Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Orgelbauer
Die Orgel ist das machtvollste Klangwerkzeug, das je von Menschen erdacht und gebaut wurde. Die Orgel arbeitet durch Luftzufuhr aus dem Gebläse in skalamäßig gestimmten Eintonpfeifen und vermittels der Klaviaturbedienung. Von den Orgelbauern selbst wurde sie verehrt als „Königin der Instrumente“, die Leute nannten sie „des Herrn Magd“ oder auch „des Teufels Trompeten oder des Teufels Sackpfeifen“. Letzterer Ausspruch bezog sich auf den Pomp des spätmittelalterlichen Gottesdienstes, der durch die Reformation beseitigt wurde.
Die Orgel ist ein sehr altes Musikinstrument, sie stammt schon aus der vorchristlichen Zeit, war 812 wieder im Abendland angekommen und 915 wurde sie erstmals im kirchlichen Gebrauch eingesetzt. Der Orgelkörper besteht technisch aus drei Hauptteilen: dem Pfeifenwerk aus Holz, Kupfer oder Zinn gefertigt, dem Anblasewerk und aus dem Regiewerk.
Der Orgelbauer musste verschiedene Handwerkstechniken beherrschen, um die jeweiligen Materialien bearbeiten zu können. Außerdem brauchte er physikalische Kenntnisse, die mit den musik-ästhetischen Prinzipien verbunden wurden, um der Orgel musikalisches Leben einhauchen zu können. Alles in einem erforderte der Bau einer Orgel eine hohe handwerkliche Meisterschaft, die oftmals mit der Leidenschaft zur Musik verbunden war.
Der erste bedeutende Rostocker Orgelbauer war Heinrich Glovatz, der 1590-1593 ein großes dreimanualiges Orgelwerk mit über 50 Registern für St. Marien erbaute, das etwa 5000 Gulden kostete. Nach 1700 war in Rostock Johann Engelbrecht Gerhard Organist und zugleich Orgelbauer, er baute Orgeln auch für die Kirchen zu Malchin und Recknitz. Die nächste Marienorgel auf dem Platz hoch oben über der Fürstenloge fertigte 1770 Paul Schmidt aus Rostock, von ihr ist heute noch der spätbarocke Prospekt erhalten. Denn schon 22 Jahre später wurde dieses Werk nach den aktuellen Musikbedürfnissen (1792) durch H. Ernst Marx aus Berlin erneuert.
Einer der bekanntesten Rostocker Orgelbauer im Barock war Caspar Sperling, der zwar hier nicht geboren wurde, aber in Rostock einige Jahre gelebt und nachhaltig gewirkt hatte. Er begann seine Meisterschaft in Zerbst, bald darauf verschlug es ihn an die Küste. Zwischen 1700 und 1706 baute er für St. Nikolai eine Orgel, die ihm großes Lob und Anerkennung einbrachte und in der Folge auch so einige Aufträge. Er erwarb darauf das Bürgerrecht und arbeitete fortan in mehr oder weniger großen Abständen sowie mit unterschiedlichen Aufträgen auch an St. Johannis, St. Marien und St. Petri, den drei anderen Hauptkirchen der Hansestadt. Zwischen 1712 und 1719 hatte er die Orgel der schönen Zerbster Schlosskapelle geschaffen. Im Jahre 1718 wurde er vom Rostocker Rat mit der Aufsicht über sämtliche Orgeln der Kirchen betraut, dieses Amt übte er bis zu seinem Tode getreulich aus. Sperlings Tätigkeitsfeld reichte jedoch bei Lebzeiten weit über die Seestadt hinaus. Er war ein geschäftiger Mann, so baute er für die Stadtkirche von Plau und die Dorfkirche in Wustrow neue Orgeln. 1725 arbeitete er vermutlich den Prospekt für die Orgel der Kirche zu Nehringen. Von 1729 stammt seine Orgel für die Kirche in Damgarten. Schließlich holte man Sperling über die Grenzen von Mecklenburg hinweg nach Hamburg, wo die Orgel von St. Petri umgebaut werden musste. Das gelang ihm so gut, dass bei der abschließenden Instrumentenprüfung der ansässige Organist Preus sich voll des Lobes über Sperling äußerte, dass er „ein Orgelbauer sei, dessen gleichen nicht zu finden“ wäre.
1737 erhielt er einen Auftrag für die neu errichtete Waisenhauskirche zu Zerbst eine Orgel zu bauen. Er begann das Werk, arbeitete drei Jahre daran, konnte es aber nicht mehr vollenden.
Eine späte Nachricht von ihm stammt wieder aus Rostock, wo er 1742 bereits in körperlich geschwächtem Zustand einen Kontrakt zur Reparatur einer Orgel der Pfarrkirche in Güstrow unterschrieb.
Sperling hinterließ als Orgelbauer in Rostock und im Norden nachdrücklich die Spuren seiner Meisterschaft. Er bildete mit den später in weiten Kreisen Norddeutschlands bekannten Orgelbauern Johann Wilhelm Gloger und Christian Ordtmann namhafte Mitstreiter heran. Aus Sperlings Lehrwerkstatt wuchs Paul Schmidt heran, der in Rostock sozusagen sein Nachfolger wurde. Alle ihre Namen erlangten im Verlauf des norddeutschen Orgelbaus einen bemerkenswerten Ruf. Der Orgelbauer Sperling aber wurde bereits zu Lebzeiten verschiedentlich als Vater des mecklenburgischen Orgelbaus bezeichnet.
Das 19. Jahrhundert brachte einen großen Aufschwung im mecklenburgischen Orgelbau, es kam die Orgelbauzeit. Nach 1840 fand eine Reform der evangelisch-mecklenburgischen Kirche statt, an deren Anfang die Gründung des Oberkirchenrats stand. Seit der Christianisierung setzte die größte Bauepoche im mecklenburgischen Kirchenbau ein. Kirchenerneuerungen und gänzliche Neubauten waren im Stil der Neogotik geprägt, zu den Neugestaltungen im Innenraum gehörte auch die Orgel. Die Orgel erhielt viel Aufmerksamkeit in der kirchlichen Liturgie, Organisten wurden zahlreich ausgebildet und hinter dem Orgelbau stand die mecklenburgische Pfarrerschaft. Neben der Neuanschaffung der großen Musikwerke stand ebenso die Restauration alter Orgelwerke im Mittelpunkt.
Bis etwa zum 1. Weltkrieg gab es viel Arbeit für die Orgelbauer in den Gotteshäusern. In Rostock war man aufgrund der Größe der Marienorgel mit der Windversorgung nie recht zu frieden, obgleich Carl Börger aus Rostock-Gehlsdorf 1908 das spätromantische Schwellwerk hinzugefügt hatte. Letztendlich führten die diversen Nachbesserungen bei der Windversorgung und Spieltaktur nicht zum gewünschten Resultat für die Organisten und bei der Zuhörerschaft. 1938 erhielt die Orgel Motorkraft für den Wind, was immer noch nicht die Lösung brachte. Nach vielen Jahren wurde die Marienorgel 1983 deshalb nochmals durch die Orgelbaufirma Sauer aus Frankfurt/Oder umgebaut.
Die Heiligen-Geist-Kirche erhielt ebenfalls 1908 eine spätromantische Walcker-Orgel aus Ludwigsburg mit 41 Registern auf pneumatischen Kegelladen, die zu den modernsten und eigenständigsten Instrumenten ihrer Zeit zählt. St. Petri wurde 1916 mit einer Walcker-Orgel mit 56 Registern und zwei Schwellwerken ausgestattet, die Orgel wurde durch den Bombenfall von 1942 zerstört.
An der heute über 100 Jahre alten Orgel der Heiligen-Geist-Kirche wurden spätere Veränderungen und Erweiterungen zwischen 1968 und 1977 durch den Orgelbauer Christian Scheffler ab 1997 wieder abgeschafft, sodass sie seit 2001 die barocke Klangwelt wieder repräsentieren kann.
Doch nicht immer erhielten einheimische Meister auch die Aufträge, denn die Patronatsherren und Stifter bestellten gerne Orgeln von deutschlandweit renommierten Firmen. Der Name und Ruf der Orgelbaufirma garantierte letztendlich eine hervorragende Qualität des Klangkörpers.
Manche Verhandlungen zwischen Orgelbauer und Auftraggeber gestalteten sich äußerst kompliziert wie im Fall der von 1867-1871 erbauten Warnemünder Kirche. Der Orgelbaumeister Wilhelm Winzer aus Wismar verlor den Auftrag, weil seine künstlerische Disposition für das Orgelwerk nicht dem architektonischen Bauvorhaben entsprach. Landbaumeister Wachenhusen vergab den Auftrag an Friedrich Freese aus Schwerin, der mit seinem Orgelbau den Entwürfen der Warnemünder Kirche näher kam.
Autorin: Hannelore Kuna.