Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Litzenbrüder

Litzenbrüder
 
 

Litzenbrüder waren in Norddeutschland wichtige Unternehmer und Arbeitskräfte im gesamten Warentransport. An einigen Orten hießen sie Wagenlader und Schröter, in Böhmen nannte man sie Baumträger und Maskupträger, in Zürich und Strasburg kannte man sie als Spänner.

 Litzenbrüder arbeiteten im Großherzogtum Mecklenburg auch auf allen größeren Poststationen. Sie waren dort sehr willkommene Hilfskräfte im Reiseverkehr und sie verdienten sich für ihre Dienstleistung von den Passagieren ihren Tagelohn. Trafen die Postkutschen ein, standen sie mit ihren Leitern bereit, die am Wagen eingehakt wurden damit die Damen und Herren bequem aussteigen konnten und sie luden das schwere Gepäck von der Kutsche ab. Die Bezeichnung Litzenbrüder leitete sich damals von ihrer Postuniform ab, die mit einer Litze (Kordel) geziert war. In einigen anderen Städten hießen diese Gewerbetreibenden Dienstmänner und die unternehmerische Einrichtung Dienstmannsinstitut.
In den Seehandelsstädten an der Nord- und Ostseeküste hatten die Litzenbrüder spezielle Aufgaben zu erfüllen. In Hamburg waren sie Makler und Spediteure großen Stils im Handelsverkehr, sie besorgten für die Großhandelskaufleute Fuhren und Transporte, damit die wertvollen fremdländischen Waren pünktlich, unversehrt und vollständig an die Zwischenhändler und zu den Endkunden kamen - wohin sie auch verschickt werden sollten. Litzenbrüder vereinigten sich in der alten Hansestadt Hamburg zu einem Amt und waren in der Stadtgemeinde angesehene Bürger.
In der Seestadt Rostock arbeiteten die Litzenbrüder (wie in Hamburg) hauptsächlich im privaten Warenverkehr, sie organisierten Warentransporte, waren aber zusätzlich an der Akzise-Gewinnung (Konsumtionssteuer) für die Schweriner Landesherrschaft beteiligt. Denn Rostock erwies sich durch die ansässige Schifffahrt als der mecklenburgische Haupthandelsort und wurde somit zur territorialen Steuerquelle Nummer eins für den Staat. Um diese finanzielle Quelle gab es zwischen den Landesherren und den Ratsherren im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder Auseinandersetzungen. In den seit 1573 mehrmals neu verhandelten und stets aktualisierten Erbverträgen und -vergleichen, hatte sich die mecklenburgische Regierung diese Akzise (Besteuerung) gekaufter und gehandelter Waren in Rostock sowie für exportiertes, verschifftes Getreide hauptsächlich für die Staatskasse gesichert. Doch als seit 1722 die Akzise noch auf Brücken- und Dammgeld erweitert wurde, floss der halbe Anteil der Erhöhung in das Stadtsäckel von Rostock. Schließlich erhielt die Stadt aber für die ihr entgangene Akzise einen angemessenen jährlichen Ausgleich, zuletzt mit dem Vergleich von 1827 wurden der Stadt 14.400 Taler (Courant) zugebilligt.
 Für die Einnahme und Kontrolle der Akzise arbeitete in Rostock eine Staatsbehörde mit einigen Bediensteten. An der Spitze der Verwaltung stand der Akzise-Rat, ihm waren zwei Akzise-Einnehmer untergeordnet, dazu die Strandoffizianten, Torschreiber, Mühlenschreiber und eben diese Litzenbrüder. Teilweise arbeiteten einige von ihnen gleichzeitig für die Stadt, nur musste streng getrennt werden, was in die Staats- und was in die Stadtkasse gehörte. Allein der Akziserat war fest besoldet, erhielt volles Gehalt und dazu auf Lebenszeit 2 Freikarten im ersten Rang für jede Vorstellung im Rostocker Schauspielhaus. Außerdem, wenn eine Austernladung von über 1000 Stück per Schiff eintraf, erhielt er 25 Stück davon, blieb der Import unter 1000 Austern, dann stand dem Rat nichts zu.
 Weit weniger günstig gestaltete sich die Sicherung des Unterhalts der untergeordneten Angestellten, sie waren praktisch ohne Grundbesoldung und wurden nach einem Gebührentarif für akzisepflichtige Waren und Leistungen entlohnt, was allgemein die Aufmerksamkeit gegen den „Unterschleif“ (Steuerhinterziehung) förderte. Der letzte Gebührentarif der Großherzoglichen Regierung stammt vom 2. Juli 1829. Damals waren mit F. Marcus, J. G. Hochfeldt, J. Roepke und Prüssing vier Litzenbrüder angestellt.
 Die Hauptarbeitsstelle der Litzenbrüder war das vor 1830 erbaute sogenannte „Neue Haus“ oder wie es in Wismar und Berlin genannt wurde, das Packhaus. Das Rostocker Packhaus war ein zentrales Lagergebäude mit Waage, wohin auswärtige (nach Rostock von See und zu Lande importierte) Waren zur Steuerprüfung, zum Wiegen, Stempeln usw. gelangten. Für das Abladen eines Warenpostens am Packhaus, damit die Waren nach Akzise-Tarif geprüft und eingestuft werden konnten, und später für das Aufladen und den Transport zum Empfänger erhielten die Litzenbrüder 3 oder 4 Schillinge, je nachdem ob dieser ein Rostocker oder ein auswärtiger Adressat war.   
Steuern wurden auch von Postpaketen bezogen. Die Pakete mussten von den Litzenbrüdern zum „Neuen Haus“ geschafft werden, wurden dort geöffnet, nach ihrem Inhalt versteuert und erst danach konnten sie von den Empfängern gegen Zahlung der Akzise abgeholt werden. Pakete bis 20 Pfund mussten die Litzenbrüder umsonst erledigen, von 21 Pfund bis 50 Pfund erhielten sie 2 und darüber 3 Schillinge.
Das Aufladen von Ross- und Rindsleder wurde dem Litzenbruder nach Decher (altes Ledermaß) entlohnt. Auch Kaufmannswagen, die Rostock durchfahren mussten, beispielsweise von Hamburg über Wismar nach Stralsund, hatten bei Station in Rostock die tariflich festgelegte Akzise zu entrichten. Der Litzenbruder besichtigte und kontrollierte die Wagenladung, stellte den Akziseschein mit entsprechendem Betrag aus, der vom Fuhrmann auf der Akzise-Rezeption bezahlt werden musste. Mit abgestempeltem Akzise-Schein begleitete der Litzenbruder den Kaufmannswagen zum Stadttor zurück. Von jeder Fuhre „ob groß oder klein“ erhielt der Litzenbruder einen Lohn von 4 Schillingen.
 Neben allen mit der Akzise verbundenen Geschäften leisteten die Litzenbrüder auch private Gepäckbeförderungen oder kleinere Umzüge für die Stadtleute. Das Abladen eines Wagens mit Möbeln von 2 Pferden gezogen brachte 8 Schillinge ein, vom Möbelwagen mit mehr als zwei Pferden konnten 16 Schillinge verlangt werden. Auf Bestellung wurde auch der Transport beladen und hierfür galt der gleiche Tarif wie für das Abladen.
 Die Litzenbrüder von Rostock erkannte man im 19. Jahrhundert an einem Strick (Litze), den sie über die Schulter gebunden hatten und damit auf dem Rücken Gepäck tragen konnten. Ohne Litzenbrüder ging bis zur Aufhebung der Akzise per 1. Oktober 1863 in Mecklenburg und in Rostock wohl kein Warenverkehr ab. 


Autorin: Hannelore Kuna

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