Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Posamentierer gehörten zum Wolle und Garne verarbeitenden Handwerk. Sie fertigten seidene, wollene und leinene Bänder, Borten, Fransen, Kordeln, Quasten, Volants, kunstvoll bespannte Zierknöpfe und ähnliche Waren an, die textil-technisch als Zierrat benutzt wurden und allgemein Posamente oder Passamente hießen. Gebrauchsgegenstände aller Art wurden je nach dem modischen Zeitgeschmack verziert bis übertrieben verschnörkelt wie: Bekleidung, Möbel und anderer nützlicher Hausrat (Decken, Bettzeug, Kissen u. a.). Im Grunde sind all die schönen, feinen Waren heute wieder aktuell als Accessoires z. B. in der trendigen Wohnraumgestaltung oder zu aller erst in der modischen Bekleidung.
Ursprünglich kam dieses feine spezialisierte Handwerk vor allem aus Frankreich und Italien nach Süddeutschland und in das sächsische Erzgebirge. Ab dem 18. Jahrhundert wurden Posamentierer, die sich nun auch Bortenwirker, Bortenmacher (Weber) nannten, aller Orten nachweisbar.
In Rostock fertigten die Meister hauptsächlich ihre Waren auf Bestellung an, allgemein zum Gebrauch der Stadtleute, für den Pfingstmarkt oder zu auswärtigen Jahrmärkten, gelegentlich arbeiteten sie anderen Gewerken (Tischlern, Möbelbauern, Weiß- und Buntwebern, Tuchmachern usw.) zu. Im Jahr 1817 sind in Rostock zwei Posamentier-Meister mit Gesellen und Lehrlingen nachweisbar.
Hergestellt wurden die Posamenten in geschickter, weiblicher Handarbeit, die als erlaubte Hilfskräfte mitarbeiten durften und auf einem Webstuhl. Dabei wurde oft nach traditionellen Farben und Mustern gearbeitet, die über Generationen weitervererbt wurden.
Da Posamentierer zu keinem großen Wohlstand kamen, fand ihre Arbeit in einer kleinen Werkstätte statt. Die Meister nahmen gerne weibliche Hilfskräfte in ihrer Werkstatt auf, meist waren das durchziehende Soldatenfrauen, Witwen, junge Mädchen und nicht selten wurden Kinder ab 10 Jahren zur Posamentierer-Arbeit angehalten. Das waren geschickte und flinke Hände, die als billige Hilfskräfte ihren Vorzug hatten, wogegen die Gesellen sich beim städtischen Rat beschwerten.
Die Werkstatt benötigte mehrere Arbeitskräfte, wenn z.B. die arbeitsaufwendigen Kordeln gedreht wurden. Dafür wurden zunächst einzelne Garn- oder Wollfäden zu einer (festen) Schnur verdreht, die dann zu einer üppigen Kordel weitergedreht wurden. Für die Fertigung von breiteren Bändern benutzten die Bortenwirker den Posamentierstuhl, der kleiner als ein Webstuhl war und er war speziell auf die Produktbreiten einstellbar. Er wurde mit besonderen technischen Vorrichtungen zur Herstellung von Mustern ausgestattet und war nach 1800 oft mit dem modernen Jacquard-Mechanismus versehen.
Ein besonderer Bereich der Posamentierer war die Arbeit für die zeitgemäße modische Bekleidung, dabei wurde weder an Ober- oder Unterbekleidung mit Zierrat gespart. So galt auch hier, man muss das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, besser wäre in diesem Falle zu sagen: zu kaschieren. Denn z. B. Oberkleidung egal ob für die Frauen und die Männer brauchten häufig nützliche Verschnürungen, Tressen und Knöpfe, um Bäuche zu verstecken oder Taillen zu formen.
Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit wurde hauptsächlich für die Herrschaftskleidung wichtiges Zubehör hergestellt. Dabei wurden Bänder, Borten oder Quasten zur Verzierung kunstvoll und sehr kostenaufwendig mit Gold- und Silberfäden gefertigt. So brachte beispielsweise Herzog Ullrich von Mecklenburg von seiner Reichstagsfahrt im Jahr 1582 aus Augsburg für „Für 94 Lott (Loth) guldene und silberne Borten“ mit.
Eine gute Auftragslage erzielt sie, wenn es gelang für das Militär zu arbeiten, denn auf eine stattliche Uniform gehörte allerlei Zierrat, das sowohl schmückte als auch die militärischen Ehren ihres Trägers anzeigte. Das mecklenburgische Militär trug Ende 18. Jahrhundert in Anlehnung an die preußische Montur zur Unterscheidung der Regimenter, der Militärgattung usw., gelbe oder weiße geflochtene Borten an den Aufschlägen und Hüten oder Goldtressen. Mit steigendem Dienstgrad mussten es Goldborten sein. Bei der Errichtung des Garderegiments im Jahr 1809 richtete man sich als Rheinbundstaat nach französischer Uniformierung. Doch hier einen guten Auftrag zu erhalten, war nicht einfach, da es immer wieder Handwerks-Fuscher gab, die sich ungebührlichen Nahrungseindrang verschafften und den Auftrag auf unredliche Weise erhielten.
Mit der Volkstracht aus Leinen- oder Wolltuch wurden außer den hohen Herrschaften und den Militärs auch die mecklenburgischen Bauern wichtige Kunden der Posamentierer. Hose, Rock, Schürze, Leibchen, Brusttuch, Hut und Mantel der Bauern und Bäuerinnen waren mit einer Vielfalt von Verschnürungen, Tressen und Knöpfen besetzt. „Die Frauen auf Poel, deren Tracht sich bis Redentin verbreitete, trugen an Feiertagen gewöhnlich gaschene, sehr kurze, faltige und dicke, unten mit Band besetzte Röcke, eben solche Joppen, mit krausem Besatz oben geschmückt, …“.
Die Warnemünder Frauen trugen im Sommer schützende Spannhüte aus Stroh oder Hüllen auf dem Kopf, kleine Kappen die nur den Hinterkopf bedeckten und von einigen wenigen Frauen mit Schneidergeschick im Ort selbst angefertigt wurden. Für diese Kopfbedeckung wurden 5 Ellen (ca. 3 m) glattes oder gezähntes Seidenband benötigt, das der Posamentierer zu Rostock fertigte.
Mit der Entwicklung von Technik und unter Zuhilfenahme von Seilmaschinen, Flechtmaschinen oder Wirkmaschinen wurde die massenhafte Herstellung enorm erleichtert, der einzelne Handwerker musste sich aber für so eine technische Anschaffung zunächst verschulden. Zeitweise bildete sich auch das gesonderte Handwerk der Senkelmacher heraus, um den Bedarf an praktischen Warenschnüren in der Vielfalt für jedermann herstellen zu können, beispielsweise Schnürsenkel für die Schuhe.
Da das Gewerbe der Posamentierer insgesamt mit den modischen Neuerungen verwoben war, waren auch die Produkte sehr marktabhängig, sodass handwerkliche Geschicklichkeit einerseits und schnelle Umstellung andererseits erforderlich waren, um erfolgreich im Geschäft zu bleiben. Im Biedermeier wurden wieder breite Schultervolants und aufgetriebenen Ärmeln modern, die die Schlankheit der Damentaille betonten und damit war auch das Handwerk wieder ganz aktuell.
Beispielsweise wirkte sich die Erfindung des Knebelverschlusses fördernd auf das Handwerk aus. Der Knebelverschluss entwickelte sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts zum so genannten „Brandenbourger“, zu einer „Posamenterie-Schlaufe“, durch die der Knebel gezogen wurde. Aber die massenhafte Anfertigung von Metallknöpfen seit Anfang des 19. Jahrhunderts verdrängte den guten alten Knebelverschluss. Mit dem Metall-Knopf und dem umnähten Knopfloch im Gewebe, war ein enormer Fortschritt in der Mode erreicht, der bis heute andauert.
Nach 1820 weigerten sich die Männer Borten als Zierrat an der Kleidung zu tragen. Nach 1840/50 kam der Frack in den Schrank und wurde nur noch einmal im Jahr zum Gesellschaftsball herausgeholt. Indessen eroberte die schlichte Jacke ohne große Eleganz den Markt, lediglich die Weste blieb noch farbig, bis schließlich die Form und Farbigkeit der Krawatte dem Mann hauptsächlich eine individuelle Note abgab.
Die Blütezeit des handwerklichen Berufsstandes endete im späten 19. Jahrhundert. Die wenigen lokalen Vereinigungen der Posamentierer schlossen sich 1890 zu einer zentralen Berufsorganisation zusammen, die 1893 dem Textilarbeiterverband beitrat. Die industrielle Fertigung übernahm die Produktion der aktuellen dekorativen Erzeugnisse, sodass bis heute der Beruf erlernt werden kann. Inzwischen entstehen wieder kleinere Fabriken und Manufakturen, die für Spezialaufträge Handarbeiten ausführen und mit historischen Maschinen arbeiten.
Autorin: Hannelore Kuna