Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Netzknüpfer

Netzknüpfer

 

 In Warnemünde wurde mit Stellnetzen, Waden, Reusen, Angeln und Eisen gefischt. Die zum Trocknen aufgestellten nach Teer und Fisch riechenden Netze gehörten stets zum maritimen Flair, genauso wie die Fischerboote am Wasser. Alljährlich wurden etliche Quadratmeter an Netzen für den täglichen Fischfang gebraucht.

 An der Herstellung eines großen Fischernetzes waren denn auch viele Hände Arbeit beteiligt. Im Winter wurden die Netzfäden von den Männern, Frauen und Kindern in Heimarbeit gesponnen. Die Handarbeit verlangte Aufmerksamkeit und Konzentration, denn die Fäden aus Hanf mussten gleich stark und glatt sein. Das gesponnene Garn wurde auf großen Winden zum Vorrat für das Netzknüpfen aufgewickelt. Für die Herstellung von großen Reusen oder Waden beteiligten sich meist mehrere Fischer, dafür wurde der Hanf auch gemeinsam eingekauft und bezahlt, wobei Flachs weniger verwandt wurde.

 Die Netze wurden aus dem starken Hanf geknotet, die Fischer sprachen meist von Netze knüppern. Die Netzknoterei erfolgte an den Wochentagen, an größeren Netzen arbeitete man wieder in Gemeinschaft. Aber Sonnabendnachmittag 5 Uhr unterbrachen die Leute die Arbeit, wegen der kommenden Sonntagsruhe. Diesen Sonnabend nannte man deshalb auch Rüsttag, weil man sich auf den Sonntag vorbereiten sollte.

 Handwerklich zählte die Netzfertigung zur Strickerei, die früheren Jahrhunderte unterschieden dahin Netz- und Strumpfstrickerei. Während beim Stricken für Bekleidungsstücke lockere und dichte enge Maschen geknüpft wurden, zog man für die Herstellung von Fischernetzen weite Maschen, die zusätzlich verknotet wurden. Das Garn wurde über einen Stock bzw. Stab zu Maschen geschlungen und jede Masche bekam in Fadenrichtung mit der Nadel ihren festen Knoten, sodass sich das Netz später unter großer mechanischer Beanspruchung nicht mehr zu einzelnen Fäden auflösen konnte. Jede Masche bildete für sich ein festes Einzelteil, und wenn eine Masche riss, nahm das keinen Einfluss auf die Nachbarmaschen.

 Netze knüppern war eine Kunst für sich, es brauchte Geduld und Erfahrung. In Warnemünde hieß der Stock mit den aufgelegten Masche „Knüddelwocken“. Dieser Knüddelwocken bestand aus einem aufrechtstehenden zweizinkigen Stab, an welchem ein Beutel mit dem Garn und den Netznadeln hing. Er stand auf vier Füßen, einer von ihnen war über 1 m lang, er wurde mit dem Fuß weitergeschoben, wenn das geknotete Netz nicht mehr stramm genug hing.

 Die solide handwerkliche Fertigung eines Netzmachers allein genügte noch nicht für den Erfolg. Die Arbeit musste sich mit der Erfahrung und Findigkeit eines Fischers paaren, außerdem war es von großem Nutzen die Eigentümlichkeit der Gewässer zu kennen und die Lebensgewohnheit der Fische.

 Bekanntermaßen fischten die Warnemünder im küstennahen Bereich, der Fang im Breitling war den Rostocker Flussfischern vorbehalten und den Warnemündern verboten. Vor der Küste betrieben die Warnemünder die Stellnetzfischerei. Die Stellnetze waren in der Regel aus einer einfachen Netzwand aus einfädigem Garn hergestellt und wurden im Wasser an beiden Enden verankert. Wie beim Treibnetz wurde im Stellnetz der Fisch dadurch gefangen, dass er das Netz zu durchschwimmen versuchte und dabei mit dem Kopf in den Maschen stecken blieb. Durch die Aufstellung des Stellnetzes mit einer angepassten Maschenweite konnten die Fische gezielt nach einer bestimmten Größe oder Art gefangen werden: Hering, Dorsch, Meerforelle, Steinbutt, Scholle.

 

 Selbst die Warnemünder Lotsen betrieben ihren kleinen Fischfang, wenn sie den Lotsendienst ausführten. Sie benutzten dazu das Wurfnetz, ein kleines kreisrundes Netz mit Gewichten an den Rändern. Dieser kleine Nebenverdienst war allgemein bekannt, wenn auch nur leidlich geduldet. „Die Wette (Gewett) schrieb, die Lotsen würfen die Netze aus, wenn sie den Schiffen entgegenfahren sollten, und zögen sie ein, wenn sie von der Reede zurückführen.“ Beim Auswerfen sank das Wurfnetz geöffnet auf den Boden und beim Einziehen wurde die untere Öffnung zusammengezogen und das Netz erfolgreich mit Fischen eingeholt.

 Den ergiebigsten Fang brachte aber die seit Mittelalter bekannte Wadenfischerei ein. Die Wadenfischerei nahm traditionell in Warnemünde-Rostock und anderen Ostseeküstenorten und überhaupt in der mecklenburgischen Binnenfischerei eine besondere Stellung ein. Dagegen war diese Art der Fischerei an der Nordsee aufgrund der Gezeiten kaum ausführbar.

 Die Waden waren große 50 bis 200 lange Zugnetze, die im Wasser ringförmig ausgelegt und anschließend vollständig zugezogen wurden, sodass alle Fische darin eingefangen waren. Man betrieb diesen Fischfang in flachen Gewässern und die Fischer zogen sich dazu lange Stiefeln an (Strandwade) oder im Winter als Eisfischerei, sonst im tiefen Wasser allgemein mit Booten.

 Damit sich die Fischer nicht ins Gehege kamen, wurden die Fangstellen ausgezeichnet und an die Personen vergeben, was man den Wadenzug nannte. Die Wadenfischerei war wegen ihres Aufwandes immer eine kollektive Fischerei, zu der sich die Leute zusammenschlossen und alle notwendigen Arbeiten gemeinsam organisierten. Die Wade benötigte auf Grund der Netzgröße viel mehr und stärkeres Garn als zu Stellnetzen und das Knüpfen dauerte dementsprechend längere Zeit, ein kleines Kapital war schon nötig. Der Fang mit Booten setzte zumindest 2 Fahrzeuge mit je 2 kräftigen Männern voraus, welche die Wade per Hand einzogen. Nach erfolgter gemeinsamer Arbeit wurde der Fang entsprechend aufgeteilt.

 Auf der Warnow hatten die Wadenfischer vor anderen Fischfängern „Vorfahrt“, andererseits durften auch sie nicht die Schifffahrt behindern. Die alte Wadenfischerei wurde bis nach 1900 betrieben und erfährt heute in der modernen Fischerei wieder Anerkennung. Die Netze werden inzwischen sämtlich industriell und aus Nylonfaden hergestellt.

 Die Anschaffung der Fischnetze war überhaupt eine ziemlich kostspielige Sache, deshalb waren die Eigentümer auf die Erhaltung und Pflege sorgsam bedacht. Am schnellsten verdarben die Netze, wenn sie über Nacht, insbesondere zur Sommerzeit im Wasser liegen blieben. Deshalb wurden sie nach dem Gebrauch sogleich zum Trocknen aufgehängt oder aufgestellt. Auch pflegte man die Netze sorgfältig auszuwaschen, um sie vom Schlamm und dgl. zu reinigen.

 Durch Sturm und Hochwasser verloren die Fischer oft ihre Arbeitsgerätschaften und die Netze, insbesondere die Reusen und Stellnetze, dann mussten sie meist vollständig ersetzt werden. Bei der Sturmflut von 1904/05 beispielsweise war der Schaden wieder einmal recht groß. Am Abend des 30. Dezember 1904 telegrafierte die Seewetterwarte Hamburg nach Warnemünde: „Tiefes Minimum Odermündung, starkes Steigen des Barometers über Nordeuropa macht stürmische nordöstlich Winde wahrscheinlich, Signal 30. Dezember 1904, 9 h 30 min. Seewarte“. Lotsenkommandeur Borgwardt der Seewarteabteilung Warnemünde gab seinen Leuten und dem Hafenmeister in Rostock Anweisung, die Sturmglocken läuten zu lassen und im Abstand von 30 Minuten Kanonenschüsse abzufeuern. In der Nacht drehte der Sturm auf NW und NNW und gegen morgen auf Nordost.

 Zu Zeiten als es noch keine Versicherung gab und selbst später als die Fischer-Versicherung eingeführt wurde, aber nur mit Mühe geringe Beiträge entrichtet wurden, brachten solche schweren Wetterkatastrophen die Fischer und ihre Familien an den Rand ihrer wirtschaftlichen Existenz.

 Aber auch auf dem Wasser hatte der Fischer manchen unliebsamen Konkurrenten, wenn es um den Fisch ging. Kormorane oder Seehunde waren um 1900 eine kaum beherrschbare Plage. Besonders im Winter stellte sich der Seehund als ungebetener Gast ein, der von den dänischen Sandbänken kam, um sein Futter zu sichern und dabei die Netze der Fische ruinierte. 



Autorin: Hannelore Kuna

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