzfischerei auf Aal in Mecklenburg-Vorpommern verboten.


Autorin: Hannelore Kuna

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