Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Mühlenbauer

Mühlenbauer
 

Über Jahrhunderte bestimmten Wasser- und Windmühlen das Landschaftsbild im Norden und traditionell die Stadtsilhouette von Rostock. Seit dem Mittelalter arbeiteten sowohl innerhalb der Stadtmauern als auch vor den Stadttoren wirtschaftlich bedeutsame Mühlenwerke. Jede dieser Mühlen wurde als ein ausgeklügeltes technisches Bauwerk in Verantwortung der Rostocker oder anderer mecklenburgischen Mühlenbauer gebaut. 
Die jeweiligen Standorte gaben Namen her wie für das Mühlentor, dem Mühlendamm (1262 erstmals erwähnt) oder für die Mühlenstraße (platea molendini, erstmals 1266 erwähnt).

 Dem Mühlenbauer unterlag die Bauausführung, welche stets komplex war, denn am Bau waren auch andere Gewerke beteiligt, und der Mühlenbauer war ebenso zuständig für alle folgenden Überprüfungen und Reparaturen.

 Im Mittelalter bildeten Mühlenbauer keine eigene Zunft, als Spezialisten kamen sie ursprünglich aus artverwandten Berufen wie Schmiede, Wagenbauer oder Zimmerer und vervollkommneten ihre Arbeitsfertigkeit zum Mühlenbauer. Nach den Aufzeichnungen im ältesten Stadtbuch von 1254-1273 wurden in diesem Zeitraum 12 Mühlsteine und Mühlräder nach Rostock gebracht.

 Das Nachschärfen von Mühlsteinen mit der Mühlenbille (spezieller Hammer) blieb eine regelmäßige Angelegenheit damit die Mühle gute Arbeit leistete. Der Mühlenbauer hatte neben der Technik etliche Gesetze und Vorschriften zu beachten, die meist im Pachtvertrag festgelegt waren. Ursprünglich besaß die Landesherrschaft das Mühlenregal, was zu alleiniger Errichtung von Mühlen berechtigte. Im Laufe der Zeit wurde dieses alte Recht erweitert, sodass auch Klöster, Gutsherrschaften und Städte usw. über einen Neubau verfügen konnten.

 Dafür ab es festgesetzte Bedingungen, die erfüllt werden mussten. Beim Bau einer neuen Wassermühle, z. B. an Orten wo bereits andere Mühlen arbeiteten, musste der Mühlenbauer die Obrigkeit zum Ortstermin bestellen lassen. Der Beamte justierte die Anlegung des großen Baums, des Fachbaums oder Mahlbaums, worüber das Wasser in das Gerinne geführt wurde, eigenhändig. Damit sollte gerechterweise verhindert werden, dass die untere Mühle nicht in Wassermangel und die obere Mühle nicht in Wasserüberfluss geriet.

 Zu den Rechtspflichten im Mühlenbau gehörte notwendig die Beachtung des herzoglichen Rechts auf den Allein- oder Großhandel mit Mühlsteinen, denn seit dem Mittelalter bis zum Jahr 1780 wurden die Mühlsteine aus dem Rheingebiet, dem sächsischen Elbsandsteingebirge oder aus Böhmen bezogen. Um 1460 kostete ein rheinischer Mühlstein 40 rheinische Mark und der häufig bevorzugte Sandstein 16 Mark. Die Stadt Boizenburg bildete den Mühlstein-Hafen für das Güstrower Herzogtum und Dömitz dagegen für das Herzogtum Mecklenburg-Schwerin. Die rheinischen Steine, das waren französische Hartsteine, die meist nur „Franzosen“ genannt wurden, kamen wiederum über Hamburg herein. Den Städten Rostock und Wismar gelang es frühzeitig einen eigenen Mühlsteinhandel einzubringen, der in Verantwortung von Mühlsteinherren der Städte lag. Hauptsächlich handelten die Rostocker Mühlsteinherren mit Steinen aus dem Rheinland.
  Die ersten Mühlen in Rostock waren wie überall im norddeutschen Raum Wassermühlen, denn sie nutzten die natürlich gelegenen Wasserkräfte aus. Rostock war gut ausgestattet mit dem vielarmigen Warnow-Fluss östlich der Stadt oder der „Grube“ zwischen Alt- und Mittelstadt, sie boten einen natürlichen Wasserzufluss. Allein am Mühlendamm mahlten im 13. Jahrhundert zehn Wassermühlen. Vor dem Kröpeliner Tor sind für die älteste Zeit weitere vier Wassermühlen nachweisbar, die ihr Wasser aus dem Stadtgraben nahmen, der ebenfalls Zufluss aus der Warnow hatte. Mithin versetzte fließendes Wasser das Wasserrad der Mühlen in Rotation, dessen Kräfte mittels Riemen oder Zahnradgetriebe auf zwei Mühlsteine übertragen wurden. Dadurch konnte das Getreide zu grobem Schrot und feinem Mehl zermahlen werden.
 Bei nicht allzu breiten und strömungsschwachen Gewässern errichteten die Mühlenbauer und ihre Handwerker Hilfseinrichtungen, um ausreichende Wasserkraft zu haben. Als künstliche Vorrichtungen konstruierten und erbauten sie Mühlenwehre (Wasserstaue), zuleitende Mühlenbäche oder Wasser führende Gerinne. So floss das Wasser in die offenen, wasserdichten Zellen des Mühlenrades, das sich über die aufgenommene Gewichtskraft des Wassers in Bewegung setzte. Diese Art der Mühlen(rad)technik nannte man oberschlächtiges Wasserrad.

 Von der Leistung her, bauten die Meister große und kleinere Wassermühlen, die sich durch die Anzahl der Glinde (auch Gelinde, Grinde) bestimmten. Eine Mühle mit vier Glinden war mit vier Wasserrädern ausgerüstet. Auf solche Mühlentechnik übertrug sich mit der Zeit die Bezeichnung Viergelindenmühle wie in Rostock (Ersterwähnung 1274) oder Vierradenmühle in Neubrandenburg und Gnoien. Der wirtschaftliche Nachteil von Wassermühlen lag in dem langsamen Betrieb oder der gänzliche Stillstand durch Einfrieren des Wassers im Winter. 1882 gab es in Mecklenburg 154 Wassermühle, 1910 noch 113 mit Wasser angetriebene Mahlwerke.
 Historisch entstanden die Windmühlen nach den Wassermühlen als zweite Mühlenart, die durch Windkraft der Mühlenflügel in Bewegung gesetzt wurde. In Mecklenburg werden Windmühlen seit 1296 urkundlich genannt. Das alte Grundprinzip einer Mühle, der Mahlgang mit Boden- und Läuferstein blieb auch bei den Windmühlen erhalten. Zunächst wurde die Bockwindmühle oder auch die deutsche Mühle überall gebräuchlich. Die drehbare, auf einem Bock gelagerte Windmühle bestand vollständig aus Holz und besaß zunächst nur einen Gang. Dabei drehte der Müller den Mühlenkörper mit anderen Manneskräften in Windrichtung, damit die Flügel die Windkraft aufnehmen konnten. Die Flügel waren mit „türförmigen“ Brettern gezimmert, die im starken Wind ein kräftiges „Geplapper“ abgaben. Dagegen benutzten die Engländer und die Schweden geräuschlosere Segel an den Flügeln, wovon auch die Mecklenburger etwa bis 1890 Gebrauch machten.

 Mitte des 18. Jahrhunderts etablierte sich in Mecklenburg mit der Holländermühle ein neuer Windmühlentyp, der die Bockwindmühle fast überall ablöste und womit Mecklenburg-Vorpommern ein traditionelles Windmühlenland wurde.

 Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts, mit Einzug der Gewerbefreiheit, entstanden namhafte Mühlenbaufirmen. Inzwischen war auch mit der Dampfmaschine eine dritte Mühlenkraft erfunden worden. Bekannte Mühlenbaufirmen entstanden mit Hofwoldt aus Rostock, Specht in Teterow, Helios in Loitz, Dohr in Teterow, Hübner in Stralsund.
 Mit der Stover Mühle (Erdholländer) ist heute eine funktionierende Kornmühle vom bedeutenden Rostocker Mühlenbauer Hofwolt (O. W. Hofwolt Mühlenbau und Maschinenfabrik) wieder in Betrieb. 1889 wurde sie errichtet, neben Altkalen ist sie jetzt die einzige Windmühle im Land, die mit Windkraft Korn mahlen kann.
 
Autorin: Hannelore Kuna

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