Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Petschierstecher

Petschierstecher


 Petschierstecher, Petschaftstecher, Siegelstecher oder Siegelgräber, wie sie auch genannt wurden, waren zunftgebundene Handwerker, die Petschaften und artverwandte Gegenständen verfertigten. Petschaften waren metallene Stempel, mit einer Gravur versehen, womit vermittels einer Siegelmasse hauptsächlich Dokumente oder Briefe gesiegelt wurde. Die amtliche Sieglung ist heute noch notwendig, um die Rechtssicherheit eines Dokuments zu bekräftigen, auch der Siegelstempel ist in runder Form geblieben, jedoch alles andere hat sich längst geändert.
Der Begriff Siegel leitet sich vom lateinischen Wort „sigillum“ ab und ist eine

Verkleinerungsform von „signum“ = Bild, Zeichen. Außerdem wurde der Siegelabdruck bei den Handwerkern oftmals selbst als „Pittschaft“ bezeichnet, es wurde zwischen Siegel und Gerätschaft kein großer Unterschied gemacht.
 In Rostock waren stets ein bis zwei Petschierstecher mit tätig. Wegen der geringen Meisterzahl gab es hier keine eigene Zunftbildung. Die Anfertigung der Stempel erfolgte in Messing aus einem Stück oder man setzte sie zusammen aus einem Holzgriff und dem Metallstempel. Je nach eigener oder fremder Zeichnung wurden Bild, Zeichen und Umschrift als Negativ (seitenverkehrt) mit feinen, scharfspitzigen Instrumenten in das Metall eingeritzt oder kräftig eingegraben. 
 Das Siegel war ähnlich dem Wappen einer bestimmten Person, Familie oder Institution zugeordnet. In Rostock waren der Rat, die Universität, die Kirchen, Klöster, Bruderschaften, das Stadtgericht, die Handwerkszünfte, die Kompanien (Landfahrer, Seefahrer) berechtigt zu siegeln. Im Mittelalter zählte auch der Stadtadel zu den Siegelberechtigten. Die Rostocker edlen Herren von Aa, Baggel, Kröpelin bis Wokrent und von Wulff besaßen dem mecklenburgischen Landadel ebenbürtig das Vorrecht Eigentum zu erwerben, im Rat und Gericht zu sitzen und ein Siegel zu führen. Ein Siegel war so bedeutsam, dass zum sogenannten Heergewett (ihrem unantastbaren Adelseigentum) neben Ross, Ritterrüstung und Waffen auch das Petschaft zählte.

 Oftmals bildete das Wappen die Vorlage für die Siegelzeichnung, dem Anfang jeder Petschierfertigung, sodass einzelne Wappenmotive stets im Siegel erschienen.

 Die technische und künstlerische Schwierigkeit bestand in der Reduktion der Fläche von der großflächigen Wappenbilddarstellung zu der viel kleineren Form eines Siegels. Das wurde gelöst, indem auf bestimmte oder meist unwesentliche Bildausschnitte verzichtet wurde, zumal am Wappenrand eine Umschrift (historisch üblich) stand.

 Noch filigranere Arbeit leisteten die Petschierstecher bei der Anfertigung von Siegelringen für die hohen Herren, den sie am Finger mit sich führten. Einmal zeigte es ihren Stand und sie konnten zum andern schnell an Ort und Stelle ihrem Recht zur Gültigkeit zu verhelfen. In dieser Art und Weise wurde ohne Kanzlist, mit flüssigem Wachs oder Ruß mit dem Ring gesiegelt. Nicht selten wurden derartige feine Arbeiten für Petschaften auch von Goldschmieden und Silberarbeitern ausgeführt. Der letzte Pommernherzog Bogislaw XIV. hinterließ nach seinem Tod eine Petschaft, die in einem kostbaren Edelstein eingegraben waren.

 Der Verlust eines Siegelringes brachte einige Beschwerlichkeiten mit sich. So erging es beispielsweise Herzog Christoph von Mecklenburg im Jahr 1574, der aus gegebenem Anlass dem Kurfürsten August von Sachsen schriftlich als Post scriptum mitteilten musste: „Wir haben unser Secret in unserm Aufbruch im Felde verloren, drumb mussen wir uns eines schlechten gemercks, bis uns ein anders gefertigt werden kan, gebrauchen.“ Der Verlust konnte schädigende Folgen nach sich ziehen, denn nach alter Rechtssprechung war der Besitzer eines fremden Petschafts zu Rechtshandlungen im gleichen Umfang ermächtigt wie sie der Siegelinhaber vornehmen konnte. Ein verloren gegangenes Petschaft musste daher vom Besitzer „verrufen“ werden, das bedeutete, für ungültig erklärt werden.
 Zum Abdruck aus dem Stempel, also zum Siegeln, wurden verschiedene Stoffe verwendet. Während im Mittelalter dieser Abdruck in Wachs erfolgte, kam ab 16. Jahrhundert und später der Siegellack (meist in rot) zum Verschließen von Urkunden und Briefen auf. Das am häufigsten verwendete Material blieb dennoch Bienenwachs, farblos (natürliches Wachs) oder - seit dem 12. Jahrhundert kam gefärbtes Wachs in Mode - schwarz, grün oder rot. Es wurde aus Bienenwachs mit einem geringen Zusatz von Honig und Terpentinöl vermischt. Die Farbigkeit wurde durch Zinnober, Grünspan oder Kienruß erreicht. Ab dem 14. Jahrhundert gab es parallel dazu auch Papiersiegel, bei dem der Eindruck des Petschafts auf einem mit Wachs unterlegten Papierblättchen erfolgte, das dann die Siegelumrisse zeigte.
Siegel dienten seit dem Mittelalter zur Beglaubigung von Rechtsgeschäften aller Art, die insbesondere durch Urkunden abgeschlossen wurden. Die Benennung von Urkundenzeugen und die Anheftung von Wachssiegeln mittels Bändern als Beglaubigungszeichen machten jedes Geschäft überhaupt erst gültig und rechtskräftig. Sehr alte erhaltene Urkunden können zwischen 8 bis 10 Siegel tragen. Denn bis hin zum Kaiser konnten nur wenige Menschen schreiben und eine eigene Unterschrift leisten. Auch der Briefwechsel wurde hiermit autorisiert und geschützt. Als Verschlussmittel von Briefen und kleinen Warensendungen im Lederbeutel eigneten sich Wachssiegel ebenso gut.
 Der einfachste Nutzen des Siegels lag schlicht in seiner persönlichen Erkennung. Ein Bote konnte sich mit einem losen Siegelabdruck seines Auftraggebers ausweisen, erwies sich von diesem dann legitimiert. Solcher Art von Legitimierung wurde auch selbst im zünftigen Handwerk eingefordert. 1662 vereinbarten die Kannengießer-Ämter der wendischen Städte einschließlich Rostocks, dass ihre Gesellen als Nachweis der erfolgten Wanderschaft ein Schriftstück „mit des Ambts Pittschafft versiegelt“ vorgelegt werden sollte.
  Die ältesten städtischen Wachssiegel, die teilweise erhalten sind, waren ungefähr zehn bis zwölf Zentimeter groß. Das erste Rostocker Stadtsiegel von 1257 stellte einen gekrönten Stierkopf dar, ab 1367 wurde der Stier vom Greifen in verschiedenen Varianten abgelöst. Als die Verwaltung der städtischen Kommune mehr Schreibarbeit erforderte, verkleinerte man die Siegel entsprechend. Doch gab es verschiedene Siegel, die verwendet wurden. Da gab es das große Ingesiegel, später das Secretum, ein etwas kleiner geformtes Siegel, und für weniger wichtige Sachen das Signetum. Wichtige Briefe des Rostocker Rats endeten meist in der Form: „Gegeben unter unserem Stadtsecret, Datum, Ort, Bürgermeistere und Ratmanne.“ Exakt nannte sich das Siegel: Secretum senatus reip. Rost. Alle Siegel der verschiedenen Zeiten zeigten dann mit dem Greifen und den Farben Rot-Weiß-Blau ähnliche Bilder, dort, wo das Hauptsiegel zu viel Bildwerk enthielt, begnügte man sich auf den Secreten und Signeten mit einem Ausschnitt des Bildes. Das letzte und noch heute gültige Stadtsiegel stammt aus dem Jahr 1858 durch Großherzoglichen Beschluss.
Die Universität Rostock führte schon bald nach ihrer Stiftung 1419 ein großes Siegel. Der älteste Wachsabdruck hängt an einer Originalurkunde, 1443 am Sankt Gertruden Tag (17. März) erstellt. Das runde Siegel misst 8 cm im Durchmesser, zeigte einen großen Baldachin mit kuppelförmiger Spitze, unter dem links (d. h. in der Ansicht rechts) Christus einem rechts vor sich knienden Jünger im Priestergewand ein offenes Buch übergibt. Zwischen beiden Figuren steht im untern Rande rechts gelehnt ein Schild mit einem Greifen. Die Umschrift lautet: Sigillum universitas studii rostokrensis. Gesiegelt werden wichtige Dokumente noch heute; Senat, Konzil und Fakultäten mit einem runden, Rektor und Dekan mit einem spitzovalen Siegel.


Autorin: Hannelore Kuna

Share by: