Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Die frühe Aufnahme der Grundstücke und des Gebäudebestands diente in Rostock hauptsächlich dem Grundbesitznachweis etc., woraus die Grundregister von 1600-1820 und die Hausbücher sowie die Schoßregister der Steuererhebung entstanden sind. Größe, Umfang, Wert, Kaufpreis usw. klassifizierten den jeweiligen Besitz mir Kategorien wie Giebelhäuser, Buden, Speicher und Keller. Zur Schätzung, Erhebung und Revision des Schoßes auf Grundstücken, Gebäuden und Betriebsstätten arbeitete beim Rat eine besondere Behörde, 1836 das Schoßdepot genannt. Eine genaue Vermessung von Immobilien erfolgte im Mittelalter und in den folgenden Zeiten jedoch kaum.
Bis etwa 1600 war Rostock aus den drei anfänglichen Siedlungsteilen (Altstadt, Mittelstadt und Neustadt) mit Straßen und Plätzen, mit privaten und öffentlichen Gebäuden voll erbaut, dabei bildete die Warnow eine natürliche Grenze des Stadtgebiets und die Stadtmauer dagegen die künstliche Grenze. Für neue Erweiterungsbauten war innerhalb der Stadtmauer kein Platz gegeben, deshalb siedelte man in Zusammenhang mit geruchsbelästigenden Gewerben und ihren speziellen Arbeitsbedingungen, wie die der Küter (Fleischer), Gerber und Fischer, im Osten außerhalb der Stadtmauer.
Nach dem Grundregister von 1600 existierten etwa 800 größere Gebäude als Giebel- und Querhäuser und rund 1200 Buden (kleinere, einstöckige Bauten). Im Jahr 1835 betrug der Gebäudebestand 2269 Privathäuser: 908 große Häuser, 1210 Buden oder halbe Häuser, 89 Speicher (ohne Speicher auf den Hinterhöfen), 40 Säle (Wohnungen mit dem Haupthaus verbunden mit eigener Tür ohne Parterre) und 10 Anlehnen oder Viertelhäuser. Die Häuser der Altstadt im Fischer-, Gerber- und Küterbruch hatten durchweg ein Stockwerk, die etwa 50 stolzen Giebelhäuser rund um den Neuen Markt ragten 5-6-stöckig heraus, die Regelhöhe war 2-4 Stockwerke.
Von 1600 bis 1835, über einen langen Zeitraum von 235 Jahren, blieb der Gebäudebestand relativ konstant und im Wesentlichen erhalten. Meist bedeutete dies, dass marode Häuser erneuert wurden, zerfallene oder nach Bränden zerstörte Gebäude ebenso an Ort und Stelle nach alten Grundmaßen wiederaufgebaut entstanden. Wohnraum konnte gewonnen werden, indem gelegentlich ein Stock höher gebaut wurde, doch Grundstücksvermessungen erübrigten sich.
Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts und spätestens mit der Gründerzeit nach 1871 wurde auch in Rostock rasant gebaut, die Stadt wuchs über ihre alten Grenzen hinaus. Vorstädte entstanden mit neuen Straßen und Plätzen, Villen und kasernenartige Arbeiter-Wohnbauten oder Industriebauten wurden errichtet und jeder Grundriss, jede Straßenflucht usw. musste exakt ausgemessen werden.
Eine wesentlich wichtigere Rolle als innerstädtisch nahm von eh und je die Vermessung der Stadtfeldmark und der darüber hinaus liegenden Besitzungen ein. Zur ursprünglichen Stadtfeldmark gehörten die die „Stadtveste“ (Mauer, Graben und Wall) direkt umgebenden Felder und Wiesen. Nach dem Rostocker Erbvertrag von 1584 zogen sich die Stadtfeldmark nordöstlich der Stadt von der Warnow zum Petri-Tor, über das Mühlen-, Stein- und Kröpeliner Tor bis zur Warnow im Nordwesten hin.
Die Feldmark insgesamt bestand aus einzelnen an die Bürger verpachteten Parzellen für Ackerbau- und Viehzucht und zeitweise aus zwei größeren Höfen. Damit erschöpfte sich aber der Rostocker Landbesitz noch nicht. Der Rat, einzelne Bürger, die Hospitäler, Kapellen, Kirchen und Klöster erwarben Besitzungen außerhalb der städtischen Feldmark, deren Umfang und Wert nicht unbedeutend erschien. Rostock schaffte es, außer durch Seefahrt, Handel und Handwerk, auch durch die Erweiterung von Grundeigentum, insbesondere in der letzten Hälfte des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts, zu beachtlichem materiellen Wohlstand zu kommen. Das unter der kurzen Regierung von Wallenstein 1628 in Mecklenburg erste angelegte Landeskataster (allerdings ohne Vermessung) Mecklenburgs legt davon Zeugnis ab.
Im 18. Jahrhundert entstand u. a. aus diesen Eigentümern der Seestadt (dazu die Besitzungen aus dem landesherrlichen Domanium, von geistlichen Stiftungen, ritterschaftlichem Besitz und den sogenannten Gemeinschaftsorten) der „Rostocker Distrikt“ (Stadt Rostock, 48 Dörfer und ein Flecken). Der Distrikt entwickelte sich zu einem kleinen mecklenburgischen, administrativen Landesteil, aus dem Staat und Stadt passable Einnahmen durch Steuern erzielten und Rostock die Dienste seiner Untertanen in Anspruch nahm. Im Gegenzug gewährte Rostock Schutz für seine Leute, übte die Gerichtsbarkeit aus, regulierte die militärische Einquartierung usw. Für sämtliche Stadtgüter und Dörfer im Distrikt war 1836 das Kämmerei-Administrations-Departement beim Rat zuständig.
Mit diesem umfangreichen Landbesitz war eine Vermessung oder spätere Nachmessung der städtischen Feldmark, der Ortschaften und Ländereien stets der rechtliche Weg, um Besitzstände zu sichern und Verpachtungen vorzunehmen. Die Vermesser oder Landmesser waren anfangs vereidigte städtische Beamte, die gewissenhaft und mit technischem Geschick ihr Amt ausführten.
Als Längenmaß für Ackerflächen galt die „Ruthe“, die 8 Ellen oder 16 Fuß betrug und auf das heutige Maß umgerechnet 4,66 Meter ausmachte. Die Ausmessung geschah mit einem Messseil (Reep) oder mit einer eisernen Messkette, meist fünf Ruthen lang war. Die ausgemessene Fläche wurde zum Quadrat umgerechnet (Quadratruthen). In diesen kleinen Größenordnungen von X-Quadratruthen handelte es sich in der Regel um Flächen der städtischen Feldmark. Standen die Grenzen fest, setze man Grenzsteine oder andere Marken und schrieb den Verwaltungsvorgang in Stadtbüchern fest.
Für die städtische Rechtssicherheit konnte die Vermessung im Falle eines Rechtsstreits mitunter nicht ausreichend sein. Denn nach dem Rostocker Erbvertrag mit der Landesherrschaft von 1620 war bestimmt worden, dass Rostocker Landgüter immer beim Ausscheiden des ältesten Bürgermeisters, innerhalb von drei Monaten der Konfirmation (der erneuten Besitzbestätigung) durch den Landesherrn in Schwerin unterworfen waren. 1751 versäumte dies die Stadt, sodass ihr der sogenannte, einem Offizier zur Erbpacht gehörende „Drageshof“ auf der Stadtfeldmark für 10 Jahre entzogen wurde. Durch jahrelangen Rechtstreit gelang die Zurückführung.
1852 beschloss der Rat im Zuge der Anlage eines neuen Grundstücks- und Gebäudekatasters „eine geometrische Vermessung und Chartierung, der hiesigen Vorstädte, mit Einschluss der sogenannten Brüche und auch der hiesigen Feldmark“. Für das Geschäft bestellte der Rat den qualifizierten Geometer, Kammeringenieur Saniter aus Ribnitz, nebst Gehilfen. Saniter war Beamter der Landesregierung und in dieser Eigenschaft für den Distrikt Rostock zuständig. Die Bürger und Grundstückseigentümer hatten sich auf eine lange Zeit einzurichten und den Geometer und die Gehilfen auf keine Art und Weise bei der Arbeit zu stören. Außerdem waren die Bürger aufgefordert ihre Atteste, Verträge, Urkunden, der „Löblichen Kämmerei“ vorzulegen, damit ihnen Gerechtigkeit widerfahren konnte.
Etwa zu gleicher Zeit (1854) verabschiedete die mecklenburgische Regierung eine neue Ordnung für die Feldmesser und 1864 wurde sie wieder revidiert. Es erfolgte seit 1853 in der Messtechnik eine Umstellung auf die moderne Trianguliermethode (Dreiecksmessung), mit der exakte Kartenwerke geschaffen werden konnten.
Bis zum Jahr 1882 war die erste Landvermessung Mecklenburgs auf trigonometrischer Grundlage unter der Leitung der Mess-Pioniere Paschen und Förster abgeschlossen. Ab 1874 arbeiteten in Mecklenburg auch ausgebildete vereidigte Feldmesser, die bestellt werden konnten. Ab 1880 nannten sie sich „geprüfte Vermessungs- und Culturingenieure“. Sie sind als Vorläufer der heutigen freiberuflich tätigen, öffentlich bestellten Vermessungsingenieure anzusehen.
Autorin: Hannelore Kuna