Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Parasolmacher

Parasolmacher
 

Parasolmacher oder Schirmmacher entwarfen und verfertigten die modernen Accessoires insbesondere zum Schutz gegen Sonne und Regen an. Noch 1836 wurde in einem Konversationslexikon dieses Utensil recht umständlich als ein „besonderes Werkzeug aus Seide oder Leinen, welches mittelst mehrerer Stäbe an einem größeren, in der Mitte befindlichen Stab aufgespannt werden kann, um zu große Hitze, zu starkes Licht und Regen von sich abzuhalten“ erklärt.
 Den Schirm allgemein gibt sehr viel länger seit ca. 300 v. Christus, seine Formen und Materialien haben sich seither verändert. Die französischen Hofdamen des 17. Jahrhunderts trugen den Schirm als modisches Accessoire zum Schutz gegen die Sonne. Tatsächlich erhielt der Sonnenschirm damit eine gewisse Aufmerksamkeit, die zugleich mit den Schönheitsidealen dieser Zeit verbunden waren.

 Vorläufig blieb die Männerwelt dagegen unbeschirmt. Mann benutzte bei Regenwetter die Kutsche und trug ansonsten Hut, Melone oder eine andere Kopfbedeckungen. Das blieb jedoch nicht lange so, da kam von England her der Regenschirm für den Mann in die Mode. Ein einträgliches Schirmmacherhandwerk entwickelte sich in Deutschland erst um 1800, nachdem der Schirm ein massentauglicher Gebrauchsgegenstand für Frauen wurde.
In Rostock nannten sich die ersten Meister in dieser neuen Branche ab etwa 1817 Parasolmacher, mit der Betonung auf Sonnenschirmmacher. 1817 arbeiteten in der Seestadt 2 Parasolmacher, 1818 drei und 1850 vier Parasolmacher-Werkstätten. In den meisten deutschen Städten hießen die Handwerker schlichtweg Schirmmacher und sie trafen mitunter selbst die Unterscheidung in Sonnenschirm- und Regenschirmmacher. Für die von den Rostocker Handwerkern angenommene Berufsbezeichnung Parasolmacher (parasol: französisch und parasole: italienisch Sonnenschirm), gibt es vermutlich einen nicht unbedeutenden Grund, den neuzeitig modernen Badebetrieb im mondänen Heiligendamm seit 1793 und in Warnemünde seit Ende der 20 Ger Jahre des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1830 kamen fast 1000 Badegäste nach Warnemünde. Beliebt wurde schnell das Baden in der offenen See, das anfänglich mit Badekarren erfolgte. Dabei stieg der Badegast nach dem englischen Original aus dem Karren, behütet unter einem aufgezogenen Schirm, in das kühle Wasser. Die umständliche Badeprozedur änderte sich im Laufe der Zeit bis feste Badeanstalten errichtet entstanden.

 Auch das „Sonnenbad“ unter freiem Himmel wurde propagiert und ärztlicherseits zur allseitigen körperlich-geistigen Erholung empfohlen, sodass zur beinahe „Vollkörper-Badebekleidung“ die Ausrüstung mit einem großen Sonnenschirm höchst aktuell wurde. Auf die Erfindung des Strandkorbs kamen die Korbmacher bekanntlich erst später. Und genauso beliebt war das Promenieren am Strand-Ufer, auf den Promenaden oder später auf den Seebrücken, wozu die Dame von Welt nicht ohne handlichen Sonnenschirm unterwegs war.

 Der Badebetrieb beförderte das neue Handwerk und diese Einkommensquelle überließen die Rostocker natürlich nicht den Warnemündern. Denn Rostocker Zünfte ließen aus Eigennutz nicht mal einen Warnemünder Bäcker zu, wie es aus einem Gewettsbericht vom 9. Oktober 1848 hervorgeht. Man verteidigte eben „seine Gerechtsame mit Leib und Gut“.
 Von ersten Schirmmachern waren einige Meister und Gesellen hier zu Rostock ursprünglich Drechsler, da die Schirmgestelle jener Zeit meist aus Holz oder Fischbein hergestellt wurden. Die Handwerksmeister arbeiteten in kleinen Werkstätten. Mit der Herstellung des Schirmgestells durch die Meister und Gesellen begann die Arbeit, dagegen wurde das Nähen und Überziehen der Stoffmaterialien meist den Frauen und jungen Mädchen überlassen.

 Schon damals war der Schirm ein modisches Produkt, das aus vielfältigsten Materialien hergestellt wurde. Nachdem man von Wachstoff abgegangen war, benutzte man Seide und Halbseide als sehr feine Bezüge, jedoch für billigere Qualitäten wurden Baumwolle und Leinen genommen. Die leichte Seide eignete sich eher für die Sonnenschirme, Baumwolle und Leinen wurden meist für Regenschirme verwendet. Damit die Stoffe auch wasserundurchlässig wurden, ließ man sich technische Bearbeitungen einfallen. In der Regel waren die Materialien der Grundgestelle aus Holz, Fischbein und später aus Metall. Für die Griffe konnte nach Wunsch gewählt werden zwischen: Horn, Elfenbein, verschiedenen Edelhölzer oder sogar Silber. Bei diesem Utensil war dem Luxus keine Grenzen gesetzt.
Jeder handgefertigte Schirm war ein Unikat. Dabei gab es bei der Herstellung auch bereits einige Vereinfachungen, den Bezugstoff bearbeitete man mithilfe einer maßgefertigten Schablone, sodass die Stoffbahnen aufgezeichnet und mit der Schneiderschere von Hand zugeschnitten werden konnten. Ein benötigte Schirm acht oder zehn einzeln zusammengesetzten Stoffbahnen. Sie wurden per Hand, später mit der Nähmaschine aneinander genäht, umsäumt und an die Schirmspitze befestigt. Drei bis vier Stunden dauerte die vollständige Fertigung eines Schirmes. Je nach Materialeinsatz und Stundenanteil wurde der Schirm berechnet. So ist es denn auch nicht verwunderlich, das die Besitzerin oder der Besitzer eines solchen Stückes bei etwaigem Verlust, also durch Vergessen und Verlieren, alles daran setzte den Schirm zurückzuerhalten. Der Aufwand war nicht gering, denn manch eine Zeitungs-Annonce weist daraufhin: „Schirm mit personaler Inschrift im Griff verloren. Dem ehrlichen Finder wird eine entsprechende Belohnung zugesagt“.
Im 19. Jahrhundert erhielten die Schirmmacher durch die fabrikmäßige Produktion und den flexiblen Handel, der sich aller Orten entwickelte, eine sie bald gänzlich verdrängende Konkurrenz. Im Verlauf des 19. Jahrhundert gründeten sich in Deutschland ca. zehn Schirmfabriken. Den Metallfabriken gelang es leichte Schirmgestelle maschinell herzustellen, damit wurde das große Problem des Gewichts immer besser gelöst. Schirme konnten zusammengeklappt werden, wurden generell kleiner und handlicher. Der Schirm wurde massentauglich, unabkömmlich und an jeder Marktecke verkauft.

 Diese Entwicklung bekamen auch die Rostocker Handwerker deutlich zu spüren, sodass ihr Nahrungserwerb wegbrach. Mit der Errichtung von großen Warenhäusern und Kaufhäusern um und nach 1900, wurde aus dem Schirmhandwerker ein Dienstleister, also primär zuständig für Reparaturen.

 Nach dem Ersten Weltkrieg konnte die deutsche Schirmindustrie ihre führende Stellung auf dem Weltmarkt gegen die Konkurrenz aus Japan, England, Italien und Frankreich nie mehr behaupten. Nach dem zweiten Weltkrieg 1945 wurde der Schirm wieder entdeckt und diesmal auch ganz intensiv für den Mann. Für die Dame entstand der modische „Knirps“, der sogenannte Taschenschirm, der im Westen Deutschlands aus Nylon, Perlon und im Osten aus Dederon hergestellt wurde.

 Seither unterliegt der Schirm den sich ständig verändernden modischen Bedürfnissen, wobei bis heute technische Raffinessen nicht ausbleiben. Schirmmacher/Schirmmacherin ist heute noch ein anerkannter Ausbildungsberuf, mit drei Jahren Lehrzeit in einer dualen Ausbildung, der aber nur sehr selten erlernt wird.
 Die Zeit in der einst Robinson Crusoe auf seiner Insel mit einem Fellschirm unterwegs war, sind gleich wohl längst vorüber und doch zeigte er seiner Zeit, immerhin 1719, bereits seine Bedeutung für die Alltagskultur.

 
Autorin: Hannelore Kuna.

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