Haff-Verlag
Texte zum historischen Handwerk in Mecklenburg- Vorpommern
Schlosser
Die Schlosser gehörten im Mittelalter zu den Kleinschmieden, den Metall verarbeitenden Gewerken, sowie die Nadler, Schwertfeger oder Messerschmieder auch. Besonders mit der Verfertigung von Schlössern und den dazugehörigen Schlüsseln erfüllten sie bereits im Mittelalter ein natürliches Sicherheitsbedürfnis sowohl für den Privatmann wie auch für die Öffentlichkeit. Die Stadttore von Anklam, Penkun oder Pasewalk wurden regulär abends und morgens mit einem großen langen Schlüssel aufgeschlossen, damit die Stadtbewohner vor Dieben, Räubern, Vagabunden usw. geschützt waren. Ebenso behütet wurden die schweren und dicken Eichentüren der Kirchen mit großen Schlössern und langen Schlüsseln.
Die Produkte der Schlosser waren überaus begehrt, selbst die verschiedenen Handwerksämter waren allesamt auf Schloss und Schlüssel angewiesen. Denn wichtige Amtsschriften und die Barschaft wurden zumeist in einer mit zwei Schlössern versehenen Lade verwahrt. Wohlbehütet unterstand die Lade dem wortführenden Altermann, der den Schlüssel zum ersten Schloss besaß und dem zweiten Altermann, der den anderen Schlüssel für das zweite Schloss bewahrte. Denn es sollte auf jeden Fall jedweder Missbrauch verhindert werden. Aber auch Reisende benutzten bereits verschließbare Koffer und Truhen; um sie durch die fahrende Post vor Wegelagerern und Diebereien möglichst zu sichern.
Schlosser waren sehr gewandte Handwerker, die nach Bedarf der Leute arbeiteten. Es gab wohl kaum nützliche Dinge, die sie nicht herstellten. Zum Beispiel verfertigten sie auch Türklopfer in verschiedensten Modellen vom zierlichen Ring bis hin zum kräftigen Hammer, welche an Haustüren hingen und zum Einlass (Klopfen) dienten. Schlosserarbeiten wurden ebenso bei Hausbauten gebraucht, so gehörten vielseitige Beschläge, Scharniere, Bänder, Riegel, Haus- und Stubentürdrücker aus Eisen zu ihren Produkten, die sie auf Bestellung für das Baugewerk zuarbeiteten. Sämtliche hölzernen Türen und Fenster wurden damit zusammengehalten oder beweglich gemacht. Unter der Bezeichnung Anker schmiedeten sie eiserne Kreuze, die dem Mauerwerk im Giebel den Halt gaben. Mit der modernen Zeit gab es zunehmend auch in diesem Gewerk feine Spezialisierungen z. B. für Hausratsgegenstände. Die ersten Plätteisen, frühe Geldschrankmodelle, selbst eiserne Rollläden für Türen und Fenster wurden von ihnen erdacht und angefertigt. Bekannt wurden auch die Kunstschlosser, die sich einen besonderen Ruf durch ihre künstlerisch feinen Arbeiten erwarben. Denn die Möbelfertigung bediente sich mit Verlauf der verschiedenen Kunststile der schmückenden Schlösser für allerlei Gebrauchsgegenstände: Schrank, die Truhe, Schatulle, das Klavier, Jagdkisten, für einen Pult oder den Sekretär, wodurch der Wert des Gegenstandes erhöht wurde. Noch heute gibt die Art und Weise und das verwendete Material eine Auskunft über die zeitliche Entstehung alter Möbel.
Die Arbeit im Schlosserhandwerk war vielseitig und so war auch die Werkstatt ausgerüstet, zu den wichtigsten Werkzeugen gehörten Amboss, Schraubstock, Hämmer, Dorn, Meißel, Bohrer, Feile, Zange und Blechschere. Als Hilfsmittel für schwierig zu formende Gegenstände wurden Stempel, Punzen und Grabstichel gebraucht. Weiterhin wurden Messinstrumente wie Winkel, Zirkel, Schablone und Zollstock benötigt. In der Werkstatt war die Esse die wichtigste Einrichtung für den Fortgang der Arbeiten. Der Amboss des Schlossers unterschied sich vom Amboss des Grobschmieds nur durch die Größe, er wog etwa 2 Zentner. An der schmalen Seite war noch ein Horn angebracht, dass Sperrhorn hieß, da der Schlosser beim Schmieden oft das Eisen biegen musste. Außer dem Schmiedeamboss benutzt der Schlosser zusätzlich einen Stockamboss.
Die Lehrzeit betrug im Schlosserhandwerk 3-4 Jahre. Vom Lehrling wurde gefordert, dass er männlichen Geschlechts, getauft, moralisch unbescholten und von beglaubigter ehelicher Herkunft war. Das Aufnahmealter lag durchschnittlich bei 14 Jahren. Im 16. Jahrhundert konnte sich ein Schlossergeselle in der Regel bereits nach 2 Jahren Wanderschaft um eine Meisterstelle bewerben. Als Meisterstück musste der Kandidat in der Regel drei verschiedene Schlösser anfertigen. Aber die wahre Meisterschaft zeigte sich in seinen vollendeten Arbeiten. Denn Schloss und Beschlag wurden technisch-zweckmäßig und mit der Entwicklung des jeweiligen Raumes ästhetisch zugleich verfertigt. Manche frühe Erfindung gibt es noch heute, der so genannte Bartschlüssel z. B ist bis heute als Grundform des gebräuchlichen Schlüssels geblieben. Die Schlossfertigung begann immer mit dem Schmieden des Schlüssels aus einem Eisenstab; am vorderen Ende war der breite Bart über dem heißen Feuer zu schlagen, zu Formen und daran mit Sägen, Feilen die einmaligen Einarbeitungen vorzunehmen, das hintere Ende bekam die gerundete Reute (Griff) geschmiedet. Genau nach dem Profil des Schlüsselbarts wurde das Schlossinnere so exakt gefertigt, dass nur dieser und kein anderer Schlüssel passte.
Seitdem 16. Jahrhundert kannte man das deutsche und danach das verbesserte französische Schloss. Die erste Variante war ein einfaches Türschloss, der Schlüssel ließ sich nur halb drehen, demzufolge der Riegel nur wenig verschieben und das Schloss bot nur geringe Sicherheit gegen Einbruch. Man brauchte damals zum Öffnen eines Geldkastens mit halber Drehung einen kolossalen Schlüssel, der zum Schließen viel Kraft erforderte. Das änderte sich mit einer modernen Erfindung ab 1728, da gab es dann auch einen kleineren Schlüssel. Ging aber der Schlüssel verloren, war die Not groß und es musste ein Handwerker gerufen werden. Denn zu den Diensten des Schlossers gehörte auch das Aufsperren, wenn der Bürgersmann mal seinen Türschlüssel verlor und nicht in die Wohnung kam. Dann halfen ihm die Gesellen und Lehrlinge mit dem Dietrich und Sperrhaken aus der Not, allerdings nur mit Erlaubnis des Meisters, und erhielten dafür ein sattes Trinkgeld.
Mit der Entwicklung von Industrie und Technik Anfang des 19. Jahrhunderts verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation. Anfangs konzentrierte sich die fabrikmäßige Herstellung von Schlosserwaren auf die massenhafte Produktion von Vorhängeschlössern, die keine große Sicherheit boten und auf die Erzeugung von Gewehrschlösser. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verdrängten gegossene und getemperte Schlösser oder Schlossteile die handgeschmiedete Arbeit.
Die Industrialisierung zu Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts nahm dem Schlosser seine traditionellen Arbeiten weg und brachte ihn in neue Arbeitsfelder. Jetzt mussten diese Maschinen gewartet und repariert werden, so wurden aus ehemals selbstständigen Schlossern und Gesellen oft Arbeiter bei der Pferdebahn in Stettin, der erste Straßenbahn, auf den Fabriken, Werften, in der Brauerei usw.
Autorin: Hannelore Kuna.