Haff-Verlag

Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg-                                              Vorpommern


Scherenschleifer

Scherenschleifer
 
 

Das Handwerk der Scherenschleifer gibt es seit alters her, aber sie sind auch aus jüngerer Zeit bekannt. Es ist noch nicht so lange her, da zogen sie übers Land zu den Leuten, um ihre Dienste anzubieten. Ein gut geschärftes Messer im Küchenschrank zu haben, war schon wichtig. Damit portionierten die Leute ihr Fleisch und alle Nahrungsmittel die im Haushalt verarbeitet wurden, ohne sonstige technische Hilfsmittel. Eine gute Hausfrau verpasste daher den Scherenschleifer auf keinen Fall. Ähnliches galt für andere Arbeiten im Haus, so ist nicht verwunderlich, dass sich dieses Handwerk lange erhalten hat, weil es einfach immer gebraucht wurde.
 Ursprünglich führten die Scherenschleifer in ihrem Handwerkswappen eine Schere, die an einem oben und unten gekrümmten Haken hing. So ein Aushänge-Schild gab es ebenso vor den Häusern der drei Scherenschleifer in Rostock (1800). Im gesamten Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin arbeiteten 1825 noch 42 Scherenschleifer. Sie schliffen Scheren und Messer, da wurden auch Beile und Dolche wieder brauchbar gemacht. Das war eine nützliche und notwendige Dienstleistung für viele Handwerke. Barbiere, Gerber, Metzger, Schäfer oder Tuchscherer brauchten gut geschliffene Gerätschaften und Werkzeuge.

 In den Kriegszeiten gab es für Scherenschleifer zusätzliche Arbeit. Sie verstanden es meisterlich die alten Waffen wie Degen und Dolche, jede Art von Hieb- und Stichwaffen, wieder einsetzbar zu machen. Die Scherenschleifer gingen oftmals im Tross der Truppen mit oder zogen den Soldaten nach, sodass sie bei längerer Stationierung der Mannschaften an ihre Arbeit gehen konnten. In Kriegszeiten war die Arbeit beim Militär sehr begehrt und umworben, denn sie sicherte das tägliche Bot.
In der neueren Zeit wurden die Scherenschleifer für die Chirurgen in Rostock unentbehrlich. Die chirurgischen Instrumente wurden mit der Entwicklung der Medizin zahlreich, spezialisiert und feiner, sodass der Instrumentenbauer das Schärfen allein nicht mehr durchführen konnte. Der geschickte Scherenschleifer erwarb sich den Ruf ein nützlicher Zuarbeiter zu sein.

 Auch zur Badesaison in Doberan und später in Warnemünde, fanden sich regelmäßig Scherenschleifer ein. Mit der Zunahme der Kur- und Badegäste und dem täglichen Rasieren, dem Haarschneiden und Frisieren der Damen, hatten die Barbiere und Friseure Mühe ihre Handwerkszeuge in guter Qualität zu halten. Und ohne den rechten Schliff der feinen Messer und Scheren lief das Geschäft nicht. Nach der Saison verließen die Scherenschleifer quasi zusammen mit den Sommergästen das Kurbad. Darüber hinaus traten die Meister zu anderen Saisonhöhepunkten auf, wie zum Pfingstmarkt zu Rostock, die Scherenschleifer fehlten auf keinem Volksfest.
 Scherenschleifer waren herumziehende Handwerksleute, fahrende Handwerker, die in der schönen Jahreszeit von Ort zu Ort zogen und im 19. Jahrhundert für ihren gewählten Beruf eine Gewerbekonzession vorweisen mussten. Besonders streng war das benachbarte Preußen, sodass sich den Rostocker Scherenschleifern kaum eine Chance bot, in Stralsund oder auf Rügen Geld zu verdienen.

 Bereits im Mittelalter zählte man sie zu dem fahrenden Volk, in Gemeinschaft mit Zigeunern, Vagabunden und Gauklern wurden sie aufgezählt. Ihre Arbeit galt gar als ein liederlicher Beruf, sie wehrten sich so gut sie es vermochten. „Ich schleif und wend und kehr mein Mäntelchen nach dem Wind (Ick slijp, ick wend ende keer muyn huyckksen nae den wynd), dichtete man ihm nach.“

 In den Städten gab es übers Jahr zu wenig Arbeit für Scherenschleifer um den Lebensunterhalt zu sichern, dann zogen sie hinaus aufs Land. Für ihre Arbeit brauchten sie keine feste Werkstätte, sie trugen ihre notwendigen Gerätschaften auf dem Buckel oder führten einen Handwagen mit sich. Gebraucht wurde wenig: Ein Schleifstuhl, das war meist ein in einem Holzstuhl eingehängter Schleifstein mit Trittschemel, der leicht transportiert werden konnte. Für kleinere Arbeiten benutzte er einen Wetzstein, war er zur Kühlung mit Öl bestrichen, hieß er Ölstein. Die qualitativ guten Wetzsteine erhielten die Rostocker Scherenschleifer von weiter her aus dem Süden, aus Vorarlberg. War ein Scherenschleifer mit Kapital ausgestattet, schaffte er sich ein zweirädriges Wägelchen an, den oft ein Hund als treuer Begleiter zog.
Der „Scherenschleifer kommt“, kündigten ihn die Dorfkinder mit lautem Geschrei an und der Tumult begann. Fenster und Türen öffneten sich, die Bewohner nahmen teil an seinem handwerklichen Tun und Treiben. Alles, was es im häuslichen Bereich und in der Bauernwirtschaft zu schleifen gab, trug man seiner „Schleiffabrik“ zu: Brot- und Schlachtmesser, Scheren, Sensen und Sicheln, nicht zuletzt das „Knief“, das Universaltaschenmesser eines jeden Mannes: „dien oll Knief is uk so stump, drup kann’ man na Paris henrieden.“

 Die Leute brachten ihm von ihrem Hausrat an Gerätschaften was stumpf und unbrauchbar geworden war. Der Scherenschleifer brachte seinem Schleifstein mit dem Fuß in Gang und tat seine Arbeit. Beim Schleifen von Schere und Messer ließ er am Stahl die Funken sprühen und das Schleifgeräusch war ohrenbetäubend schrill. Nach getaner Arbeit versammelten sich die Leute, so ein Scherenschleifer kam über das Jahr viel herum, nahm seine regelmäßigen Touren auf und brachte so manche Neuigkeiten aus dem Mecklenburgischen mit. Den einen oder anderen Scherenschleifer verleitete das unstete Leben zu Müßiggang und Gaunerei. Er landete in einer Korrektionsanstalt oder vorübergehend in polizeilichem Gewahrsam. Nicht selten wurden sie deshalb auch von den Leuten argwöhnisch betrachtet, denn ihr Ruf war nicht gut, so ein Berufsstand wurde eher mit einem Vagabundenleben verglichen.
Dabei kannten die Scherenschleifer auch allerlei Tricks und Spiele, um besonders die Kinder in ihren Bann zu ziehen. Sie waren Geschichtenerzähler und brachten zur Unterhaltung des Publikums bisweilen ein dressiertes Äffchen mit. Von daher wurde der Ausspruch bekannt: „Er sitzt da, wie ein Affe auf dem Schleifstein“. Tatsächlich saß das Tier nie auf dem drehenden Stein, sondern hüpfte im Dreh-Takt auf und ab.

 Vom Scherenschleifer wurde überliefert, dass er den Kindern gerne das Märchen vom „Hans im Glück“ erzählte. Denn Hans hatte die goldene Gans gegen einen Wetzstein und einen Mühlstein eingetauscht und bekam zur Beherzigung den Spruch mit auf dem Weg, dass das Handwerk „güldenen Boden“ habe. Nun, vom Scherenschleifen wurde niemand wohlhabend, im wahren Leben mussten sich die Scherenschleifer redlich mühen. Und am Ende war es doch stets so, dass jedes Handwerk seine „schwarzen Schafe“ aufzuweisen hatte. Im Jahr 1907 waren im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin noch 76 Personen mit dieser Tätigkeit als Gewerbetreibende beschäftigt und bis in die 50-er Jahre hinein waren sie in vielen Orten Mecklenburgs anzutreffen. 
 
Autorin: Hannelore Kuna

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