Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Leichterschiffer

Leichterschiffer, Nachprahmer 
 
 

Leichter bzw. Nachprahmer waren kleinere Transportschiffe zur Be- und Entladung von größeren Schiffen, die draußen auf See auf Reede vor dem Hafen lagen. Die Leichterschiffe erwiesen sich im Rostocker Hafenbetrieb als unersetzbar, weil das Fahrwasser für Großsegler mit schweren Frachten viel zu flach war und daher wurden alle Waren und Güter in den Hafen transportiert.
 Der große Wirtschaftshafen war der Stadt naturbedingt in Warnemünde vorgelagert. Am 12. Oktober 1264 übertrug Fürst Heinrich Borwin III. die Rechte am Hafen zu Warnemünde mit all seiner Nutznießung der Stadt. Ursprünglich befand sich der Hafen weiter östlich und er wurde 1421 in westlicher Richtung verlegt. Erst seit dieser Zeit galt das „Kirchdorf Warnemünde“ als Hafenort für Rostock.
Im praktischen Handels- und Gewerbeleben liefen die Hafennutzung und die Schifffahrt auf der Unterwarnow nicht ohne Einschränkungen ab. Das Haupthindernis für einen florieren Schiffsverkehr entstand durch die Versandung mit Verringerung der Fahrtiefe. Dieses natürliche Problem existierte nicht nur hier, es bestand zeitweise in fast allen Mündungsgebieten der Ostseeflüsse. In den Mündungen der Trave, Warnow, Peene, Swine oder Dievenow erhoben sich Sandbänke, die stets Gefahrenstellen für die Seefahrt darstellten. Die Entstehung beruhte auf natürliche Gegebenheiten, denn von großen Dünen stürmte Sand in die Fahrrinne, zuzeiten so stark, dass das Einlaufen der Schiffe in den Hafen unmöglich wurde. Nicht allein der starke Wind machte den Wasserverkehr zu schaffen, sondern schwierige Meeresströmungen vor der Warnow führten ebenso Sandmassen mit sich und lagerten sie vor der Mündung ab.
 Zu allen Zeiten widmeten der Rat und das Gewett der freien, ungehinderten Schifffahrt große Aufmerksamkeit, war sie doch eine bedeutende wirtschaftliche Lebensader der Stadt. Der Rat beorderte erfahrene Zimmerleute und Ingenieure ans Werk, um wirksame technische Maßnahmen gegen die Fluss-Versandung zu ergreifen. Bollwerksbauten und See-Molen entstanden; Dünenschutz, Stromregulierungen und Ausbaggerungen wurden vorgenommen, um die Fahrrinne in ausreichender Tiefe zu erhalten.

 Man verbot den Schiffern das Ausladen von Ballast, Steinen, Sand, Müll, Seetang, toten Fischen usw. im Fluss. Auch das Flößen wurde untersagt. Wracks mussten innerhalb von vier Wochen gehoben werden. Den Leuten in der Warnemünder Vorderreihe wurde bei Strafe verboten ihren Kehricht an das Bollwerk zu fegen.
 Trotz aller städtischen Erlasse und Verordnungen behinderte die Natur immer wieder den flüssigen Schiffverkehr, sodass schwer beladene Schiffe mit Tiefgang vor Warnemünde in Reede gingen, ankerten und darauf warteten, bis sie entladen wurden.

 Trotz aller Anstrengungen blieb dieser wirtschaftliche Übelstand bis zum Ausbau der modernen Hafenanlage nach 1900 bestehen. Bei normalem Wasserstand betrug die durchschnittliche Tiefe des Hafens in Warnemünde im 19. Jahrhundert 2,5-3 m. Große Fahrzeuge von 80-100 Last Tragfähigkeit konnten nicht mehr ihre volle Ladung aufnehmen, sondern mussten vorausfahren, auf Reede gehen und die Hilfe eines Leichterschiffers in Anspruch nehmen.
 Der Natur entsprechend blieb die Wassertiefe übers Jahr nicht konstant, sodass die Seeleute sich nicht nie sicher sein konnten. Winde aus Nordwest bis Nordost ließen das Wasser steigen, Winde aus Südost bis West hatten ein Fallen des Wassers zur Folge. Starke NO-Stürme konnten zu einem Ansteigen des Wassers bis zu 2,4 m über mittlerem Wasserstand, SW-Stürme zu einem Absinken bis zu 1,6 m darunter führen.
 Daher erhielten Schiffsführer zur Orientierung auf See ein Zeichen, indem an einer Stange mit hochgezogenem Ball die Wassertiefe für die Hafeneinfahrt angezeigt wurde. Ein großer schwarz und weiß gefärbter Ball signalisierte 14 Fuß Tiefe, ein kleiner schwarzer Ball darüber, ein halben Fuß mehr und ein kleiner Ball darunter, eine halben Fuß weniger Wassertiefe usw. 
Auch die Fahrt vom Seehafen bis zum Stadthafen, 7 sm Warnow aufwärts, konnten nur Schiffe mit mittlerem Tiefgang antreten, da das Fahrwasser der Unterwarnow nur 8-9 Fuß an Tiefe bot. Fahrzeuge, die mit mehr als 70 Last beladen waren, erreichten schon einen Tiefgang bis zu 10 Fuß und konnten die Warnow folglich nicht mehr befahren, ohne vorher zumindest teilweise entladen zu werden.
  1835 zählte Rostock 30 Leichter bzw. Nachprahmer im Schiffsbestand. Die Zahl der Leichterschiffe richtete sich nach der Höhe des allgemeinen Schiffsverkehrs; 1806 verzeichnete Rostock beispielsweise kurz vor Übergreifen des Napoleonischen Krieges auf Mecklenburg nur noch 22 Leichter und 1842 in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs wieder 32 Leichterschiffe.   
Das Leichtern wurde nicht allein der Verantwortung und Sachkenntnis fremder Kapitäne überlassen. Die Rostocker Hafenordnung von 1853 ging hier im Paragraph 33 streng vor. Auf der Strecke zwischen Warnemünde und Rostock und zurück besaßen sowohl der Lotsenkommandeur in Warnemünde als auch der Hafenmeister von Rostock bei zu großem Tiefgang eines Schiffs das Recht, das Löschen der Fracht, teilweise oder ganz anzuordnen. Schiffe mit einem Tiefgang über 6 Fuß mussten generell mit Lotsen fahren.
Die Leichterfahrzeuge waren kleinere und flache Schiffe mit großer Ladefläche. Ihre Liegeplätze waren in Warnemünde zugewiesen.

 Von Leichterschiffern wurden grundlegende seemännische Kenntnis und Prüfungen abverlangt. Sie mussten sich genauestens mit den Fahrbedingungen auf der Warnow auskennen. 1856 (3. Januar) verordnete der Rostocker E. E. Rat, „dass nur solche Personen die Führung von Leichterschiffen gestattet werden darf, welche auch den außergewöhnlichen Vorkommenheiten auf Fluss und Rhede gewachsen sind.“
Und doch kam es vor, dass erfahrene Leichterschiffer beim Löschen scheiterten oder selbst in Havarie gerieten. In den vierziger Jahren des 19. Jahrhundert sank der Leichter „Haabets Anker“ in der Unterwarnow, weil er zu schwer mit Eisen beladen war. Der Schiffer hatte sich beim Gewicht der Ladung verhängnisvoll verschätzt.

 In Rostock handelte man damals mit dreierlei Schiffsmaßen für die Tragfähigkeit: Die sogenannte Ostseelast verglich man mit dem Gewicht von 2 Tonnen, die Kommerzlast betrug 3 und die Kaufmannslast 1,8 Tonnen. Allgemein wurde die Tragfähigkeit mehr geschätzt als exakt vermessen. Irrtümer bis zu 30 Prozent traten daher nicht selten auf. Eine genaue Eichung (Vermessung) des Laderaums der Schiffe gab es erst ab 1872.
1855 hatte ein Kaufmann eine Schiffsladung Knochen von den Knochenhauern der Stadt erworben und die Ware nach England verkauft. Dort sollten die Knochen gemahlen und das Knochenmehl zur Düngung später eingesetzt werden. Die Anlieferung in Hull war auf den 10. Juni vertraglich festgesetzt, scheiterte aber terminlich, weil der Leichter vor Warnemünde selbst auf Grund gelaufen war und das Schiff „Pauline“ geführt durch Kapitän Maaß seinen Zielort nicht erreichen konnte.
 

Autorin: Hannelore Kuna

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