Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Sattler und Schildmacher
Beide Gewerke bildeten in der frühen Rostocker Zeit ein gemeinsames Amt und gehörten zum lederverarbeitenden Handwerk. Die Handwerker verfertigten Sattel für den Pferderitt oder (Schutz)Schilde als Bestandteil der kompletten Ritterausrüstung zum Kampf oder Repräsentation. Sattler (sellifices lat.) und Schildmacher (scildere, clipeatores lat.) benutzten mit den Materialien Holz und Leder eine gemeinsame Arbeitsgrundlage, der Sattler bezog ein dem Pferderücken angepasstes Holzgestell mit starkem Leder, während der Schildmacher auf eine mit eisenverstärkte Holzfläche Leder aufzog und diese mitunter noch bemalte.
Schildmacher vertraten ein ehrbares, sehr altes Handwerk, das etwa nur bis Ende 14. Jahrhundert Bestand hatte. Ein erster Nachweis für Rostocker Schildmacher stammt aus dem Jahr 1282. In einer Urkunde von 1282 stellte der Rat zu Rostock für den Lübecker Rat ein wohlwollendes Gesellenzeugnis von den Alterleuten des Amtes der Schildmacher und Sattler aus.
Die Meister erhielten Aufträge von den fürstlichen Höfen und von der adligen Ritterschaft. Eine gute Auftragslage herrschte immer vor ritterschaftlichen Turnieren und im Unterschied zur Rüstung war der Schild auch relativ schnell herzustellen.
Bis in das 10. Jahrhundert hinein wurden Schilde in runder Form bzw. oval, ab dem 11. Jahrhundert in mandelförmiger Form angefertigt. Solche Schilde konnten fast mannshoch, durchaus von beachtlichem Gewicht sein und schützten damit den gesamten Körper. Diese mittelalterlichen Schilde bestanden aus ein oder zwei mit Leder überzogenen Lindenholzschichten und waren teilweise auch mit Eisen beschlagen. An der äußeren Seite, mittig, schützte eine eiserne Ausbuchtung (Schildbuckel) die besonders gefährdete Stelle, an der von innen die Hand den Schild festhielt. Da die Gerätschaft recht schwer war, wurde der Schild meist mit einem Riemen (Schildfessel) ausgestattet, damit der Ritter ihn um den Hals hängen konnte und einen zusätzlichen Halt gewann. Zu guter Letzt erhielt der Schild eine äußere Bemalung, die ursprünglich mit furchterregenden Ungeheuern und Drachen versehen war, später mit dem Wappen des Ritters.
Die Blüte der Schildmacherei dauerte bis Anfang 14. Jahrhundert, es folgte der Plattenharnisch, womit sich die Kampftechniken verbesserten und den veralterten Schild abschafften. Das endgültige Aus für die Schildmacher brachte die Erfindung der Feuerwaffen mit sich, vermutlich traten die Schildmacher nun in das aufstrebende Sattlerhandwerk ein.
Nach einer anderen Auffassung entstand aus dem Schildmacherhandwerk das Malergewerk.
Historische Spuren der ehrbaren Schildmacher und Schilderer finden sich in Rostock über nach ihnen benannte Plätze und Straßen: Beim Altstädter Schilde, heute am Wendländer Schilde und Am Mittelstädter Schilde (existiert heute nicht mehr). Die Plätze sowie auch die Grundform des Hopfenmarkts (heute Universitätsplatz) ähneln der alten dreieckigen Schildform.
Im 15. Jahrhundert hatte das Sattleramt für die Rostocker Stadtwehr 5 Bewaffnete zu stellen. Die frühere Entwicklung des Sattlerhandwerks in den Seestädten war hauptsächlich auf die Herstellung von Pferdesätteln spezialisiert. Bei Strafe war den Sattlern verboten Riemerware: Geschirr oder Zaumzeug, herzustellen. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts und spätesten mit Einführung der Gewerbefreiheit änderte sich diese Festlegung. Durch den arbeitsmäßigen Umgang mit dem Ledermaterial lag auch die Riemenfertigung in ihren Fähigkeiten. Der Sattler konnte den Riemer durchaus ersetzen, umgekehrt konnte aber kaum ein Riemer anständige, solide Sattel anfertigen.
Unübertroffene Sattlerqualitätsarbeit zeigte sich darin, dass der Sattel sowohl zur Anatomie des Pferdes als auch zum Reiter passte. Ein weicher, federnder Sitz für Reiter und Pferderücken zeichnete ihn aus, der gleichzeitig die Kommunikation des Reiters mit dem Pferd durch entsprechende Beinbewegung erlaubte, solche Sättel bürgten für handgefertigte Meisterschaft.
Allerdings gab es in der praktischen Umsetzung einige Hindernisse. Denn der Anspruch, dass jeder Sattel ein Unikat sein sollte, war früher mehr die Ausnahme als die Regel und nur am fürstlichen Hof möglich oder wenn der adlige Herr vom Lande guten Geld zahlte.
Oft musste der Sattler mit seinen Produkten in Serie gehen, beispielsweise wenn durchs Militär lohnende Aufträge in Aussicht standen. Das betraf hauptsächlich die Kriegszeiten, sodass Sattler gelegentlich an der Kriegskonjunktur teilnehmen konnten.
Die Bremer Sattler rüsteten 1813 französische Ulanen aus und nach deren Rückzug belieferten sie die durch Norddeutschland ziehenden „vaterländischen Truppen“ (Blüchers Armee). Anteilig profitierten auch mecklenburgische Sattler in diesen Zeiten von der Auftragslage.
An Militär mangelte es in Rostock nicht. Die Seestadt beherbergte fast durchweg landesherrliche Garnisonen unter verschiedenen Namen, wodurch in die Stadt zusätzlich Lohn und Brot kamen. Deshalb rang der Rat im Grundvertrag der Stadt Rostock mit der Landesregierung zu Schwerin vom 13. Mai 1786 dem Schweriner Herzog den Paragrafen 29 ab: „Die Montur für die hiesige Garnison, und was dieselbe sonst braucht, soll aus Rostock genommen, und von den Gewerken gefertigt werden“. Neben militärischen Uniformen, Stiefeln, Nahrungsmitteln, Viehfutter zählten auch die Pferdesättel dazu. Aber die vertragliche Zusage war über die vielen Jahre nicht zu halten, zu wechselnden Zeiten und Regierungen wurden Militärhandwerker bei der Garnison eingestellt.
Den alteingesessenen Rostocker Sattlermeistern waren die Garnisonssattler ein Dorn im Auge, denn sie hatten meist keine Meisterschaft vorzuweisen und waren nur Gesellen. Tatsächlich arbeiteten Militärhandwerker außerhalb der Zünfte ohne Meistertitel, ohne je ein Meisterstück angefertigt zu haben, im zivilen Bereich hätte man sie als sogenannte Bönhasen (Pfuscher) aus Rostock verjagt. Kurzum, garnisonseigene Sattler waren nichts anderes als Flicksattler, die demgemäß für Reparaturen zuständig waren.
Zur Grundlage der Sattlerarbeit gehörte die Anfertigung des Sattelbaums, dass ein Grundgerüst für die weitere Arbeit bildete. Er wurde früher aus Buchenholz angefertigt, in elf Einzelteilen grob gehauen, dann geschnitzt, geformt und zusammengesetzt, dafür gab es eine deutsche und eine englische Variante. Ob zu dieser komplizierten Holzarbeit jeder Sattler fähig war oder ob das Modell vom Schreiner, Stellmacher oder Tischler bestellt wurde, war regional verschieden und meist im Amtsprivileg festgelegt. Wichtig war, dass sich der Sattelbaum dem gekrümmten Rücken des Pferdes anpasste und daher formgerecht nachempfunden wurde. Das erforderte vom Sattler einige Kenntnisse in der Anatomie des Pferdes zu besitzen, diese Krümmung nannte man in der Sattlersprache eine Tracht anfertigen und war gerne als Meisterstück gefordert. In heutiger Zeit hat es der Sattelmacher unkomplizierter, er kann auf industriell geleimtes Sperrholz, Plaste, Metall und Federn zum Sattelbaum zurückgreifen.
War der hölzerne Sattelbaum kunstvoll gefertigt wurden zwei Gurte angenagelt, über diesen Leinwand ans Holz geleimt, darauf gepolstert, ausgefüttert und abschließend mit Leder überzogen. Von der Form und Funktion her gab es verschiedene Sattel: Deutscher, englischer, ungarischer, japanischer Sattel, Damensattel, Turniersattel, Jagdsattel, Offizierssattel usw. Der Damensattel, auch Quersattel genannt, sollte dem zierlichen und selten zu Pferde kommenden Frauenzimmer behilflich sein, mit Hilfe eine Lehne im Rücken und einem Brett zum Aufstellen der Füße. Von der Sorte gab es noch eine billige Ausführung ohne Fußbrett, dafür mit einem Gestell vorn über dem Kopf des Pferdes gelegt. Dieser Sattel hieß Crispinensattel, und war lange Zeit bei den schwedischen „Bauernweibern“ im Gebrauch.
In der Zunftzeit führten die Sattler ein geschenktes Handwerk, die Gesellen erhielten auf der Wanderschaft vom Meister entsprechend Unterstützung für Kost und Logis. In Nürnberg und Augsburg mussten die Sattler zum Meisterstück zwei große Turniersättel mit Sammet oder Tuch überzogen anfertigen. Hier im Norden wurde als Meisterstück ein kompletter deutscher Sattel nebst Zaum und Halfter; ein Frauenzimmersattel und ein vollständiges Pferdegeschirr verlangt.
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts vollzogen sich im Sattlerhandwerk enormen Wandlungen, die das Berufsbild noch einmal aufwerteten. Zu der Besattlung von Pferden kam die „Sattelung“ der neueren Transportmittel hinzu. Die ständig steigende Zahl der Personenbeförderungen bedingte den Bau von neuen Kutschwagen, Droschken im Post- und Reiseverkehr und dergleichen. Der Sattler fand hier lohnende Aufträge zur Polsterung von Sitzbänken aller Art. Weiterhin wurden damalige Kutschwagen, Chaisen, Droschken innen wie außen mit Leder verkleidet. Auch dieses Arbeitsfeld eroberte sich der Sattler und wurde hierin als Tapezierer bekannt.
Auf der Allgemeinen Deutschen Gewerbeausstellung 1846 in Berlin stellte unter Katalognummer 3026 der Sattlermeister Christian Reppien aus Rostock aus: „Einen wattirter Sattel, welcher sich durch gutes englisches Leder auszeichnet; die Form so wie die übrigen Arbeiten gehören zu den besseren der Art. Der Preis ist angemessen gestellt.“
Zwischen 1856 und 1865 stieg die Zahl der Sattlermeister um 6 Stellen. 1858 erwarb ein Sattlermeister das Bürgerrecht. 1872 zählte Rostock 33 Sattler-Unternehmen, darunter 5 aus der Familiendynastie Hachmeister. Nach Einführung der Gewerbefreiheit in Mecklenburg 1869 gründete sich die Sattler-Innung per 11. April 1888 zu Rostock neu. 1940 wurde die Handwerksorganisation unter der Bezeichnung Rostocker Tapezierer- und Sattlerinnung geführt.
Sattler machten nun auch elegante und zweckmäßige Reisekoffer aus Leder. Die Sattler haben ihr Handwerk über den Pferdesport hinaus bis in die heutige Zeit erhalten, dabei veränderten sich ihre Produkte und Angebote entsprechend den alltäglichen Erfordernissen: Als Polsterei, Autosattlerei, Bootssattlerei usw. Sattler oder artverwandte Berufe der Region können sich heute in der Raumausstatter-, Sattler- und Segelmacherinnung Rostock organisieren.
Autorin: Hannelore Kuna