Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Pfeifendreher

Pfeifendreher


Seeleuten und Männern von der Küste sagte man im 18. Jahrhundert nach, dass sie ganz besonders gern den Tabak gekaut haben und „de Priem würd nich weggsmäten, dee würd dröögt un inne Pipe rookt“ (Wossidlo). Sie rauchten ebenso ihre Pfeife, denn Tabak wurde in Mecklenburg gekaut, geschnupft und geraucht. Ohne Tabakspfeife war ein echter Seemann nicht zu denken, und daher ranken sich auch manche sonderbaren Geschichten darum. „Den Kalkstümmel - auch Bappen, Knoesel, Koesel genannt - hatten wi jo immer in Gang“.

 Das Pfeifenrauchen erlangte in Mecklenburg Anfang des 19. Jahrhunderts die öffentliche und staatliche Aufmerksamkeit, aber weniger wegen der Gesundheitsgefährdung (wie heutzutage), sondern wegen der enormen Brandgefahr, die von sorglos Pfeife rauchenden Männern ausging. Es ging sogar so weit, dass Pastoren von der Kanzel herab Rauchverbote aussprachen, insbesondere für Leute, die in Reed und Stroh bedeckten Gebäuden wohnten, und es wurde allgemein zum erhöhten, vorsichtigen Umgang mit brennenden Pfeifen ermahnt. Inwieweit der Pastor erhört wurde, ist nicht nachweisbar.

 Tatsächlich wurde die Pfeife als ein gewöhnliches Hilfsmittel zum Rauchen erfunden. Erst später wurde sie handwerklich verfertigt und noch später industriell fabriziert - je nach Rauchbedürfnissen und dem Geldbeutel angepasst.     

 Eine Zeitungsanzeige aus dem späten 19. Jahrhundert empfiehlt den Herren Rauchern folgende Produktauswahl: „Die sich durch Solidität, Eleganz und gute Bohrung auszeichnenden Haus- und Gesellschaftspfeifen, originale Bismarck-Pfeifen mit echtem, feinen Wiener Weichselrohr, mit Geder-Rohr, von Maßholder und ferner fein geschnitzte Jagdpfeifen, Reise- und Arbeitspfeifen.“

 In der Tat, die Auswahl war inzwischen riesig und für manchen ein Vorzeigeobjekt. Denn Pfeifen wurden mit Deckel aus Messinggewebe, mit Kette zur Befestigung an der Kleidung angeboten. Pfeife war also nicht gleich Pfeife. Rauchen wurde insbesondere in der bürgerlichen Wohnung kultiviert wurde - es gab eigens dafür eingerichtete Raucherzimmer, die den Herren vorbehalten waren und die bei größeren Gelegenheiten nach dem Essen in Kompanie in Beschlag genommen wurden.

 Norddeutsche Pfeifendreher kamen hauptsächlich aus dem Drechslergewerbe. Pfeifen wurden aus verschiedensten Materialien verfertigt: aus Meerschaum, Ton, Porzellan, Glas oder Holz in einem Stück oder zusammengesetzt (dann als Gesteckpfeifen). Die Meerschaumpfeifen waren ursprünglich eine türkische Erfindung, nur der Pfeifenkopf bestand aus Meerschaum, das Pfeifenrohr dagegen aus Holz oder Horn (vom Hirschgeweih). Hier rauchte man traditionell weitaus mehr als die (übrigen) Europäer, und Meerschaum, ein weißer und leichter Mineralschwamm, wurde in Griechenland und Kleinasien reichlich vorgefunden.

 Das Besondere am Meerschaum war, dass es sich im Rohzustand fast wie Wachs schneiden ließ, um folglich in Formen gepresst zu werden. Dann wurde er mehrere Tage in der Sonne getrocknet, härtete so aus und ließ sich danach wie gewünscht schleifen und polieren. Für Meerschaumpfeifen wurden vorzugsweise Bernsteinmundstücke verwendet. Meerschaumpfeifen waren absolut geschmacksneutral, sodass der jeweilige Tabak unverfälscht genossen werden konnte.

 Auch in Deutschland begann man Anfang des 18. Jahrhunderts Meerschaumpfeifen nach dem türkischen Vorbild zu fertigen. Der erste Ort war Lemgo, bald folgten Nürnberg, Ulm, Ruhl, Gotha und Wien. Dennoch blieben Meerschaumpfeifen ein Luxusartikel und den erlesenen Pfeifenrauchern vorbehalten.

 Anders war es um den Gebrauch von Pfeifen aus Ton, den irdenen Pfeifen bestellt. Sie bestanden aus einem ganzen Stück und wurden zunächst hauptsächlich in England und Holland hergestellt als Massenware. 1779 gab es in der holländischen Stadt Gouda nicht nur den berühmten Käse, sondern auch etwa 280 Pfeifenmachermeister, die je 60 bis 70 Gesellen beschäftigten und dazu über 300 größere Pfeifenfabriken. Bald stieg man im Rheinland in das Geschäft ein, brachte die „Kölnischen Pfeifen“ auf den Markt. Als Material kam nur ein geschmeidiger Ton in Anwendung, der in der Rheingegend bevorzugt gefunden wurde.

 Auch in Mecklenburg entwickelte sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts eine eigene Pfeifenproduktion unter den Gewerken der Kunstdreher. Hauptsächlich aber wurden Pfeifen in Holz gefertigt. Um 1800 existierten in Rostock 21 Holz- und Kunstdrechsler, von denen sich einige Meister auf die Kunst der Pfeifenherstellung spezialisiert hatten. 1857 arbeiteten in Mecklenburg-Schwerin 8 Pfeifenmacher-Meister.

 Jede hölzerne Pfeife bestand aus Pfeifenkopf, Röhre und Mundstück, die dann zu einem Gebrauchsgegenstand in unterschiedlicher Länge zusammengefügt wurden. Für den Pfeifenkopf und das Mundstück konnten auch andere Materialien verwendet werden. Jedoch bestand der Pfeifenkopf in der Regel aus härterem Holz, aus Porzellan oder Fayence. Die Pfeifenspitze, das Mundstück, war meist rund und wurde für einfache Pfeifen gewöhnlich aus Horn gemacht. Horn war sehr weich und konnte schnell durchgebissen werden. Nicht selten diente als einfache Variante eine abgeschnittene Schreibfederspule als Mundstück. Feinere Pfeifenspitzen wurden aus Alabaster oder Bernstein gefertigt. Auch Pfeifenkopf und Rohr ließen sich auf Kundenwunsch veredeln durch Besatz aus Silber, Edelsteinen, Perlen, Leder, Seide, oftmals entstanden kleine Meisterstücke für den Liebhaber. 

 Wichtig für die Pfeifenqualität und das genussvolle Rauchen war das richtige Holz, aus der die lange Röhre gefertigt wurde. Sehr gut eignete sich Weichselholz, das aber hier nicht heimisch ist. Weichselholz stammt von dem Mahalebkirschbaum (Prunus Mahaleb), der strauchartig auf dürren, sonnigen Höhen in Südeuropa wächst, aber auch schon früher wie heute in besonderen Baumschulen zu geraden Stämmchen gezogen wird. Dieses Holz zeigt eine schön braune, hell punktierte und schwach quergestreifte Rinde, die beim Einölen einen dauernden Glanz annimmt, und einen rötlichen, nach dem Trocknen gelben Kern besitzt. Durch den Gehalt an Kumarin verbreitete es einen angenehmen Geruch und gab dem Raucher seinen besonderen Geschmack.

 Als heimisches Holz zur Pfeifenherstellung eignete sich auch Maßholder, Feldahorn (acer campestre), ein Heckenstrauch, der in Mecklenburg und Pommern als kleiner Baum zum Windschutz und für Begrenzungen häufig angepflanzt wurde.   

 Zu Mitte des 18. Jahrhunderts erreichten Mecklenburgs Pfeifen eine gewisse Berühmtheit. In Marnitz gab es den Pfeifenmacher Schröder, der es verstand, besonders geschickt und kunstvoll Pfeifen anzufertigen. Er benutzte für seine Produktion das harte Holz der roten Heckenkirsche, das sich vorzüglich für sämtliche Drechslerarbeiten eignete und hier als „Tobacksrührenholt“ bezeichnet wurde. Das Holz musste unbedingt astfrei sein, damit später keine Risse und Löcher in der Pfeife entstehen konnten, sonst erhielt sie nicht die entsprechende Zugkraft. Das Rohr wurde mit dem besonders langen „Pfeifenbohrer“ behutsam ausgebohrt, sodass das Rohr nicht durchstoßen und die äußere Rinde erhalten blieb. Der Pfeifenkopf wurde aus demselben Holz geschnitzt, im Innern mit Blech versehen. Er erhielt eine kunstvolle Form und einen Deckel darauf. Der Deckel wiederum war höchst praktisch, wenn es draußen windig war und außerdem wurde die Feuergefahr eingeschränkt. Diese einheimischen „Piepen“ waren in Rostock begehrt, jeder begeisterte „Schmoker“ musste eine Marnitzer besitzen.

 Mitte des 19. Jahrhunderts machte die Pfeifenherstellung in Güstrow auf sich aufmerksam. Diese Pfeifen erreichten auf der Berliner Gewerbeausstellung im Jahr 1842 Anerkennung.

 Aber mit dem Rauchen ist es von je her eine widersprüchliche Angelegenheit gewesen. Im Laufe der Zeit wurde aus medizinischer Sicht über das Für und Wider des Rauchens öffentlich debattiert. Zu Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Frage der Gesundheitserziehung in der Schule aktuell, so dass man nicht umhinkam, sich auch zum Rauchen zu positionieren. Über die Pfeifenmacherkunst urteilten auch Ärzte folgendermaßen: „Das Rohr, welches zum Rauchen benutzt wird, ist nicht gleichgültig. Milder und gesunder wird der Tabak durch die lange Röhre. Tonpfeifen geben das reinlichste Rauchen, aber mit Nachteil für die Zahnstellung der Zähne.“


Autorin: Hannelore Kuna.

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