Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Schiffzimmermann
Die Statistik des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin erfasste für Rostock um 1800 an Berufen 98 Schiffer, 18 Schiffnachprahmer und 4 Schiffzimmermeister und für das Jahr 1850 sind 88 Schiffer, 35 Schiffnachprahmer und 3 Schiffszimmermeister angegeben.
Seit 1794 gab der Schiffbaumeister Johann Friedrich Meyer, der ursprünglich aus Stralsund kam, dem Schiffsbau in Rostock wichtige Impulse. Er verstarb aber schon am 9. November 1798. Ihm folgten die drei Schiffbaumeisterfamilien Ramm, Dethloff und Warnck, die in zwei und die letzte sogar in drei Generationen den Holzschiffbau zu Rostock in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestimmten.
Um ein neues Schiff zu erbauen, schloss der Besteder (Besteller, Auftraggeber, Eigner) mit dem Schiffsbaumeister einen schriftlichen Kontrakt ab, einen Mählbrief, der enthielt: Größe des Schiffs, Schiffstyp, Beschaffenheit und Ausrüstung, Zeit der Ablieferung und Bezahlung. Die Ablieferung bedeutete stets, ein Schiff in see- und segelfertigem Zustand zu übergeben.
In Rostock galt auch dann ein Bauauftrag als abgeschlossen, wenn die Zimmermannsarbeiten begannen. Unter Leitung und Verantwortung eines erfahrenen Schiffsbaumeister liefen sämtliche Bildhauer-, Blechschmiede-, Blockmacher-, Böttcher-, Glaser-, Kupfer-, Mahler-, Reifer, Schmiede-, Schlosser- und Segelmacherarbeiten ab. Dabei war ebenso klar, was der Baumeister nicht zuliefern hatte, nämlich Proviant, Heuern, Hafenkosten, Schiffspapiere und nautische Instrumente.
Zur Bezahlung waren Ratenzahlungen zu genau festgelegten Bauabschnitten und Terminen üblich. Der Kontrakt wurde im Duplikat ausgefertigt und von beiden Seiten unterschrieben. Zum Schluss leistete der Schiffszimmermeister vor dem Gewett der Stadt einen Eid, dass er mit seinen Arbeitern das benannte Schiff in Rostock für einen hiesigen oder auswärtigen Auftraggeber erbaut habe, worauf der Bielbrief (Schiffsfahrzeugpapiere) vom Gewett auf Pergament ausgestellt wurde.
Da die Zimmerung wesentlich die Güte des Schiffs ausmachte, enthielt der Bielbrief auch stets den Passus des „tüchtigen und gesunden eichenen Bauholzes“. Seine Aushändigung an den Reeder erfolgte erst nach geglücktem Stapellauf und erfolgter Schiffstaufe.
Große Werften im heutigen Sinn gab es Anfang des 19. Jahrhunderts noch nicht, sie entstanden in Rostock erst mit dem Eisenschiffbau vor dem Kröpeliner Tor nach 1850.
Für den Segelschiffbau existierten Schiffsbauplätze an der Warnow, die die Stadt an die Baumeister verpachtete. Die Pacht erhob die Stadt in Form eines Kielgeldes, der Meister bezahlte pro Elle gebauten Kiels 12 mecklenburgische Schillinge.
Die Bauplätze mit kleinen Helingen lagen eng aneinander „Am Strande“ zwischen Fischertor und Badstübertor und in der Nachbarschaft befanden sich die nötigen Holzlagerplätze.
Die allgemeinsten Anforderungen an den Rostocker Schiffbau bis etwa 1850 bezogen sich auf eine möglichst große Lastenaufnahme für Holz, Getreide, Kohlen; zweitens auf ein flaches Schiff wegen der Untiefen in Ost- und Nordsee und der flachen Häfen und drittens, auf ein halbwegs schnell segelndes Schiff. Größere gekupferte Vollschiffe und Barken ab 200 Lasten für die Fahrt auf den Weltmeeren, wurden in Rostock erst nach Aufhebung der englischen Navigationsakte 1850, die den freien Seehandel brachte, erbaut.
An der handwerklichen Kunst Schiffe zu bauen, waren einige Berufe beteiligt. Die Zimmerleute bauten den Rumpf, Masten und Kajüten aus bestem Holz, sie zimmerten aus einzelnen Teilen das „Seegebäude“ zusammen.
Der meist gebaute Schiffstyp Anfang des 19. Jahrhunderts war die Galeasse, mit bis zu 90 Lasten und 25 Metern Länge, die insbesondere für den Getreidetransport gut geeignet war. Zwischen 1800 und 1875 erfolgten etwa 550 Rostocker Segelschiffsneubauten, darunter Galeassen, Schoner, Schonerbriggen, Schonerbarken, Briggen und Barken.
Der Neubau eines hölzernen Schiffs war nicht mit einigen Monaten Arbeit bewältigt, mitunter dauerte er 1-2 Jahre. Für die Zimmerleute kamen ständig Reparaturen und Ausbesserungen an anderen Schiffen hinzu, die durch Sturm, Strandung, Fäulnis oder Havarien seeuntauglich waren. Allerdings schränkte die Hafenordnung vom 11. März 1853 „das Zimmern und Ausbessern der Schiffe zu Warnemünde“ auf Notfälle und nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Gewetts ein. Die Rostocker Schiffbaumeister beschäftigten in der Regel 10 Zimmerleute, eine rühmliche Ausnahme bildete der Schiffbaumeister Warnck, der in der hellen Jahreszeit bis zu 40 Gesellen Arbeit geben konnte.
In Rostock erhielten die Schiffzimmerleute 1504 eine eigene Rolle, die Hamburger und Lübecker erst 1544 und 1560. Für den Beruf des Schiffzimmermanns musste eine dreijährige, fleißige, lehrsame und gehorsame Lehrzeit absolviert werden. Nach Erteilung der Lossprechung und Erhaltung des Lehrbriefs war man ein Werkmann. Früher bestand dann strenger Wanderzwang, 1764 milderte der Rat den Wanderzwang, späterhin kam er wieder auf die Tagesordnung. Innerhalb eines Jahres war die Wanderschaft anzutreten und danach nachzuweisen, dass man 1 Jahr bei einem fremden Meister gearbeitet hatte und 1 Jahr lang zur See gefahren war. Ohne Seefahrtnachweis erfolgte keine Gesellenaufnahme in die Zunft, denn der Zimmermann musste schon selbst Erfahrungen über Schiffe und über die Arbeit der Besatzung und Kapitäne mitbringen. Eine zweijährige Seefahrtpraxis wurde dann auch Voraussetzung für den Erwerb des Meistertitels.
Seit 1822 wurden die Bedingungen auf drei Jahre Wanderschaft außerhalb Rostocks und davon mindestens 2 Jahre außerhalb Mecklenburgs erhöht. Empfohlene Wanderorte für Schiffszimmergesellen im Jahr 1842 waren in Norddeutschland Bremen, Hamburg, Stettin und Danzig. Rostock hatte ebenfalls einen guten Ruf unter den Schiffsbauern, weil die Stadt als Ort bekannt war, indem die Gesellen bei erfahrenen Schiffsbaumeistern ihr handwerkliches Geschick und fachliches Wissen vervollkommnen konnten. Die Anzahl von 150 eigenen Handelsschiffen in der Seestadt sprach schon für sich.
Die Arbeit der Schiffszimmerleute erwies sich als eine körperlich anstrengende Tätigkeit. Sie wurde hauptsächlich in der Sommerzeit ausgeübt, die in Rostock von März bis zum 18. Oktober ging, denn im Winter blieb die Arbeit fast gänzlich aus. Der Tagesverdienst lag um 1850 etwa bei 15-22 Groschen, geringfügig höher als in Stettin und Greifswald. Dazu kam gewöhnlich die Erlaubnis das Abfallholz als Brennholz für die Familie nutzen zu können.
Auf den Schiffbaustellen ging es immer lebhaft und laut zu vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Die gesägten Bohlen für die Planken mussten gebogen werden, in Rostock verwendete man nur Eichenholz. Nur für kleine Schiffe, Kähne und Boote nahm man auch Planken von Nadelholz. Es galt die einfache Formel, je größer die Schiffe, desto länger, breiter und dicker musste das Plankholz sein. Holzlängen um die 20 Meter waren keine Seltenheit.
Anfangs wurden angefeuchteten Bohlen auf einem eisernen Bock (Brennbock) unter starkem Feuer erhitzt und mit großer Krafteinwirkung der Muskelmänner den Rundungen des Schiffs angepasst. Durch langjährige Erfahrungen wurden einige Arbeiten erleichtert und man kannte auch kleine Tricks, wie das Einreiben mit Salz, um das Holz biegsamer zu machen. Ab 1819 half eine verbesserte Dampfkiste zum Erweichen und „elastischer“ Werden der Hölzer, eine Sache, die in Holland schon länger praktiziert wurde.
Unebenheiten beseitigten die Zimmerleute mit dem Schlichteisen. 20 bis 24 Zimmerleute benötigten einen langen Arbeitstag, der schon morgens um 3 Uhr begann, um 4 bis 6 Planken herzustellen. Weitere große gebogene Hölzer mussten hergestellt und die Bänder an den Boden und Wänden befestigt werden. Qualitativ sehr gutes Holz wurde für die Masten und den Kiel verarbeitet, es musste lang, gerade, dick und völlig astfrei im Holz sein. Als Kielholz kam auch Buche zum Einsatz, die unter Wasser gute Eigenschaften zeigte; jedoch gleich ob Buche oder Eiche, Kielholz forderte einen hohen Einkaufspreis.
Damit das Schiff garantiert dicht wurde, legten die Zimmerleute zwischen den einzelnen Planken Hanf und Pech ein, nahmen zum Schluss ein heißes Brenneisen, um die verpichten Fugen und Nähte im Innern des Schiffes zu glätten. Die Arbeit nannten sie das Kalfatern.
1858 erwarben 5 Schiffszimmergesellen das Bürgerrecht.
Die Schiffzimmerleute zu Rostock waren raue Burschen, denen vornehme Manieren nicht immer nachgesagt wurden. Manchen Streit und Unmut hatten sie mit ihrem Amt ausgetragen, obgleich sie oftmals keine große Schuld trugen.
Der Segelschiffbau war enorm abhängig von Aufträgen und die Arbeit selbst von der Saison, der Lohn nicht immer ausreichend gegeben und die Meister stellten entgegen den eigenen Zunftgesetzen gelegentlich fremde Gesellen als Tagelöhner ein, um Kosten zu sparen. Dazu gab es Streitigkeiten zwischen Haus- und Schiffszimmerleuten, die immer mal wieder aufkamen: Fahrzeuge mit Kiel durften nur von Schiffzimmerleuten, aber flache Fahrzeuge ohne Kiel wie Prahme zum Ziegeltransport konnten sowohl von Schiffs- als auch von Hauszimmerleuten erbaut werden.
Autorin: Hannelore Kuna