Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Die Raschmacher gehörten allgemein dem Weberhandwerk an, sie bildeten neben den Tuchmachern (den feinen Wollenwebern) und den Leinenwebern zeitweise auch eigene Zünfte. Sie übten im Verlauf der Arbeitsteilung eine Spezialisierung auf grobe Wollstoffe aus. Sie unterschieden sich daher von ihren Berufskollegen durch die verwendete Wolle sowie der angewandten Webtechnik.
Ab Ende des 18. Jahrhunderts war der Rasch im Norden bekannt als ein locker und leicht gewebter Stoff aus grobem Wollgarn, er war bekannt als alltäglicher Wollstoff. Verfertigt wurde er von Schafswolle oder aus anderen gleichwertigen Tierhaaren. Rasch wurde bevorzugt in der kalten Jahreszeit zu Bekleidungszwecken verwendet. Wenn der Winter kam, brauchte man kräftige, feste und wärmende Stoffe, der in Mecklenburg übliche Leinenstoff reichte nicht aus, um dem Wetter zu trotzen.
Da gab es z. B. den schwach gewalkten Rasch aus Tuchwolle, der auch Tuchrasch genannt wurde und zum wärmenden Stoff für vielerlei Arten von täglicher Oberbekleidung verarbeitet wurde. Wegen der Vielfalt ihrer Waren nannten sich die Raschmacher vielerorts auch Zeugmacher. Besonders bei den einfachen Stadtbürgern und Landleuten kam Rasch wegen des erschwinglichen Preises in Mode; während die festen, feinen und wärmenden Wollstoffe (als Tuche bekannt) teuer waren und von den wohlhabenden Leuten getragen wurden.
Nach dem Sprachforscher J. Ch. Adelung entstammt das Wort Rasch ursprünglich in mittelalterlichen Zeit aus der französischen Stadt Arras, demzufolge wurde der Webstoff zunächst Arras, Arrasch genannt bis daraus abgekürzt Rasch wurde. In der Rostocker Kleiderordnung von 1585 ist die Rede von geschnittenen Hosen mit Arrasch, wobei den Handwerkerfrauen das Tragen von Sayen, sajanische Schürzen verboten war. Die Reglementierung ergab sich nach dem Rang der sozialen Stände innerhalb der Stadt.
Die einzige erhaltene Amtsrolle der Raschmacher im Stadtarchiv Rostock unter dem Titel „Rolle der Sayn-, Grobfrün-, Bohnseiden- und Raschmacher mit Zusätzen“, ein Pergament ca. 1,2 Meter stammt aus dem Zeitraum 1646-1692. Für die jeweilige Anzahl der Raschmacher und Tuchmacher in der Stadt gab es eine einfache Regel, denn sie richtete sich auffallend nach dem Geldbeutel der Leute. Ging es der Stadt und den Bürgern wirtschaftlich gut, dominierte das Tuchmacher-Gewerk, das dem Rang nach höher stand als die Raschmacher. In wirtschaftlich schlechten Zeiten dagegen erhielten die Raschmacher mit den qualitativ schlichten und darum billigen Stoffen den größeren Zulauf an Kundschaft, was sich dann zahlenmäßig im Umfang der Zunft niederschlug.
Ein Rostocker Raschmacher war Bernhard Balthasar (starb 1724), der insbesondere als Apotheker einen Ruf erwarb. Doch Balthasar hatte zunächst den Raschmacherberuf erlernt, seine eigentliche Neigung führte ihn dann zum Apothekerberuf. Durch Ratserlass von 1698 wurde er zur Aufgabe der Raschmacherei mit angeschlossener Färberei veranlasst, damit die Rosen-Apotheke weiter bestehen konnte. Balthasar musste sich endgültig für eine Profession entscheiden.
In der Regel lebten und arbeiteten die Raschmacher unter sehr bescheidenen Verhältnissen, sie wohnten in kleinen Häusern und auch nicht in den besten Verkehrsstraßen. Obgleich die Raschmacher nicht den höchsten Stand innerhalb der Gewerbe einnahmen, so hatten auch sie ein Wort im Rat mitzureden. Nach dem landesherrlichen Regulativ von 1770 konnten die Raschmacher zwei Meister für das Kollegium der Hundertmänner (Bürgerschaftskollegium) bestimmen und auf diese Weise waren sie beteiligt an den wichtigsten Stadtgeschäften.
Die Raschwaren-Fertigung war eine körperlich anstrengende Angelegenheit und begann mit der qualitativ soliden und natürlich preiswerten Materialbeschaffung auf den Wollmärkten. Das war bisweilen schwierig, da die Anschaffung auch von dem Viehbestand abhing. Ein schlechtes Futterjahr brachte wenig Wolle, ein gutes Jahr dagegen einen gewissen Überhang.
Die wichtigsten Wollmärkte Mecklenburgs wurden alljährlich in Boizenburg, Güstrow und Neubrandenburg ausgerichtet. 1827 wurde von der Rostocker Kaufmannskompanie der Versuch unternommen in der Seestadt einen ständigen Wollmarkt einzuführen, im Ergebnis dieser wirtschaftlichen Bemühungen entstand ein Wollmagazin (Geschäftsführer Kaufmann Jeppe um 1835), das zu den Schaf-Schurzeiten die Schafwolle aus der Umgebung aufkaufte.
Die Raschmacher benötigten lange, grobe einschurige Wolle, die wiederum die Tuchmacher für feine Stoffe ablehnten. Aus grober Wolle entstanden Rasch und Serge, aus feiner, zweischüriger Wolle feinste Tücher. Allgemein bekamen die Meister die langhaarige Wolle zu einem passablen Einkaufspreis.
Nach einer preußischen Instruktion und Schätzung für die Kurmark von 1722 verarbeitete ein Tuchmachermeister mit Gesellen jährlich 300 Stein (Maß) Wolle, ein Zeugmacher 26 Stein Wolle und ein Strumpfmacher kam auf 10 Stein Wolle.
Die eingekaufte Wolle musste zunächst zum Verspinnen aufbereitet werden, dafür wurde sie entweder nur gewaschen oder danach mit Leinöl gefettet. Es folgte das Kämmen mit dem Drahtkamm oder sie wurde ungekämmt gesponnnen und der gesponnene Faden 4-fach gezwirnt. Diese Aufbereitungen wurden je nach Nachfrage vorgenommen und die einzelnen Arbeitsgänge unternahm der Meister mit seinen Gesellen und Lehrlingen. Dagegen half die ganze Familie beim Verspinnen der Wollmaterialien oder in gut florierenden Zeiten wurden Spinnerinnen in Taglohn eingestellt.
Der Weiterverkauf von gesponnenem Garn war den Meistern aber streng verboten, das wurde den Gewandschneidern überlassen, die in Rostock zu den Großkaufleuten zählten. Auf Bedarf hin wurden zum Schluss der Arbeiten manche Wollstücke gewalkt und gefärbt, also weiter verarbeitet, wodurch das Grundmaterial sich veredelte.
Im Rostocker Raschmacher-Gewerk waren wie anderswo wichtige Qualitätsregeln festgelegt. So waren sie verpflichtet, ihre selbst verfertigten Waren vor dem Färben zur sogenannten Schau und Stempelung zu bringen, damit konnte die Qualität geprüft und gesichert werden und der Herstellungsnachweis der Waren war für lange Zeit nachweisbar.
Den Gesellen war es verboten, für den Leinenweber zu wirken oder für den Tuchmacher auf dem Stuhle zu arbeiten (also zu weben). Und doch gab es immer wieder Klagen und Streitigkeiten mit anderen Weberämtern. 1658 musste der Rostocker Rat ein Urteil in Sachen Leinenweber gegen Raschmacher fällen. Ähnlichen Zwist gab es in Preußen, 1733 und 1766, da sollte es kein Leinenweber mit dem Gewerk der Raschmacher halten und umgekehrt und es wurde den Raschmachern verboten bei hoher Geldstrafe „ganzseidene Zeuge“ anzufertigen. Zwischen 1681 und 1689 stritten in Rostock die Färber und die Raschmacher miteinander, weil die Färberechte überschritten waren. Dann wiederum klagten die Rostocker Raschmacher gegen die dortige Kaufmanns-Kompanie und insbesondere gegen den Kaufmann Bauer wegen des Wollkämmens. Der Kaufmann hatte zum Kämmen der Wolle Arbeiter angestellt, um die eigenständig veredelte Wolle den Raschmacher zu höherem Preis anzubieten.
Autorin: Hannelore Kuna