Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Korbmacher
„Nicht brech’ was gebogen, geflochten ich mache - so sei eine rechte Korbmachersache“, so lautet ein alter Handwerkerspruch. Die Korbmacherei ist ein altes Naturhandwerk, sie erforderte die Geschicklichkeit und Kraft der Hände, einige kleinere Werkzeuge und vor allem die Kenntnisse der Naturmaterialien in Feld und Wald.
Korbflechterei ist älter als die Töpferei oder die Glasbläserei. Bevor es feste Gefäße aus Ton oder Glas gab, fertigte man allerlei Flechtware aus biegsamen Stroh, Bast, Rohr oder Weide. Der älteste Fund (Flechtnachweis) stammt aus der Stein- und Bronzezeit.
Mit der weiteren Ausbildung und Vervollkommnung des Gewerks entstanden nützliche und schöne Gebrauchsgegenstände. Die Korbmacher fertigten Wagenkörbe, Tragekörbe, Siebe, Mühlkörbe, Gemüse- und Obstkörbe oder Kartoffelkiepen für den Transport, zum Abmessen und zur Lagerung, sie bauten Bienenkörbe und Fischkörbe und stellten viele nützliche Dinge für den Haushalt wie Einkaufskörbe, Wäschekörbe, Flaschenkörbe, Blumenständer, Ausklopfer, Papierkörbe, Tabletts, Untersetzer, Fahrradkörbe her.
Ihre grundlegende Technik war das Flechten, das sich bis heute verfeinerte: Feinflechterei (Weidenschienentechnik), Rahmenflechterei, Eckgeflecht, Siebgeflecht, Mattengeflecht, Mischtechnik, groß- und kleingeschlagene Arbeit (Vollweidentechnik), Sondertechniken, Bauflechterei und Rohrmöbelbau.
Entsprechend vielfältig wurden die Korbmacher auch für andere Arbeitsbereiche gebraucht. Die Bienenzucht Mecklenburgs benötigte Bienenkörbe, die im 18. Jahrhundert zum großen Teil aus Flechtwerk gebaut wurden. Da ging mancher Auftrag an die Korbmacher, die aus Roggenstroh oder gespaltenen Weiden Behausungen für die fleißigen Immen flochten. Die Strohbienenkörbe mit Deckel und Flugloch, bestanden aus leichtem Material und mussten auf eine Unterlage (Bretter) befestigt werden. Zusätzlich wurde das runde Strohgeflecht von außen und ringsherum mit Lehm bestrichen.
Dagegen hielten die Körbe aus den festen Weidenruten von selbst. Die Warnemünder und Rostocker Fischer setzten in der Warnowmündung Fischkörbe aus, insbesondere auf den ziehenden Aal, die der Korbmacher „fischgerecht“ für sie fertigte.
Während der Kriegszeiten wurden Korbmacher z. B. bei der Artillerie beschäftigt, das waren die sogenannten Schanzkorbmacher; die gefertigten Weidenkörbe wurden mit Sand und Steinen befüllt und sollten die Mannschaft z. B. vor feindlichem Beschuss beim Ausheben eines Grabens schützen. Im historischen Küstenschutz, insbesondere beim Deichbau, diente so ein befüllter Schanzenkorb dagegen als Baumaßnahme gegen Deichdurchbrüche. Einige Erfahrung brauchte es schon für solche Flechtarbeiten.
Als Flechtmaterial verwendeten die Handwerker seit eh und je biegsame Ruten von Weiden, Linden, Reben, Hartriegel und auch der Haselnuss. Als Hauptwerkzeuge und Gerätschaften nutzten sie Weidenmesser, Pfriemen, Anstechschnitzer, Stocksäge, Hobel, Bohrer, Ahlen, Eisen zum Klopfen, Werkbrett, Weichwanne u. a.
Der Weidenhobel war ein entscheidender Schritt zur Entwicklung der feinen Korbmacherei, er wurde durch den Michelauer Korbflechter Johann Puppert zu Michelau (bei Bamberg) um 1773 erfunden.
Die Weide war immer schon ein besonders geschätztes Material. Korbweide (Salix viminalis) erweist sich als sehr biegsam, zäh und dauerhaft. Sie wurde unter verschiedene Namen bekannt wie Bandweide, Fischerweide, Grundweide, große Krebsweide, große Korbweide, Hanfweide, lange Haarweide, Spritzweide, große Flachs- oder Haarweide und Uferweide, Arintsweide, Kneyenbusch, Elbweide, Seilweide oder Wasserweide. Produkte aus Weidengeflecht schätzte die Kundschaft, weil diese langlebig und preiswert waren.
In Mecklenburg und Vorpommern gehört der Weidenbaum bis heute zur Kulturlandschaft. Als Baum, Busch oder Strauch wurde er ab Ende des 18. Jahrhunderts beim Übergang von der kleinteiligen Dreifelderwirtschaft zur großflächigeren Koppelwirtschaft gepflanzt, Weide diente als Windschutzstreifen oder als Flächengrenzmarkierung auf feuchten Flächen. Ansonsten wachsen Weiden scheinbar wild an Flüssen und Bächen.
Zeitweise verordnete die mecklenburgische Regierung den Bauern aus den Weidentrieben natürliche Zäune wachsen (Stecklingsvermehrung) zulassen. Auf diese Weise sollte auf den Bauerngehöften das wertvolle Holz für die Zäune eingespart werden. Aber es gab auch Zeiten, in denen die Weide nicht geschützt wurde und auf den Fortbestand nicht wert gelegt wurde. Die Korbmacher waren jedoch zunehmend auf eine forstwirtschaftliche Bebauung von Weidenstrauchflächen mit kurzjährigem Umtrieb in den Wäldern angewiesen. In kleineren Städten Mecklenburgs wurde mitunter das Privileg für eine Korbmacherei zugleich mit einer landwirtschaftlichen Fläche zum Weidenstrauchanbau vergeben.
Die Weide wurde vielseitig genutzt, sodass das Rutenmaterial nicht ausreichte, was sich wiederum auf den Verkaufspreis niederschlug. Die Korbmacher von Braunschweig z. B. mussten die Ruten für viel Geld aus Marsch- und Geestgebieten der Umgebung von Bremen oder hinter Hamburg einkaufen. Die Materialfrage vor Ort gibt möglicherweise auch eine Erklärung dafür, dass beispielsweise im Jahr 1818 Kopenhagen 17 und Rostock 3 Korbmachereien verzeichnete, während in Hamburg die Werkstätten „der Korbmacher ganze Straßen füllten“.
Für die Verarbeitung von Weide mussten einige Vorarbeiten getroffen werden. Die feinen Bindeweiden stellte der Korbmacher büschelweise in ein Wasserfass im Keller, bis sie trieben und vollständig im Saft standen, denn dann ließ das Arbeitsmaterial sich leichter schälen. Vor Beginn der Arbeit wurden die Weidenruten erneut in Wasser eingeweicht, damit sie sich leicht biegen ließen. Für grobe Arbeiten im Sommer stellte er die Reiser 8 bis 10 Tage in Wasser, für feinere wurden sie abgeschält und für allerfeinste Arbeiten wurden die Reiser nach dem Spalten gehobelt. Um farbige Verzierungen zu erreichen, konnten die Reiser eingefärbt werden, gewöhnlich gelb, rot, orange blau oder grün. Damit die Farben dauerhaft blieben, erfolgte ein nachheriges Schwefeln im Schwefelkasten.
1800 arbeiteten in Rostock 3 Korbmacher und 1850 4 Korbmachermeister. Von allen Rostocker Korbmachern wurde Wilhelm Bartelmann nachhaltig bekannt. Er ging durch seine Erfindung des Strandkorbs in die europäische Badegeschichte ein. Bartelmann hatte 1870 seinen Betrieb mit Ladengeschäft für Haushalts- und Wäschekörbe eröffnet, sein Geschäft lief gut, zunehmend versorgte er den Schweriner Hofstaat mit Korbwaren, was ihm den Titel eines „Hof-Korbmachers“ einbrachte.
1882 fertigte er auf Wunsch einer adligen Dame (Elfriede Maltzahn zu Rostock) den ersten Strandkorb als Einsitzer an, der als Schutz vor Wind und Wetter gedacht war. Der findige Mann hatte auf die Bedürfnisse der Dame hin einen großen Wäschekorb umgewandelt. Ein Jahr später eröffnete seine Frau die erste Strandkorbvermietung in Rostock-Warnemünde. 1895 gründete Johann Heinrich Theodor Falk (1870-1953), ehedem Lehrling bei Bartelmann, seine Korbmacherei. 1906 entwickelte der Korbwaren-Fabrikant in der Wismarschen Straße Nr. 3 einen Zweisitzer, dann den Strandkorb mit verstellbarer Rückenlehne, den Halblieger und 1910 einen zweiteiligen Liegekorb, den Strandkorb von heute.
Der Siegeszug des Strandkorbs an der Nord- und Ostseeküste war nicht mehr aufzuhalten. Die erste Strandkorbfabrik entstand 1925 in Heringsdorf auf der Insel Usedom.
Der Rostocker Meister Wilhelm Bartelmann starb im Juli 1932 im Alter von 85 Jahren. Der Bombenangriff 1942 zerstörte diese Korbmacherei vollständig.
Autorin: Hannelore Kuna