Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Hoch zu Ross und gerüstet! - so kennt man die Helden des Mittelalters, die kämpfenden Ritter mit einer Feder im Harnisch heute im Zeitalter der Visualität aus den Medien. Kaum bekannt ist dagegen, welcher Handwerker die metallenen Rüstungen herstellte.
Dafür wurde ein sogenannter Plattner, auch Plattenschläger bzw. Harnischmacher von den hohen Herren in die Dienste gestellt. Sie verfertigten im Mittelalter am Mann getragene metallene Rüstungen vollständig oder nur einzelne Teile. Auch Einzelteile für Kopf und Hände waren schwierig herzustellen. Dazu benutzten sie Metallplatten, die über feste Materialien wie Leder belegt wurden und es entstanden daraus am Ende lederne Harnische oder Waffenhandschuhe.
Die Rüstungen dienten ursprünglich zum Schutz des Körpers im Kampf vor Verletzungen gegen gebräuchliche Waffen wie: Bolzen, Feile, Schwerter, Lanzen usw., selbst Pferde wurden mitunter mit einem Schutz aus Leder und Metall versehen.
Im norddeutschen Raum hieß der Plattner anfänglich auch im mittelniederdeutschen Sprachgebrauch „Sarwerter“. Ein solcher wird in Rostock erstmals 1263 erwähnt, Lübecker Plattenschläger kommen erstmals 1258 vor und in Hamburg gibt es das Handwerk nachweislich ab 1273. Zugleich waren in Hamburg die Plattenschläger mit den Helmschlägern in einem Amt vereint, was auf die Spezialisierung dieser Handwerkerarbeit hinweist. Ein Rostocker Amt der Plattner hat es wohl nicht gegeben.
Insgesamt betrachtet gab es eine stark ausgeprägte norddeutsche Plattnerkunst im Spätmittelalter, leider sind im Vergleich zu Süddeutschland weniger Zeugnisse dieser Art heute in den Museen aufbewahrt. Von Rostock ist bekannt, dass es für die Aufbewahrung von Waffen im Mittelalter ein Zeughaus im ehemaligen Michaelis-Kloster besaß.
Wer waren die Auftraggeber für das alte Plattnergewerk? Als Erstes ist an den Adel auf dem Lande in der Umgebung der Seestadt zu denken, an den Ritter, der gegenüber seinem Landesherrn Kriegsdienstpflichten mit Ross, Rüstung und Knappen zu erfüllen hatte. Zweitens kommt die Bürgerschaft selbst infrage, die zwecks Verteidigung der Stadt zur Anschaffung von Waffen verpflichtet war. Da Rüstung und Ross für den einfachen Bürger viel zu viel Geld kosteten, konnten unter Umständen nur reiche Kaufleute die teure Anschaffung bewältigen. So wurden andere Wege der Beschaffung organisiert. In einigen Rostocker Handwerksämter zahlten die Meister und Gesellen ein sogenanntes Harnischgeld ein, damit gemeinschaftlich eine Rüstung (Amtsharnisch) angeschafft werden konnte.
Die Entwicklung der Ritterrüstungen, ihre Verfertigung und ihre Anwendung wurden im Laufe der Zeit weiter verfeinert, in Friedenszeiten wurden sie zu einem Teil der ritterlichen Kultur und gingen damit in die Geschichte ein.
So erschienen Herzöge und Könige auf Reichstagen, zu Krönungen, Hochzeitsfesten, Kindtaufen in schwerer Rüstung, die schon mal vergoldet oder versilbert und damit kostspielig sein konnte.
Höhepunkte höfischer Repräsentation, Geselligkeit und hochadliger Unterhaltungskunst wurden Ritterspiele, auf denen die hohen Edelleute gerüstet Mann gegen Mann, zu Fuß oder auf dem Pferd, mit Schwert und Lanze ihre Kraft und Geschicklichkeit bewiesen. Diese Anlässe wurden zugleich genutzt, um die symbolische Aufnahme der jungen „Ritterbürtigen“ in den Ritterstand durch die Schwertleite bzw. Ritterschlag (der kniende Anwärter erwartet den Schwertschlag auf die Schulter) zu erheben.
Fürstliche Herren erschienen im Spätmittelalter zu den Turnieren mit gesammelter Rüstkammer, eigenem Rüstmeister und ihrem Plattner. Jeder edle Herr wollte für die verschiedensten Kampfarten wie Kolbenturnier, Gestech im hohen Sattel oder Rennen, im wahrsten Sinne des Wortes gerüstet zu sein. Die weniger gut gestellten Edlen liehen sich auch schon mal einen Harnisch.
Eines der größten deutschen Ritterturniere wurde am 13. Juni 1311 in Rostock durch König Erich von Dänemark veranstaltet, so überlieferte der Dichter und Minnesänger Frauenlob (mit adligem Namen Heinrich von Meißen), darüber, dass etwa 6400 Ritter anwesend waren und dort unter anderem sein Herr, der brandenburgische Markgraf Woldemar die Schwertleite empfing. Der junge Ritter soll hier unermesslichen Aufwand getrieben und reiche Geschenke für die Ritterschaft und die Gaukler gespendet haben, sodass er darüber in große Schulden geriet.
Bei so einem großen festlichen Turnier gab es für die Rostocker Plattner und nicht nur für diese, einen tüchtigen Lohn zu verdienen. Die außerordentliche Pracht der Ritterspiele im Rosengarten wurde ähnlich von anderen Zeitgenossen in lebhaften Bildern gerühmt.
Die Rüstungen selbst haben bis etwa Mitte 14. Jahrhundert verschiedene Entwicklungen durchgemacht - vom Schuppenpanzer, das waren auf Leder gesetzte Metallplatten, zum Kettengewand (Maschenpanzer) und bis zum vollständigen Plattenharnisch mit Scharnieren, also bis zur Ganzkörperrüstung. So eine Ritterrüstung bestand dann aus Helm, Gesichtsschutz, Visier mit Fenster, Kragen, Schulterschutz, Armzeug (Achseln, Ellbogenkacheln, Ober und Unterarmröhren), Handschuhe, Kürras (Brust- und Rückenplatte), Bauchpanzer, Beinpanzer mit Oberschenkeldecken, Kniebuckeln und Beinröhren mit Schuhen, und alles Eisenblech miteinander wurde vernietet und durch Scharniere beweglich gemacht.
Im besten Fall musste jede Rüstung ein Unikat sein, maßgefertigt auf den Leib des Trägers, damit er sich darin frei bewegen konnte. An den Gelenken sollte es nicht drücken und auf das Ross sollte er steigen können. Dem Plattner wurden einige Fertigkeiten seines Faches abverlangt. Dazu gehörten verschiedene Techniken der Metallbearbeitung zu beherrschen, bis dahin, dass er selbst kunstvolle Ätzungen und Gravuren verfertigen konnte. Die Anfertigung einer hochwertigen Rüstung nahm insgesamt viel Zeit in Anspruch und war nicht selten ein Jahreswerk.
Trotz aller handwerklichen Meisterschaft war die Rüstung zu keiner Zeit eine bequeme Schutzbekleidung. Allein schon das Gewicht bereitete einige Probleme. Erst mit der Veränderung der Kampfarten ab Mitte 16. Jahrhundert veränderte sich auch die Rüstung zunehmend. Die norddeutschen hohen Herren gingen in der neuen Kampf-Mode, die aus Italien kam, voran.
Bei dieser Turnierart kämpften die Kontrahenten durch eine Schranke voneinander getrennt und über diese Schranke hinweg stachen sie gegeneinander. Diese neue Form wurde das welsche Gestech, in Italien alla pallia genannt. In schwerer Form war das Gestech schon zu Zeiten Kaiser Maximilians ausgeübt worden; jetzt verzichtete man aber auf die schwere Stechstange und benutzte stattdessen einen wenig verstärkten Feld-Harnisch. Dem wurde die Rüstung angepasst, schwere Verstärkungen und Panzerungen wurden nicht mehr gebraucht, was in der Folge zu einer sehr wesentlichen und erwünschten Vereinfachung des Rüstwesens führte. Für einen Mann mit einer Körpergröße von 1,90 m z. B. erbrachte das Metall nur noch ein Gewicht von etwa 55 kg. Diese neue, leichte Rüstung wurde schnell angenommen, was noch einmal die Auftragslage der Plattner gewaltig in die Höhe schraubte.
Prächtige Harnische ließ sich Herzog Julius von Braunschweig (1528-1589) um 1557 schlagen, ebenso der Graf Ernst Peter von Mansfeld (1517-1604). 1558 bestellte Markgraf Johann von Brandenburg-Küstrin (1513-1571) die moderne Rüstung, Kurfürst Joachim II. Hektor (1505-1570) erhielt sie im Jahr 1560 und 1561 suchte Herzog Adolph von Schleswig-Holstein (1526-1604) notwendig einen guten Plattner.
Herzog Johann Albrecht I. von Mecklenburg erwarb seinen neuen Harnisch aus der Steiermark, aus bestem steierschen Edelstahl. Herzog Johann Albrecht ließ in der Zeit von 1568-74 großzügig die Einführung der Reformation in Österreich unterstützen und gab auf diesem Wege seiner mecklenburgischen Delegation unter Leitung des Rostocker Universitätsprofessors Dr. David Chyträus seine Leibmaße mit, um beim besten Meister aus der Steiermark bedient zu werden. Letztendlich erhielt er in Dankbarkeit der dortigen Landstände zwei steiersche Harnische, einen "Küriß" und einen "Trabharnisch" (halber Harnisch mit Schössen anstatt der vollen Beinröhren), mit „carmoisinrothem Sammet unterzogen und mit gutem Golde vergoldet“, von den steirischen Landständen geschenkt.
Die allgemeine Entwicklung der Kriegskunst machte die Rüstung im 17. Jahrhundert überflüssig, letzte Ritterturniere wurden noch Anfang 18. Jahrhundert an europäischen Höfen abgehalten, damit war der Beruf des Plattners ausgestorben. Die alten Rüstungen füllten von nun an die Kammern, sodass Friedrich der Große in Berlin sich dazu entschloss, die Schätze seiner Rüstkammer Gewinn bringend zu verkaufen.
Autorin: Hannelore Kuna