Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Die Profession des Mattenflechters bzw. Deckenmachers für Fußböden in Arbeits- und Wohnräumlichkeiten kommt in Rostock in den städtischen Grundbüchern des 17. Jahrhunderts vor, sie wurden oft mit den Tapezierern zusammen aufgeführt. Die Arbeiten der Fußboden-Deckenmacher waren in der Wohnraumgestaltung eine übliche Ergänzung zu den Wandbekleidungen und -ausschmückungen der Tapezierer. Denn Deckenmacher fertigten Fußdecken (Teppiche, Läufer), Auflagen oder auch Verpackungsmaterialien zu vielerlei Verwendungszwecken und aus verschiedenen Materialien an. Ihre handwerkliche Technik gestaltete sich hauptsächlich durch die manuelle Flechtarbeit und sie verwendeten natürliche (einheimische) Materialien für ihre Arbeiten wie Binsen, Schilf, Maisstroh, Getreidestroh, Bast, auch Woll- und Tuchreste.
Die norddeutschen Deckenmacher erfüllten mit ihren soliden Flechtwaren alltägliche Gebrauchsbedürfnisse und waren daher auch nicht mit der künstlerischen Qualität orientalischer und indischer Waren vergleichbar.
Der in Hamburg geborene Baumeister Gottfried Semper (1803-1879) wies einmal in seinen Studien darauf hin, dass die Flechtarbeit überhaupt eines der ältesten handwerklichen Techniken des Menschen sei. Denn lange bevor feste hölzerne und steinerne Häuser gebaut werden konnten, gab es meist unbefestigte Unterkünfte aus verschiedenem Flechtwerk mit Schutzwänden.
Flechtwerk in verschiedenen Formen gewann im mittelalterlichen Rostock auch eine gewisse militärische Bedeutung. Unter der Bezeichnung „Tartzen“ bauten die Rostocker sich großwandige Setzschilde, die den Stadttruppen Deckung und Schutz gegen feindliche Geschosse gewähren sollten. Die Tartzen bestanden aus einer Konstruktion von Flechtwerk bestehend aus Holz- und Eisenmaterial. In den Ratsrechnungen des 15. Jahrhunderts wurden wiederholt „stormtacien“ oder „stormtarzten“ zusammen mit „bussenwagen unde stritwagen“ aufgeführt.
Später verbreiteten sich die Deckenmacher-Waren hauptsächlich auf den häuslichen Bedarf der Bürger. Die Arbeitsgänge der Deckenmacher erforderten keine aufwendigen technischen Vorkehrungen. Lediglich bei der Musterung von großen und aufwendigen Stücken wurden Rahmen eingesetzt. Im Weiteren erfolgten die einfachen Arbeiten aus freier Hand mit viel Geschicklichkeit, bei der auch die Überlieferung von Erfahrungen eine große Rolle spielte. Wie der Weber seine Kette auf den Webstuhl aufzog, spannten sie ihr Material parallel zueinander auf einen Rahmen und schlängelten mit der Hand den Einschlag hindurch. Eine ähnliche Technik verwandten die sogenannten Haarflechter, die speziell aus Rosshaaren, Haaren von Kälbern und Rehen robuste Arbeiten für Stuhlüberzüge oder Fußsocken und Stiefeln lieferten.
In den guten Wohnstuben der Bürgerhäuser lagen vermutlich teure Web- und Knüpfteppiche aus hochwertiger Wolle. Der gemeine Bürger hingegen musste auf preisgünstigere Materialien zurückgreifen, typisch mecklenburgisch waren da die Strohmatten.
Die Deckenmacher zogen aufs Land, um von den Bauern preisgünstiges Stroh aus der Ernte aufzukaufen, das auch qualitativ zu verwenden war. Dafür musste das Stroh eine gleichmäßige Stärke und Länge haben und es musste gut gelagert sein. In der Werkstatt wurde das Material angefeuchtet, damit es gut biegsam war. Mit einem schweren hölzernen Hammer, der einen langen Griff hatte, wurde das Stroh auf einen steinernen Boden gelegt, um es nun zu bearbeiten und in eine flache Form zu bringen. In der Grundform wurden die Strohhalme verschieden zusammengedreht zu einer Strähne und schließlich mit Nadel und Zwirn zur Matte zusammengenäht. Perfekte Mattenflechter verstanden es ihre Arbeit mit Mustern, Dekor und Dessin im Stroh zu verfeinern und damit einen höheren Preis erzielen.
Aus Holland kam Anfang des 19. Jahrhunderts die Idee der „Faulmatten“ (Fußmatten) in Mode, derer sich auch die Rostocker Deckenmacher annahmen. Die Leute legten eine kleine fest geflochtene Fußdecke aus Haaren oder Bast vor die Haustüren und Zimmertüren, die der reinlichen Haushaltung diente und jede eintretende Person war aufgefordert, sich daran die Schuhe abzutreten. Das zählte man nun zu den guten Manieren und ordentlichen Umgangsformen.
Durchaus waren Fußmatten für die Reinhaltung der Häuser und Wohnungen eine notwendige Haushaltsanschaffung. Sauberkeit war ebenso ein städtisches Problem, so hatte der Rat die unhaltbaren widrigen Zustände frühzeitig erkannt und immer wieder gegen die Nachlässigkeit der Bürger Erlasse und Verordnungen öffentlich gemacht. Die Rostocker Bürgersteige waren Anfang des 19. Jahrhunderts wohl instandgesetzt worden, dagegen die Straßen und Gassen aber noch weniger befestigt. Viel Staub und Schmutz lagen bei längerer Trockenheit auf den Straßen herum und nur langsam wurde in der Stadt eine Besserung der Ordnung und Reinlichkeit erreicht.
Am 11. Juni 1847 verbot der Rat das Umherlaufen des Federviehs auf den Straßen innerhalb der Stadtmauer, in den Vorstädten blieben die Hühner auf den Straßen und Wegen weiterhin geduldet. Am 14. Januar 1853 erinnerte der Rat den Bürgern zu Rostock mit einer Bekanntmachung an die seit Längerem bestehende Verpflichtung der Hausbesitzer die Gehsteige täglich zu fegen und die Straßen mussten 2-mal in der Woche gefegt werden. Hauskehricht durfte von den Hausbesitzern und Mietern am Mittwoch und Sonnabend vor 6 Uhr morgens in Haufen auf die Straße gebracht oder in Gefäßen vor die Tür gesetzt werden. Am Tage kamen die Stadtfuhrwerke und die Arbeiter luden den Müll auf. Das Durchsuchen der Kehrichthaufen zum Knochen- und Lumpensammeln auf den Straßen wurde bei Strafe streng verboten.
Die Anfertigung der modernen Fußmatten erforderte vom Handwerker nicht allzu großen Zeitaufwand, denn das benötigte Material war grob und widerstandsfähig. Sie benutzten Bast, den sie durch Abschälen der dünnen Rindenschicht unter der Borke von Linden, Weiden und Birken gewannen und auf Vorrat lagerten. Dieser Bast war schon ein ideales traditionelles Material und dazu einheimisch. Mit der Zeit führte aber die Bastgewinnung in der Stadtwaldung zur Schädigung der Bäume, weshalb schließlich durch städtische Forstordnungen das Schälen nur an geschlagenen Bäumen erlaubt wurde. Das einheimische Material benutzten nicht nur die Deckenmacher, auch andere Gewerke hatten das Naturmaterial für sich entdeckt z. B. zur Herstellung von Schiffs- und Brunnenseile oder Futter- und Gebrauchskörbe.
Autorin: Hannelore Kuna