Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Lithograph
Die Lithographie ist ein relativ junges Gewerbe, das durch Druckverfahren eine handwerkliche Arbeit ist und durch die zeichnerischen Vorlagen künstlerische Fähigkeiten erfordert. Lithographen zeichneten mittels Feder oder chemischer Kreide oder sie graphierten mit spitzen Gerätschaften ihre Arbeiten in Stein, um darauf die Zeichnung in Farbe auf Papier und Leinwand abdrucken zu können. Diese Techniken wurde erstmals 1796 von Alois Senefelder in München erfunden und fanden durch technische Neuerungen praktische Anwendung im Buch- und Zeitungsverlagen. Das Ergebnis war überraschend, denn eine Arbeit konnte viele Male reproduziert werden, sodass die Verlage und Druckereien dieses Verfahren anwandten für Reklamezwecke jeder Art vom Lebensmittel bis zu einfachen Werbezeichnungen für Theaterstücke. Die bildhafte Umsetzung des Wortes besaß eine breite Wirkung auf die Leute und die weitere Entwicklung des Werbeplakates nahm ihren Lauf.
Vor der Steinzeichnung bzw. dem Steindruck bediente man sich seit dem 14. Jahrhunderts der Holzschnittkunst (Xylographie) und des Holzdrucks für Illustrationen, wobei die Zeichnung mit dem Messer aus der geglätteten Holzplatte herausgeschnitzt wurde. Im 17. und 18. Jahrhundert war der Kupferstich auf kupfernen Platten vorherrschend, mit dessen Hilfe in Büchern Bilder kamen oder Land- und Seekarten gestochen und gedruckt wurden. Eine wesentliche Verfeinerung der Holzschnitt-Technik brachte der Holzstich mit sich, den um 1800 Tomas Bewick erfand. Alles in allem konnten aber mit Holzschnitten und Holzstichen nur spärliche Wiedergaben erreicht werden.
Die Entdeckung der Lithographie verbesserte die Wiedergabequalität von Zeichnungen für den Druck wesentlich. Gebraucht wurde ein Kalkstein, der auf der Zeichen-Fläche je nach Technik geschliffen oder angeraut und präpariert sein musste. Das Geheimnis der Technik beruht auf der Unvermischbarkeit von Wasser und Fetten. Entwickelt wurden verschiedene Verfahren: Kreidezeichnung, Federzeichnung, Radiermanier, die Graviermanier, die autographische Manier oder Umdruck.
Durch diese modernen Vervielfältigungstechniken begann der Einzug von Bilderdrucken in die bürgerliche Wohnung zu erschwinglichen Preisen für jedermann. Denn die Lithographie des 19. Jahrhunderts ermöglichte die massenhafte Wiedergabe verschiedenster Alltagsmotive, die sich nach dem Geschmack der Käufer richteten. Der wirtschaftliche Faktor war erheblich, denn eine Steinzeichnung erlaubte ein Druckvolumen von bis zu 10.000 Exemplaren.
Für das 19. Jahrhundert übernahm die Lithographie das Amt des volkstümlichen Kulturvermittlers, wenn auch oft in seltsamer Verzerrung, aber immer anregend, oft mit erfrischendem Humor. Jede Region, beinahe jede Stadt besaß ihren besonderen Künstler, der, nach bestem Können und Vermögen, ehrlich und einfältig, der Mit- und Nachwelt zum Erstaunen, Stadt und Land und was sich dort zutrug, „nach der Natur auf den Stein zeichnete“.
Lithographen waren bald im Handel, im Handwerk und in der sich entwickelnden Industrie gefragt und begehrt. Im Geschäftsverkehr, in der Buchhaltung, im Verkauf oder in der sich entwickelnden Werbung für die Produkte, benötigte man allgemeine einheitliche Standards, für Geschäftsbücher, Formulare, Etiketten, Rechnungen, Schreibpapier mit gedruckten Anschriften, Firmenlogo usw. Hier im wirtschaftlichen Bereich wurde dieses Kunsthandwerk bald genehmigungspflichtig wie die Tätigkeit der Buch- oder Kunsthändler, Bibliothekare, Antiquariate und Buchdrucker, denn Illustrationen aller Art unterlagen der staatlichen Zensur.
Beispielsweise suchte im Jahr 1830 der Rostocker Kaufmann J. G. Tiedemann einen geschickten Lithographen, „der in den verschiedenen Schrift-Arten in Federmanier, auch möglichst im Zeichnen geübt ist. Hierauf Reflektierende belieben ihre Bedingungen unter Beifügung einiger Probe-Arbeiten, portofrei bald möglichst einzusenden, und sich einer prompten Antwort versichert zu halten.“ Ganz im Sinne der modernen Zeit bezeichnete der Kaufmann den Arbeitsplatz als „Lithographisches Institut“.
In Mecklenburg hatte die Lithographie bis weit ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts eine große Zahl von Anhängern gefunden und so manches der damals begründeten kleinen „Institute“ konnte sich lange Zeit erhalten. 1850 wirkten in Rostock 3 lithographische Anstalten, in denen Landschaften, Städteansichten und Trachtenbilder vervielfältigt wurden. Bemerkenswerterweise geben sie noch heute über das Gegenständliche hinaus wichtige interessante und unwiederbringliche Aufschlüsse z. B über die damalige Baugeschichte wieder.
Der bekannteste mecklenburgische Lithograph war der Rostocker August Achilles, der durch seine Vielseitigkeit und seine stilsicheren Arbeiten ein anerkannter Künstler wurde.
August Achilles wurde am 16. März 1798 in Rostock als Sohn des Musketiers August Johann Achilles und seiner Ehefrau Anna Marie Friederike Koch geboren.
Seine Kindheit fiel in die Zeit der französischen Besetzung Mecklenburgs und spielte sich vermutlich so ab, wie John Brinckman im Kasper Ohm das Leben eines Rostocker Jungen beschreibt. Achilles absolvierte eine Tischlerlehre, ging als Geselle auf die Wanderschaft nach Berlin, wo er sich dem Instrumentenbau zuwandte und mit dem Zeichnen begann. Er kam zurück nach Rostock, wurde 1822 Bürger und verheiratete sich. Seinen Unterhalt verdiente er anfangs mit der Ausbesserung von Musikinstrumenten, mit frühen Zeichnungen und ersten Drucken. Der Weg vom dilettantischen Anfänger zum leidenschaftlichen Künstler verlief über anstrengende Jahre. Seine erste Arbeit war der Jahreszahl nach eine Ansicht von Doberan 1823. Es folgte eine Ansicht von Warnemünde 1825, worin er mit der Darstellung der bewegten See sich auseinandersetzte. Achilles besaß selbst eine Druckerpresse, er datierte und bezeichnet alle Arbeiten stets sehr ausführlich: „gedruckt und zu haben bei A. Achilles in Rostock“.
Die künstlerische Seite seiner Arbeiten fand in Rostock jedoch zu wenig Anerkennung, wie aus wohlwollenden wie kritischen Worten aus Berlin zu vernehmen war: „der bescheidene Künstler, gebückt und unbekannt, fristet bei Ihnen (Rostock) ein höchst steriles Leben mit Tabellen, Etiketten und dergleichen Lappalien, die sich wohl für einen lithographischen Taglöhner passen, aber nicht für einen Künstler, der eine Stufe der Kunst dominiert, wie Achilles.“ Eine spürbare Verbesserung seiner finanziellen Situation trat ein, als er nach Schwerin ging, um dort für den kunstsinnigen Herzog und für den fürstlichen Hof lithographisch zu arbeiten.
Am 9. Februar 1861 starb er in Altona, woraufhin die Mecklenburger Zeitung einen kurzen Nachruf der Öffentlichkeit zur Kenntnis brachte: „Der Zeichner und Lithograph August Achilles aus Rostock, welcher vor einer langen Reihe von Jahren hier in Schwerin wohnhaft war, ist am 9. Februar im noch nicht vollendeten 63. Lebensjahr in Altona gestorben. Achilles kann wohl als der Erste angesehen werden, der die Lithographie in Mecklenburg einführte.“
Mit zunehmender Spezialisierung und Weiterentwicklung neuer Techniken, z. B. mit der Fotographie und der drucktechnischen Umsetzung der fotographischen Vorlagen mit Belichtung begann ein neues Zeitalter der Reproduktion.
Autorin: Hannelore Kuna.